Das Basler Begrünungsmodell
Stadtverdichtung
Als erste Stadt der Schweiz verlangt Basel seit über 30 Jahren einen Mehrwertausgleich. Am Rheinknie zahlen Investoren, die höher und dichter bauen, jeweils in den städtischen Grünfonds ein. Die Reserve zur Aufwertung von Freiräumen liegt bei rund 50 Millionen Franken.
Basel baut und Basel spriesst. Mittlerweile steht das höchste Gebäude der Schweiz am Rhein. Vor drei Jahren hat der Pharmakonzern Roche seinen 178 m hohen Büroturm mit schräger Fassadenrampe gebaut. In Bälde wird der Zwilling gleich daneben noch höher gezogen; «Bau 2» soll sogar 50 Stockwerke und 205 m hoch in den Basler Himmel ragen. Aber nicht nur die Skyline, auch der Stadtkörper verändert sein traditionelles Gesicht: Wo früher kleine und grosse Gewerbebauten oder Güterumschlagplätze das Stadtbild prägten, entstehen nun weitläufige Neubauareale, voluminöse Wohnsiedlungen und protzige Geschäftskomplexe. Die «Weltstadt im Taschenformat», so die Eigenwerbung, will sich erweitern: Die Bevölkerung soll bis 2035 um 10 % zulegen.
Basel baut, Basel entwickelt sich und Basel zwängt sich in ein enges Korsett: Der Siedlungsraum ist begrenzt, die Fläche der Bauzonen zuletzt sogar leicht geschrumpft. Die drittgrösste Stadt der Schweiz wird sich weiter wandeln, sie kann aber nicht in die Breite, sondern nur nach oben und nach innen wachsen. Wo und wie der Stadtraum baulich verdichtet werden kann, zeichnet mittelfristig der Richtplan des Halbkantons vor. Baustellen, Kräne und Planungsworkshops deuten schon jetzt darauf hin, dass das Wachstum von vielen Orten ausgehen soll. Sowohl in den Aussenquartieren als auch an zentralen Lagen sind freie Bauplätze in überraschend reichlicher Anzahl verfügbar.
Drei Dutzend Aufwertungsstandorte
Weit gediehen ist die Verwandlung der Erlenmatt, eines knapp 20 ha grossen, ehemaligen Eisenbahngeländes an der Nordtangente. Zwei Drittel des neuen Basler Stadtquartiers für etwa 1200 Personen sind inzwischen bewohnt. Von hier aus zum Rhein ist der Umbau einer weit umfangreicheren Fläche angedacht; das heutige Industrieviertel Klybeck soll mittelfristig ein durchmischter Wohn- und Arbeitsstandort werden und zusätzlichen Lebensraum für 10 000 Personen bieten. Aber auch zentrumsnahe Quartiere entwickeln sich weiter: So haben das Gellertquartier und Kleinbasel eben erst Zuwachs durch neue Wohnsiedlungen erhalten. Teilweise müssen dafür urbane Grünflächen weichen.
Städte und Gemeinden rätseln, wie die Schweiz verdichtet werden kann – und vor allem, wie dies hochwertig gelingen soll. Am Rhein ist die Siedlungsentwicklung nach innen heute schon ein Standardfall. Und auch die Qualität des Wohnumfelds darf dabei nicht vernachlässigt werden. Die Stadtgärtnerei Basel führt eine lange Pendenzenliste, worauf jeder Eintrag besagt, wo dichter städtischer Aussenraum mittelfristig aufgewertet werden muss. An über drei Dutzend Standorten sind demnach zusätzliche Grünanlagen und Stadtparks zu realisieren. Beeindruckend ist aber auch der Mittelbedarf für diese Ausbauwünsche: Knapp 100 Mio. Fr. sollen in den nächsten acht Jahren zur Stadtbegrünung investiert werden. Zwar muss die Regierung den Kredit für jedes einzelne Vorhaben erst noch bewilligen. Aber im Prinzip ist das Geld bereits reserviert: Die erwarteten Einnahmen des Mehrwertabgabefonds sollen die geplanten Ausgaben decken.
Basel baut und Basel zahlt: Werden Bauflächen um- oder aufgezont, gibt der Grundeigentümer die Hälfte des Mehrwerts in den «Grünfonds» ab. Der Basler Verdichtungszyklus nährt deshalb einen eigenen Finanzkreislauf. Das Bauen boomt und füllt den Fonds mit beeindruckenden Mitteln: Allein der Roche-Turm I hat 12 Mio. Franken eingebracht. Beim Zwilling, Turm II, wird fast ein doppelt so hoher Betrag als Mehrwertabgabe erwartet. Die Bebauung weiterer Grossareale zahlt sich ebenso aus. Zuletzt nahm das kantonale Baudepartement jährlich rund 10 Mio. Fr. als Mehrwert ein. Seit Einführung sind über 120 Mio. Fr. in den Basler Grünfonds geflossen. Ein derart reich dotiertes Ausgleichssystem kennt kein anderes Gemeinwesen in der Schweiz.
Ein Berner Vorort und ein Wunderkässeli
Die Stadt Basel hat die Mehrwertabschöpfung nicht erfunden. Nationaler Pionier war die Berner Vorortgemeinde Ittigen. Vor 50 Jahren wurde dort die Grossüberbauung Kappelisacker realisiert; etwa 10 Mio. Franken flossen damals in die kommunale Steuerkasse. Die Stadt Basel führte Ende der 1970er-Jahre eine Abgaberegelung ein, 1999 wurde sogar eine Zweckbindung gesetzlich definiert. Seither ist die Basler Mehrwertabgabe nur zur Aufwertung des öffentlichen Aussenraums reserviert. Mit dem jüngsten Bauboom hat sich die finanzielle Ausgangslage verbessert. Derzeit liegen rund 50 Mio. Franken für neue Grünanlagen bereit.
Was man sich zur Kompensation der städtebaulichen Verdichtung wünscht, kann sich die Stadt Basel leisten. «Selbst Grosses wie zum Beispiel den Erlenmattpark», sagt Christiane Dannenberger, stellvertretende Amtschefin der Stadtgärtnerei Basel. Die Grünanlage im nördlichen Stadtteil entsteht seit 2010 etappenweise. Der Abschluss ist auf 2025 programmiert (vgl. «Es braucht Möglichkeitsräume», Kasten unten). Für Erwerb und Umgestaltung der 8 ha grossen Brache sind 20 Mio. Fr. budgetiert. Der offene Stadtpark, mitten im ebenfalls noch nicht fertiggestellten Neubauareal, ist gemäss Dannenberger nicht nur der Grösse wegen ein Vorzeigefall: «Das Grün war da, bevor die ersten Bewohner eingezogen sind.» Die Akzeptanz einer baulichen Verdichtung wird auf jeden Fall erhöht, wenn zusätzliche Freiräume ebenso fix entstehen.
Die Krux beim Städtebau ist: Die öffentliche Infrastruktur hinkt der realen Entwicklung oft hinterher. Daher sind Vorleistungen gefragt, wofür ein kommunaler Planungsträger jedoch gewisse Risiken in Kauf zu nehmen hat. Der Mehrwertabgabefonds ist ein Instrument, das nicht nur eine nachträgliche, sondern auch eine vorsorgliche Aufwertung des Aussenraums ermöglichen kann. Der Bedarf ist auch im bestehenden Umfeld nachgewiesen. Immer häufiger stellt die Wohnbevölkerung eigene Begehren: «Quartiervereine und Anwohner erhalten ebenfalls eine Unterstützung aus dem Grünfonds, sofern deren Projekte die Kriterien der Zweckbindung erfüllen», so Dannenberger. Kinderspielplätze, Pocket-Parks, BMX-Parcours oder ein Naturschutzteich gehören deshalb auch zum Spektrum der aus dem Grünfonds finanzierten Aufwertungsmassnahmen.
Ein selbst drehender Verdichtungszyklus
Ebendieser Bedarf an städtebaulicher Kompensation hat in den 1970er-Jahren die Basler Mehrwertabgabe hervorgebracht. Anlass war eine Quartierplanung in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof SBB. Beabsichtigt war der Umbau des Gebiets rund um die Gartenstrasse zum zentrumsnahen Geschäftsviertel, ergänzt mit qualitativ hochstehender Wohnlage. Einerseits wurde eine kompakte und dichte Bebauungsstruktur (Ausnützungsziffer: 2.5) angestrebt; andererseits sollte der bestehende Rosenfeldpark zur grünen Zentralachse erweitert werden. Das Verdichtungsvorhaben in diesem Quartier stiess damals auf öffentlichen Widerstand, und weil auch die Nachfrage nach Büroflächen sank, konnte die Planungsidee nie vollständig verwirklicht werden. Einzig die Basler Versicherung baute hier den Geschäftssitz und hatte dafür eine Mehrwertabgabe zu entrichten. Die Parkerweiterung wurde dagegen fallen gelassen.
Am selben Standort, am Aeschengraben, geht der Verdichtungszyklus nun in die nächste Runde: Die Versicherungszentrale wird durch den «Bâloise Park» ersetzt. Den Hochhauskomplex realisieren Architekturgrössen wie Diener & Diener, Valerio Olgiati und Miller & Maranta. Auch dieser Bebauungsplan ist mit einem Ausgleichsmodell versehen. Die Stadtgärtnerei will die Abgabe in den Grünfonds von rund 6 Mio. Fr. teilweise vor Ort reinvestieren.
Eine Kehrseite hat das Allerheilmittel gegen das Zubauen auch: Die Finanzen fliessen nur, wenn gebaut wird. Die Ausgleichserträge sind mittelfristig schlecht planbar. Zudem darf nur Neues erstellt werden. Unterhalt und Pflege der Grünanlagen sind Teil des ordentlichen Budgets, betont Christiane Dannenberger.
Basler Modell findet kaum Nachahmer
Basel baut und Basel investiert in öffentlichen, urbanen Grünraum. Die am dichtesten besiedelte Stadt der Deutschschweiz macht seit 40 Jahren vor, was nun für alle Gemeinden eine Verpflichtung in der weiteren Siedlungsentwicklung ist: die Planungsmehrwerte privater Investoren abzuschöpfen. Fast die Hälfte der Kantone hat bereits eigene Regeln eingeführt; das Basler Erfolgsmodell findet jedoch fast keine Nachahmer. Schweizweit begnügt man sich mehrheitlich mit dem gesetzlichen Minimum: ein Abgabesatz von 20 %, wobei das Bundesgericht bis 60 % als rechtmässig erachtet (vgl. «Auf Zurückhaltung und Vielfalt bedacht»).
Viele Kantone scheuen sich zudem, den Verwendungszweck allzu sehr zu definieren. Mit wenigen Ausnahmen wird die offizielle, aber nichtssagende Sprachregelung «raumplanerische Massnahmen» übernommen. Für Kantone mit einem Übermass an Bauzonen gehört jedoch deren Redimensionierung in die Pendenzenliste. Das Geld aus der Mehrwertabgabe soll prinzipiell für Entschädigungen verwendet werden, auf die ein Grundeigentümer bei Rückzonung prinzipiell Anspruch erhält.
Basel baut und Basel verdichtet. Allerdings ist absehbar, dass Basel demnächst zanken wird. Die laufende Gesetzesrevision stösst auf Kritik: Wirtschaftsnahe Kreise stören sich daran, dass der Abgabesatz von 50 % das nationale Mittel deutlich übertrifft und daher zu einem Standortnachteil werden könnte. Ebenso umstritten sind Ideen der Behörde, die bisherige Zweckbindung zu lockern. Befürchtet wird, dass sich das Geld für bisherige Aufwertungsprojekte verknappt. Die Regierung will noch in diesem Jahr einen Kompromiss präsentieren. Zu hoffen ist, dass Basel der übrigen Schweiz weiterhin beweisen darf, wie Siedlungsentwicklung nach innen am besten gelingt.
Erlenmattpark: «Es braucht mehr Möglichkeitsräume»
Raymond Vogel, Landschaftsarchitekt HTL SIA SWB und seit 2005 Inhaber und Geschäftsführer des gleichnamigen Landscharchitekturbüros in Zürich.
TEC21: Herr Vogel, zwei Etappen des Erlenmattparks sind realisiert. Nun folgt der Abschluss. Was fehlt noch?
Raymond Vogel: Die etwa eine Hektar grosse Nordspitze des Parkareals ist der Natur vorbehalten. Dieses Anliegen war städteplanerisch von Anfang definiert; die Fläche ist geschützt. Für den Gestaltungswettbewerb haben wir darum eine räumliche Abfolge mit drei unterschiedlichen Zonen entworfen: eine Fläche für den Naturschutz und südlich davon Arealbereiche mit entweder Natur schonendem Charakter oder ohne weitergehende Schutzansprüche.
TEC21: Wie hat man sich geschützte «Natur» auf einem ehemaligen Bahngelände vorzustellen?
Raymond Vogel: Stellen Sie sich vor, Sie hätten etwas sehr Wertvolles gefunden und wollen es für die Zukunft sichern und allen zeigen. Dieses Etwas sind seltene sensible Pflanzen und Tiere, die in Basel wieder einen Lebensraum für möglichst lange Zeit erhalten sollen. Dafür sorgen soll eine Struktur, die einem Landschaftspark nachempfunden ist, mit einer Mischung aus intensiver und extensiver Nutzung und Pflege und einer naturräumlichen Orientierung an seine Lage zwischen den Flüssen Rhein und Wiese. Die Mikrostruktur umfasst daher unterschiedliche Standorte, mit Flächen aus Kies oder Schotter, mit trockenen, mageren und fetten Wiesen sowie mit unterschiedlichen Gehölzgruppen. Dabei haben die botanischen und stadtökologischen Grundlagen weitergeholfen; die Naturwerte sind auf dem ehemaligen Güterumschlagplatz frühzeitig umfassend erhoben worden.
TEC21: Und wo findet der Mensch neben der Natur Platz?
Raymond Vogel: Mensch und Natur gehören zusammen. Der Mensch ist selbst Teil der Natur, weshalb Vieles nebeneinander in Balance sein soll. Gestalterische Gegensätze, in der Geländemodellierung oder oder bei der Bepflanzungfördern nicht nur die ökologische Vielfalt, sondern erzeugen auch eine Spannung, die als abwechslungsreich wahrzunehmen ist. In der Detailplanung war das Regime, was die einzelnen Flächen zu leisten haben, allerdings ein Dauerthema. Dabei gab es Differenzen zu bereinigen; die Bauherrschaft verlangte räumlich eindeutig definierte Funktionen. Wir verstehen die Stadtlandschaft allerdings als eine Matrix aus Möglichkeitsräumen, die thematisch unterschiedlich zu beschreiben und kompositorisch zu definieren sind.
TEC21: Können Sie das beispielhaft erläutern?
Raymond Vogel: Wir haben die Räume im Park nicht funktional eingeteilt, sondern dadurch differenziert, was dort passieren kann: fahren, spazieren, beobachten, spielen, liegen oder ein Buch lesen. Zudem haben wir die Naturprozesse den Nutzungen zugeordnet. Im Ursprungsentwurf haben wir auf figürliche Elemente oder Möblierungen weitgehend verzichtet, um auch ein zufälliges Chaos und eine gewisse Offenheit für Mensch und Natur zuzuassen. Die Bauherrschaft verlangte aber, die einzelnen Teilräume funktional eindeutig einzurichten, etwa mit Elementen für die Naturschutzflächen, Velofahrstreifen, Sitz- und Kunstobjekten oder Sport- und Kinderspielplätzen.
TEC21: Sind dabei Qualitäten verloren gegangen?
Raymond Vogel: Generell wollen wir die Ansprüche der Bauherrschaft und Nutzer erfüllen. Ebenso wollen und können wir als erfahrene Entwerfer mehr Verantwortung übernehmen: Die Städte in der Schweiz haben kaum mehr neue Freiflächen zu bieten, und deshalb geht das Wissen verloren, wie solche Anlagen gut gestaltet werden. Die Ausgangslage im Erlenmattpark ist besonders, weil inmitten einer dichten Bebauung eine Grundstruktur aus Grösse und Weite inszeniert werden sollte. Gleichzeitig soll in diesem Raum ein Mosaik aus Naturprozessen Platz finden. Alle sind aber glücklich darüber, dass die geforderten Ansprüche erfüllt werden und sich der weitsichtige Entscheid der Entscheidungsträger als lohnenswert herausgestellt hat, mit dieser Parkanlage eine derart grosse Vorinvestition zu tätigen. Obwohl zu sagen ist, dass ausserordentlich viele Vorgaben zu erfüllen waren, die sich auf naturschützerische, ökonomische, soziologische, emotionale sowie bau- und sicherheitstechnische Aspekte beziehen.
TEC21: Sind weitere Schwierigkeiten in der Realisierung des Projekts aufgetaucht?
Raymond Vogel: Eigentums- und Nutzungsgrenzen werden bevorzugt sichtbar abgesteckt. Die Verbindung des öffentlichen Raums mit den privaten Überbauungen ist jeweils schwer zu koordinieren, was auch beim Erlenmattpark der Fall war. Solche Schnittstellen sind beispielsweise die Ränder und Übergänge zwischen Park und übergeordneten Fahrwegen oder die Abgrenzung zu den Vorgärten der teilweise noch zu realisierenden Wohnsiedlungen. Die Konflikte wären aber nicht erst in der Objektplanung, sondern bereits städteplanerisch anzupacken. Alle versuchen das vermeintlich Beste für die Klientel herauszuholen und schaffen dabei eine Verinselung der Grenzräume, was meistens ein negatives Bild erzeugt. Demgegenüber braucht es Vertrauen und ein besseres Verständnis für das Miteinander an solchen Grenzen. Um den den öffentlichen Raum zu stärken, wäre es sinnvoll, Abstandsräume und Grenzelemente gesamtheitlich zu gestalten.
TEC21: Was betrachten Sie im Erlenmattpark als besonders gelungen?
Raymond Vogel: Ich gehe davon aus, dass die Grundstruktur des Parks bei guter Pflege robust genug ist, sich verändernde Ansprüche aufzunehmen und den Gestaltungscharakter weiterzuentwickeln. Ebenso hoffe ich, dass das Echo der Nutzenden vor Ort weiterhin positiv ausfällt. Zudem hat die Stadtgärtnerei bereits betont, wie viel Freude sie an der Pflege des Stadtparks und der naturnahen Pflanzen- und Tierwelt hat. Der Park sei auch ideal für die Ausbildung der eigenen Fachleute.
TEC21: Der Erlenmattpark ist das Vorzeigebeispiel für eine Aufwertung des Aussenraums bei baulicher Verdichtung. Wie gut eignet er sich aus Ihrer Sicht zur Nachahmung?
Raymond Vogel: Aus der Mitarbeit im Landschaftsarchitekturbüro von Dieter Kienast und Günther Vogt vor rund 20 Jahren habe ich gelernt: Intelligentes Nachahmen ist Teil unserer Kultur. Aber nur eine Berücksichtigung menschlicher Aspekte weckt das Verständnis. In Basel war das hauptsächliche Anliegen, den Standort naturnah zu gestalten. Das ist kein Rezept für alle Freiflächen in verdichteten Räumen. Stadträume und Nutzungen sind auf Diversität angewiesen, weshalb eine Repetition des Grünthemas nur bedingt sinnvoll ist. Vielmehr würde ich mir eine bewusstere Auseinandersetzung zwischen Grün und Grau wünschen. Auch wenn die Freunde der grauen Flächen noch gefunden werden müssen.
TEC21: Möchten Sie sich dafür stark machen?
Raymond Vogel: Wenn wir über Freiräume und Stadtverdichtung sprechen, sind das Nebeneinander verschiedener Ansprüche und offene Nutzungsprogramme wichtige Anliegen. Nehmen wir zum Beispiel einen Asphaltplatz, per se kein Sympathieträger. Versiegelungen widersprechen meistens den Ansprüchen an die Regenwasserversickerung oder sind stadtökologisch nicht ideal. Trotzdem bietet ein leerer Asphaltplatz am meisten Raum für unterschiedliche Nutzungs- und Bewegungsformen. Er ist frei bespielbar, aber strahlt keine animierende Atmosphäre aus. Ausserdem geschieht auf einer freien asphaltierten Fläche ohne amtliche Bewilligung oft nichts, so dass sich die Bevölkerung den Raum spontan fast nicht aneignen kann. Dafür braucht es zusätzliche Freiheiten, eine gewisse Dichte an Menschen mit Lebensfreude und ein Beziehungsgefüge zwischen dem Raum und den Gebäuden.
TEC21: Also braucht es auch eine stärkere Animation durch gute Gestaltung oder Möblierung?
Raymond Vogel: Nicht unbedingt. Vielmehr will ich sagen: Die Stadtplanung muss eine Diversität von Freiräumen zur Verfügung stellen, damit unterschiedliches Leben auch zu verschiedenen Zeiten darin möglich ist. Aktuell besteht die Gefahr, aus emotionalen Gründen die ganze Welt in einen einziges Anlageobjekt hineinpacken zu wollen. Alles wird durchgestylt und -programmiert, aber der Raum für Zufälle geht verloren. Zudem kann die Planung gar nicht alles im Voraus wissen. Wer weiss denn schon, was die Zukunft bringt? Meine Antwort darauf ist: Das im Voraus entworfene Programm muss sich in der Realität beweisen und ohne grossen Aufwand veränderbar sein.
TEC21: Welche Freiräume können eine Siedlungsverdichtung am wirkungsvollsten ausgleichen?
Raymond Vogel: Grundsätzlich muss eine bauliche Dichte gut gestaltet sein. Je intensiver die Nutzung ist, umso mehr Gestaltungsqualität ist hineinzubringen. Allerdings muss der Städtebau auch Knautschzonen, das sind nicht bis ins letzte Detail kontrollierte, flexible Stellen, zulassen. Wo Verdichtung stattfindet, müssen Aussenräume Teil unseres Kulturschaffens oder der Architektur werden.
TEC21: Nehmen die aktuellen Freiraumplanungen diese Anliegen auf?
Raymond Vogel: Die Gestaltung des Freiraums ist zu sehr Spielball von irgendwelchen Deals und technischen Ansprüchen geworden. Viele Bauherrschaften begnügen sich damit, die Qualität an der Funktionalität, der versicherungstechnischen Sicherheit oder der ausreichenden Personenhydraulik zu messen. Ebenso systematisch leidet die räumliche Qualität der Gestaltung in der Landschaftsarchitektur unter ökonomischen Sachzwängen bei der Projektumsetzung.
TEC21: Welche?
Raymond Vogel: Die Planungsabläufe sind meistens ökonomisch optimiert und viel stärker als früher kontrolliert. In den Phasen Entwurf, Management und Ausführung werden zwar getrennte Ziele verfolgt, aber gleichzeitig muss alles schneller gehen. Das kann ja nicht gut gehen: Das Entwerfen und Gestalten unseres Lebensraumes verliert gegenüber den Umsetzungsstrategien und der administrativen Arbeit an Wertschätzung. Erkennbar ist dies am schwindenden Vertrauen in die Erfahrung der Landschaftsarchitekten und den im Gegenzug immer längeren Listen mit Normen, in denen die Koordination unzähliger Details geregelt wird.
TEC21: Läuft die Diskussion über die Siedlungsentwicklung nach Innen in eine falsche Richtung?
Raymond Vogel: Mir scheint, die Landschaftsarchitektur wird aus Kostengründen auf die Restflächen im gegebenen Raum verdrängt und als Verschönerungsbeitrag in räumlichen Entwicklungsstrategien missbraucht. Oft wird polemisch betont, die Stadt sei gebaut. Damit wird eigentlich gesagt: Die Aufgabe beschränke sich bloss noch darauf, das Bestehende zu verdichten, zu erneuern und bestenfalls zu verschönern. Bauen, wo bereits gebaut ist, verstehe ich aber so, dass wir uns weiterentwickeln sollen. Doch der Aussenraum hat weder Vertreter in Machtpositionen noch eine starke Lobby für die folgenden Generationen. Landschaftsarchitekten verstehen sich nicht als Dienstleister, sondern als Vermittler zwischen der Architektur der Gebäude und der Ökonomie des Stadtraums.
Vielfältige Verwendungswünsche
Nicht nur Basel, auch viele Berner Gemeinden erheben seit gut 30 Jahren Anspruch auf eine Mehrwertabgabe. Dort fliessen die Millionenbeträge aber meistens in die allgemeine Steuerkasse und werden bisweilen als «Wunderkässeli» betrachtet. Entsprechend vielfältig sind die Vorhaben, die damit auf kommunaler Ebene alimentiert werden, darunter Strassen, Lärmschutz, Schulanlagen oder selbst Kulturangebote.
Das nun gültige Bundesgesetz präzisiert dagegen die Zweckbindung für die raumplanerischen Ausgleichsmittel. Auf einer gewissen Bandbreite scheinen die Kantone jedoch zu beharren. So beabsichtigen Luzern, Freiburg und Zürich, die Mehrwertabgabe auch für den Ausbau der öV-Infrastruktur einzusetzen. Auch andernorts sollen die Erträge nicht nur für zusätzliche Grünräume eingesetzt werden dürfen. In der Westschweiz sind unter anderem Ideen im Gespräch, mit dem «Mehrwert»-Geld die Entsiegelung von Brachen oder den Erwerb von Kulturland zu finanzieren. Ein Sonderfall präsentiert der Kanton Genf: Die Mehrwertabgabe soll ansässigen Bauernbetrieben zugute kommen, weil deren Wirken als Ausgleich zur Urbanisierung des Stadtkantons verstanden wird. (Paul Knüsel)
Namensgerechte Aufwertung
Lange Zeit war der nördliche Zugang zum Basler «Zolli» ein trister, betrüblicher Ort. Seit letztem Sommer wird das «Nachtigallenwäldeli» seinem idyllischen Namen wieder gerechter. Die Schneise zwischen Heuwaage und dem ältesten Zoo der Schweiz ist nun ein fast 1 km langer, grüner Stadtpark entlang des Birsigkanals. Das Aufwertungsprojekt ist aus finanziellen Mitteln der Mehrwertabgabe realisiert worden. Bauliche Eingriffe, darunter der Abbruch der Kuppel (ein Kulturprovisorium) und eines Autoparkdecks, erlaubten die räumliche Erweiterung, auch zugunsten des zuvor weitgehend eingedolten Fliessgewässers. Die zusätzlichen Massnahmen zum Hochwasserschutz und zur Revitalisierung der Birsig sind separat, nicht aus dem Grünfonds finanziert worden.
Durch die Parkanlage führt nun ein verzweigtes Wegnetz. Drei Stege verbinden die Ufer miteinander. Sitzgelegenheiten unter einer Brücke und an den Grünflächen ergänzen das städtische Parkmobiliar. Der Baumbestand ist locker angeordnet und erzeugt eine helle, durchlässige Wirkung. Von der Aufwertung dieses Standorts wird der angrenzende Stadtraum unmittelbar profitieren. In direkter Nachbarschaft zum Nachtigallenwäldeli wird schon bald weitergebaut: Das Hochhaus an der Heuwaage wird durch einen Neubau ersetzt («Ein Torre Velasca für Basel»), und der Zoo Basel plant eine Erweiterung mit dem Ozeanium (TEC21 7–8/2013, S. 9). Für den Ersatz der Kuppel im südlichen Teil des erweiterten Parks soll demnächst ein Projektwettbewerb ausgeschrieben werden. (Paul Knüsel)
Nachtigallenwäldeli, Basel
Bauherrschaft: Stadtgärtnerei Basel/Tiefbauamt
Landschaftsarchitektur: David & von Arx, Landschaftsarchitektur, Solothurn
Hochwasserschutz: Aegerter & Bosshardt Ingenieure und Planer, Basel
Brückenbau: Schmidt + Partner Bauingenieure, Basel
Realisierung: 2016–2018