Ho­me­base für ur­bane No­ma­den

Der Europaplatz ist ein neuer Hotspot des städtischen Lebens in Bern. Mit S-Bahn und Tram ist er hervorragend erschlossen – entsprechend quirlig zeigt sich das ­Treiben in seiner Umgebung. Darauf richten sich die Wohnungen aus: Sie bieten ein Heim für Menschen, die gern zu Hause sind – die sich aber ebenso gern ins lebhafte Treiben der Hauptstadt stürzen.

Date de publication
17-04-2018
Revision
17-04-2018

 Es sind die fünf Meter Extratiefe, die den Unterschied ausmachen. Architekt Madir Shah hatte seinem Siegerprojekt für den Europan-Wettbewerb 1999 eine zusätzliche Schicht verliehen mit dem Ziel, die Möglichkeiten seines Entwurfs dadurch zu er­weitern (vgl. «Es war der Beginn einer wunder­baren Zusammenarbeit»). Das gilt auch für die ­Wohnungen, denn auf einer Tiefe von 20 m können bei eingeschränkter Raumhöhe keine konventionellen Grundrisse erstellt werden – zu dunkel wäre die Mitte des Gebäudes. Deshalb muss man sich etwas Besonderes einfallen lassen, um die Wohnungen in diesem Volumen unterzubringen. Wie das genau ­erfolgen sollte, wusste er damals noch nicht. Erst in der Umsetzung formten Bauart und Urbanoffice dieses Extra zu einem konkreten Mehrwert.

Die Basis bildet eine Staffelung der Wohntypen auf den verschiedenen Etagen im Längsriegel des Volumens. Im 4. und 5. Obergeschoss sind es einseitig ausgerichtete Longstay-Apartments, die von dieser zusätzlichen Tiefe profitieren – sie bieten einen Luxus, der für diese Grösse sonst kaum zu realisieren wäre: Die nach Südosten und auf den Platz ausgerichteten Wohnungen verfügen über eine Loggia mit Anschluss an Wohn- und Schlafzimmer. Die Wohnungen gegen Nordwesten weisen als Besonderheit Ankleide und Bad mit direkten Zugang zum Schlafzimmer aus. Diese Wohnungen bieten Raum für Menschen, die sich in ihrem Platzbedarf zurücknehmen, die jedoch nicht auf den Komfort einer präzise gestalteten Wohnung verzichten möchten. Darin finden junge «Urbaniden» ebenso eine Bleibe wie ältere Menschen, die das Leben in der Stadt geniessen.

Räumlich komplexer wird es in der darüber liegenden Schicht von Wohnungen: Im 6. bis 8. Geschoss umschliessen drei Maisonette-Typen eine «rue intérieure» im 7. Geschoss. Gleichzeitig nimmt die Tiefe in den letzten beiden Stockwerken ab, und zuoberst ist das Gebäude so schlank, dass nur noch eine Wohnung die gesamte Tiefe einnimmt. 

Im Grundriss des 7. Geschosses sind drei Wendeltreppen zu sehen: Zwei führen nach unten, eine nach oben. Entsprechend komplex gestaltet sich die Fügung dieser drei Wohnungen. Es ist eine räum­liche Präzisionsarbeit, wie die Räume ineinandergreifen. Auch die Maisonetten profitieren von der ­Extratiefe des ursprünglichen Projekts: Bei den beiden unteren Typen weist die gegen Südost orientierte eine zweigeschossige Loggia auf. Die gegen Nordwest und zu den Gleisen ausgerichteten ­Wohnungen verfügen über eine grosszügige Terrasse. Die Krönung bildet die Attikawohnung, deren Eingang sich auf dem 7. Geschoss befindet. Die Wohnräume sind ein Geschoss darüber angeordnet. Als Durchschusswohnung bietet sie neben einer grandiosen Aussicht auf beide Seiten eine grosszügige Terrasse. Mit drei Zimmern richten sich die Maisonetten an Paare und Singles.

Im zehnstöckigen Kopfbau des Gebäudes be­finden sich ab dem 4. Obergeschoss ebenfalls Wohnungen. Sie weisen mit einem kompakten, innen liegenden Erschliessungskern eine andere Typologie auf. Lange Zeit war dort ein Hotel vorgesehen – erst kurz vor der Ausführung wurde der Kopfbau umgeplant. Wie bei allen anderen Wohnungen besteht ihre Besonderheit darin, dass die Loggien mit der schmalen Seite zur Fassade stehen und in die Tiefe der Wohnung reichen. Dadurch können zwei Zimmer an den Aussenraum anschliessen. Diese Orientierung hat zudem einen weiteren Vorteil: Das Verhältnis von Öffnung zu Oberfläche ist optimal, um den Lärm der Stadt zu schlucken. Mit Tram, Bahn und Autobahn gibt es am Europaplatz viele potenziell störende Quellen. Dank der Geometrie und der schallschluckenden Oberfläche können die Bewohnerinnen und Bewohner selbst bei offenem Fenster in Ruhe schlafen.    

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