Brückeneinsturz in Genua – eine Spurensuche
Wie kam es zum Einsturz der Morandi-Brücke?
«O dio, o dio …» – Davide Di Giorgios Entsetzen ging um die Welt. Durch Zufall filmte der Informatiker den Teileinsturz des Polcevera-Viadukts in Genua. Das Versagen von System Nummer 9, wie sein Konstrukteur Riccardo Morandi es nannte, riss 43 Menschen in den Tod. Eine Spurensuche.
Etwa 500 Meter entfernt ist Davide Di Giorgio, als er Augenzeuge des Einsturzes der Morandi-Brücke wird. Im Vordergrund seines Videos sieht man die Dächer der Ansaldo-Energia-Fabrik, einer Energietechnikfirma, nördlich des für Genua so wichtigen Viadukts über den Polcevera-Fluss gelegen. Über der italienischen Hafenstadt entlädt sich gerade ein starkes Gewitter, und so sind die einstürzenden Pylone nur schemenhaft zu erkennen. Eines fällt jedoch auf: Die Fahrbahn ist im Video schon nicht mehr vorhanden – der Zusammenbruch der beiden A-förmigen Pylone ist das traurige Finale des Desasters.
Dass die 90 m hohen Pylone – «antenne» (Antennen) nannte sie Riccardo Morandi, der Entwerfer der Brücke (vgl. Kasten unten) – als Letztes umfielen, lässt sich mit der Brückenkonstruktion erklären, die auf den kursierenden Fotos nicht ohne Weiteres deutlich wird. Die beiden in der Längsansicht erkennbaren A-förmigen Konstruktionen sind zwar am Pylonkopf und unterhalb der Fahrbahn miteinander verbunden, eine lasttragende Verbindung mit der Fahrbahnplatte in Form einer Lagerung existiert jedoch nicht. Einzig die einbetonierten vorgespannten Tragseile verbinden die Pylone mit der Brückenplatte. Zusätzlich zu dieser Abhängung dienen zweimal vier schräg gestellte Stützen, die miteinander verbunden sind, dem Lastabtrag der Brückenplatte. Von den Seiten her gesehen bilden diese Stützen eine H-förmige Konstruktion, eine Art Bock.
Auffälligkeiten der gefallenen Elemente
Im Video stürzt zuerst die nördliche «Antenne» ein. An ihrem Kopf hängt wahrscheinlich noch das Tragseil, das nach Westen spannte. Als Letztes fällt der südliche Pylon. Aufgrund der miserablen Sichtverhältnisse ist im Video nicht erkennbar, ob die Tragseile, die in östliche Richtung spannten, beim Einsturz noch vorhanden waren. Man sieht sie nicht – doch auch die Seile der angrenzenden, heute noch stehenden Pylone (System Nr. 10), die sich nur etwa 120 m weiter vom Augenzeugen entfernt befinden, sind nicht auszumachen. Möglicherweise liegt dies aber auch an der Perspektive.
Bei eingehender Betrachtung der Bilder, die unmittelbar nach der Katastrophe etwa vom Helikopter oder von Drohnen der Feuerwehr (Vigili del fuoco) aufgenommen wurden, verwundern manche Positionen der herabgestürzten Brückenelemente. Der kollabierte Teil des Bauwerks bestand aus drei Elementen: in der Mitte das System Nummer 9 mit den Pylonen, dem H-förmigen Bock und der Fahrbahnplatte, ein westlich daran anschliessender Gerberträger und sein östliches Pendant, das zum System 10 überleitete. Das System 10 entspricht dem eingestürzten, blieb aber stehen, da die Gerberträger einem Dominoeffekt vorbeugten. Vor allem in Bezug auf seismische Aktivitäten war dies von Vorteil.
Es fällt auf, dass der östliche Gerberträger leicht in Richtung Nordwest gedreht daliegt. Seine südwestliche Ecke ist zerstört, ansonsten ist die Fahrbahn in der Draufsicht noch relativ intakt – abgesehen von einem Knick, der entstand, als die Platte auf das unter der Brücke durchlaufende, erhöhte Bahntrassee traf.
Das dominierende, noch leicht zuzuordnende Bruchstück östlich der Pylone ist ein Teil der Fahrbahnplatte aus dem ehemaligen Einleitungsbereich der Stützen. Es liegt um 180° gedreht auf den Gleisen, die unter der Brücke verlaufen. Die Hohlkästen der Platte zeigen nach oben, die asphaltierte Fahrbahn zum Boden hin, im Norden ist noch ein Stumpf einer Stütze erkennbar. Das entsprechende Gegenstück auf der westlichen Seite der Pylone kippte dagegen nur in westliche Richtung nach unten.
Der recht gut erhaltene Zustand der beiden Plattenabschnitte hängt mit ihrer Konstruktion zusammen. Im Bereich der Stützen zeigen die Pläne eine beachtliche Anhäufung vorgespannter Bewehrungsstähle, die das jeweilige Bauteil stabilisieren und schwer machen. Auch im Bereich der Aufhängungen ist vorgespannte Bewehrung vermehrt vorhanden, während in den übrigen Abschnitten des Fahrbahnhohlkastens ein bedeutend geringerer Bewehrungsgrad vorliegt.
Im Westen – dort sieht die Einsturzstelle chaotischer aus als im östlichen Teil – fällt neben der gekippten Fahrbahnplatte vor allem das stark bewehrte Element der einstigen Aufhängung ins Auge. Es liegt auf der Seite, die nördliche Aufhängungsvorrichtung (früherer Anschluss der Tragseile an der Fahrbahnplatte) ragt in den Himmel, und das ganze Bruchstück ist in der Draufsicht etwa um 45° von der ehemaligen Fahrbahnachse nach Norden gedreht.
Es bleibt die Frage, was mit dem entsprechenden Abschnitt der massiv bewehrten Aufhängung auf der Ostseite der Pylone passiert ist. Auf den Bildern ist seine Lage nicht erkennbar. Einzig ein Teil der Fahrbahn liegt senkrecht zur ehemaligen Fahrbahnachse östlich des um 180° rotierten Fahrbahnplattenteils.
Hypothese zum Ablauf des Einsturzes
Im Folgenden wagen wir den Versuch, einen möglichen Ablauf des Einsturzes aufzuzeigen. Unsere Hypothesen stützen sich dabei auf die oben dargelegten Betrachtungen der Positionen der eingestürzten Bauwerkselemente. Den noch ausstehenden Ergebnissen der Untersuchungen können und wollen wir damit in keiner Weise vorgreifen.
Zahlreiche Brückenbauexperten gehen mittlerweile von einem Versagen der vorgespannten Aufhängung aus (vgl. Interview mit Michel Virlogeux). Wir vertreten hier die Theorie, dass das südöstliche Tragseil des Systems 9 als Erstes nachgegeben hat. In diesem Abschnitt (zwischen den Systemen 9 und 10) hatte die Brücke ihre grösste Spannweite. Bereits in den 1990er-Jahren mussten Tragseile am ähnlichen System 11 aufgrund ihres schlechten Zustands verstärkt werden.
Die zerschlagene Ecke des östlichen herabgefallenen Gerberträgers spricht dafür, dass sie als Erstes auf den Boden geprallt ist. Durch einen Ausfall des Tragseils ist demnach der südliche Anschlusspunkt zwischen Brückenplatte und Gerberträger abgesackt und der Träger aus seiner Lagerung herausgerutscht (spätestens nach dem Ausfall auch des nördlichen Tragseils).
Da die östliche Brückenplatte nun nur noch am nördlichen Tragseil hängt, senkt sie sich ab. Aufgrund der grossen Hebelwirkung und des Gewichts der Aufhängung kommt es zum Riss am Übergang von der gering bewehrten Brückenplatte zum massiv bewehrten Abschnitt im Bereich der Stützen. Wahrscheinlich bricht nun auch bereits die Brückenplatte zwischen den Pylonen. Der östliche Aufhängungsabschnitt der Brückenplatte stürzt zusammen mit dem geringer bewehrten Teil nach unten.
Möglicherweise ist das nördliche Tragseil zu diesem Zeitpunkt noch intakt und zieht die Platte in Richtung Pylone. Die Platte kommt auf den Gleisen zum Liegen. Ein Teil der Fahrbahn knickt ab, dreht sich in der Draufsicht gesehen um annähernd 90° und zeigt schliesslich senkrecht zur ehemaligen Fahrbahnachse.
Der Stützenbereich hat zwischen den Pylonen nun keinen Halt mehr, weil die Platte dort gebrochen ist. Aufgrund seines Schwerpunkts kippt er nach vorn (Richtung Osten). Die Stützen brechen ab, die Brückenplatte rotiert beim Fall um 180° (in der Längssicht gesehen) und stürzt auf die bereits liegende Fahrbahn mit der Aufhängung.
Weil die östlichen Tragseile ausgefallen sind, haben die westlichen Abspannungen kaum oder keine Tragwirkung mehr – die Seile laufen über den Pylonkopf, es fehlt das nötige Gegengewicht des Brückenostteils. Es kommt zum Riss zwischen der westlichen, stark bewehrten Aufhängung und der schwächer bewehrten Brückenplatte. Dabei senkt sich die südliche Seite der Aufhängung ab. Das nördliche Tragseil könnte zu diesem Zeitpunkt noch teilweise funktionieren. Es zieht die Aufhängung regelrecht ein Stück nach Norden, bis die Verbindung reisst.
Der stabile Brückenplattenteil der Aufhängung schlägt nun mit seiner ehemals südlichen Seite auf dem Boden auf und bleibt in einer annähernd 45° zur Brückenachse ausgerichteten Position liegen. Schätzungsweise wäre eine solche Endposition kaum möglich, falls ein nördliches Tragseil zuerst nachgegeben hätte. Die Brückenplatte im Bereich der Stützen kippt in Richtung Westen und bleibt schräg gestellt auf bereits eingestürzten Trümmern liegen.
Das Versagen der Brückenplatte hat natürlich Auswirkungen auf die Pylone. Durch die dynamischen Lasteinwirkungen versagen Bewehrungen, wahrscheinlich verschieben sich einzelne Abschnitte der Antennen; auch ihre Verbindung, die unterhalb der Fahrbahn durchführt, wird wohl zerstört sein. Die Pylone stürzen als Letztes ein, wie es das Video zeigt.
Die Unglücksbrücke und ihre Schwestern
Das Polcevera-Viadukt steht mit seiner Konstruktion nicht allein in der Welt – vom System her entsprechen ihm zwei weitere Brücken: die General-Rafael-Urdaneta-Brücke über den Maracaibo-See in Venezuela, deren Tragseile noch nicht betonummantelt ausgeführt wurden, und die Brücke über das Wadi al-Kuf in Libyen. Die Genueser Brücke (Bauzeit 1962–1967) wurde zeitlich direkt im Anschluss an die 8.6 km lange Konstruktion in Venezuela (Eröffnung 1962) gebaut, und auch das libysche Bauwerk (Bauzeit 1967–1971) wurde umgesetzt, ohne dass man Langzeiterfahrungen aus den früheren Projekten hätte auswerten können. Spätere Bauwerke Morandis benutzen zwar ebenfalls vorgespannte, einbetonierte Tragelemente als Abspannung, diese Elemente sind jedoch auf einer Seite immer in einem Fundament verankert und nicht an der Fahrbahnplatte wie bei den drei oben angeführten.
Die Maracaibo-Brücke erlangte bereits knapp zwei Jahre nach ihrer Eröffnung im April 1964 traurige Berühmtheit – %%gallerylink:44166:ein Teil von ihr stürzte ein%%, jedoch nicht im Bereich der Pylone mit ihren abgehängten Tragkabeln, sondern im Abschnitt mit H-förmigen Brückenpfeilern und kleineren Spannweiten. Die Einsturzursache musste seinerzeit nicht lang gesucht werden: Der Öltanker «Esso Maracaibo» mit 36 000 t DWT (Dead Weight Tonnage) und 250 000 t Rohöl an Bord hatte einen Stromausfall und trieb manövrierunfähig über eine Seemeile auf die Brücke zu, wo es zur Kollision kam.
Nach der Katastrophe in Genua war dies für die Presse natürlich ein gefundenes Fressen – Schlagzeilen, dass schon einmal eine «Morandi-Brücke» eingestürzt war, machten die Runde. Die beiden Unglücke lassen sich aber nur schwerlich miteinander vergleichen. Im einen Fall handelte es sich um ein junges Bauwerk, das aufgrund einer aussergewöhnlichen Einwirkung versagte, im anderen ein in die Jahre gekommenes, das unter gewöhnlichen Belastungen zusammenbrach und bei dem noch nicht feststeht, ob die erforderlichen Wartungen und notwendigen Reparaturen auch tatsächlich durchgeführt worden waren.
Das laufende Verfahren der Gerichtsverhandlung wird dies ans Licht bringen. Ob man im Fall der südamerikanischen Brücke dem Konstrukteur einen Vorwurf machen kann, die Möglichkeit des Anpralls eines Schiffs sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, darf bezweifelt werden. Heutige Sicherheitskonzepte und Betrachtungen lassen sich nicht ohne Weiteres in die Planungszeit der Brücke übertragen.
Allen drei – aufgrund ihres ähnlichen Alters relativ vergleichbaren – Brücken gemein ist jedoch, dass sie mit strukturellen Problemen zu kämpfen haben. Nach 15 Jahren Betrieb wies die Maracaibo-Brücke aufgrund mangelnden Unterhalts bereits erhebliche Korrosionserscheinungen an 24 ihrer 192 Tragseile auf. Nach dem Bruch eines Seils im Jahr 1979 wurden diese ausgetauscht, ihre Tragfähigkeit durch Querschnittsvergrösserungen erhöht und auch die Aufhängung an den Pylonköpfen abgeändert: Liefen die Seile vorher über den Pylonkopf hinweg, wurden sie neu dort geteilt und verankert.
Beim Polcevera-Viadukt liefen die Seile noch über den Pylonkopf, und Sichtkontrollen der Tragkabel sind aufgrund ihrer Umhüllung mit Beton ausgeschlossen. Aufgrund der wenigen Tragkabel ist eine Redundanz nicht vorhanden. Versagt ein Seil, so versagt das ganze System, wenigstens im Bereich der Pylone – allerdings ist dank den Einhängungen der Gerberträger zwischen den einzelnen tragenden Abschnitten ein weitergehender Dominoeffekt äusserst unwahrscheinlich.
Die Schwachstellen der Konstruktion sind ein bekanntes Problem. Bereits im Jahr 1979 bemerkte Riccardo Morandi, das Polcevera-Viadukt bedürfe einer ständigen Wartung und zukünftiger Instandsetzung – dabei war die Brücke damals erst zwölf Jahre alt. Zwischen 1992 und 1994 wurden am System 11, dem östlichsten Pylon, die Aufhängungen ersetzt. An der Aussenseite der betonummantelten Tragelemente wurden neue Stahlseile aufgebracht. Nach Kappung der alten Tragseile blieben diese an Ort und Stelle. Auch am Pylonkopf des Systems 10 gab es bereits Anpassungen.
Eine Instandsetzung der Tragkabel am zusammengebrochenen System 9 war für 2019 vorgesehen. Zum Zeitpunkt des Einsturzes lief gerade die Ausschreibung für die baulichen Massnahmen. Man kommt nicht umhin zu sagen: Das Polcevera-Viadukt war eine Dauerbaustelle. Gemäss seiner Betreiberin Autostrade per l’Italia, einer seit 1999 privatisierten Gesellschaft, waren im Zeitraum 2015–2018 (bis 14. August) an 926 Tagen Arbeiten an der Brücke im Gang – durchschnittlich an fünf von sieben Wochentagen.
Die libysche Brücke über den Wadi al-Kuf wurde 2017 aus Sicherheitsgründen komplett für den Verkehr gesperrt.
Fragwürdige Aussagen, dubioses Gesetz
Politisch wurde die Katastrophe von Genua sofort ausgeschlachtet. So warf Innenminister Matteo Salvini von der europaskeptischen Lega Nord der EU vor, durch Spar- und Haushaltsvorgaben nötige Investitionen in Infrastrukturmassnahmen zu verhindern.1 Wohlgemerkt, solche Aussagen wurden bereits getroffen, als weder die Schuld noch der tatsächliche Versagensmechanismus feststanden – die Gerichtsverhandlung hat bei Redaktionsschluss im Februar 2019 noch gar nicht begonnen. Die Beweissicherung, für die auch die Empa herangezogen wird, hätte am 15. Dezember 2018 abgeschlossen sein sollen. Laut Bernhard Elsener, Professor am Institut für Baustoffe der ETH Zürich und einer der drei Experten der von der italienischen Staatsanwaltschaft angeordneten Untersuchung, wurde das Beweissicherungsverfahren jedoch erheblich verlängert.2
Schwer nachvollziehbar ist daher, dass Genuas Bürgermeister Marco Bucci, der auch zum Kommissar für den Wiederaufbau ernannt wurde, den Bürgern verspricht, bereits Ende 2019 könnten sie über eine neue Brücke fahren. Zumindest wurden dem Kommissar durch ein vom italienischen Parlament verabschiedetes Gesetz zur Überwindung der negativen Folgen des Brückeneinsturzes weitreichende Handlungsspielräume eingeräumt: Die Vergabe für einen Neubau etwa, der hunderte Millionen Euro kosten wird, kann quasi freihändig erfolgen; ausseritalienische Unternehmer sind praktisch ausgeschlossen. Für die Kosten solle die jetzige Betreiberin, die Autostrade per l’Italia, aufkommen, obwohl noch gar nicht feststeht, ob oder in welchem Mass ihr eine Schuld am Unglück zukommt.
Neue Brücke in den Startlöchern
Renzo Piano, 81 Jahre alter Stararchitekt aus Genua, möchte mit %%gallerylink:44181:seinem Entwurf einer stählernen Hohlkastenbrücke%% seiner Heimatstadt wieder einen gewissen Stolz schenken und kündigte an, auf sein Honorar zu verzichten. Im Dezember 2018 erhielt er den Auftrag, den Wiederaufbau der Brücke zu leiten. Ein Konsortium aus drei Firmen wird die Ausführung umsetzen. Auch der spanische Architekt Santiago Calatrava legte drei Entwürfe einer neuen Brücke vor, konnte sich aber nicht durchsetzen.
Vom Tisch ist zumindest die müssige Diskussion, ob die Brücke im Sinn Morandis respektive – mit technischen Verbesserungen – nach seinem Entwurf wiederaufgebaut werden solle. Vor dem Hintergrund, dass das Polcevera-Viadukt und die mit ihm verwandten Brücken ihre Probleme haben, hätte es einer Farce geglichen, mit dem Verweis auf ein kulturelles Erbe ein altes, überholtes System neu zu erstellen. Letztlich hat ein Verkehrsträger sicher, funktional, kosten- und unterhaltsgünstig zu sein. Schliesslich haben sich die Fahrzeuge, die ihn benutzen, im Lauf der Zeit verändert. Weshalb sollte man die Bauwerke nicht ebenfalls anpassen – vor allem, wenn ihre Technik den Ansprüchen nicht genügt?
Postskriptum:
Bei Drucklegung dieses Artikels sickern langsam Neuigkeiten zur Einsturzursache in die Öffentlichkeit durch. Die italienische Zeitung «Il secolo XIX» beruft sich auf den Bericht der Empa, in der Betonumantelung der Tragseile seien Fremdkörper wie Jute und Sand gefunden worden. Der Bericht wurde am 11. Dezember 2018 fertiggestellt und an die italienischen Behörden verschickt. Die Empa selbst ist derzeit noch zum Stillschweigen verpflichtet. Die Übersetzung des auf Deutsch verfassten Berichts wurde von einem Anwalt der Betreiberfirma (Autostrade per l'Italia) jedoch angezweifelt.
Riccardo Morandi
(1902–1989), war ein Pionier im Spannbetonbau. Der in- ternational tätige Bauinge- nieur setzte vor allem zahl- reiche Brückenbauten um. Dabei wandte er neue Techniken an, etwa das vertikale Betonieren und Herab- klappen der Halbbögen von Bogenbrücken (z.B. PaulSauer Bridge, Südafrika 1956) oder die Ausführung vonTragseilen als vorgespannte Betonelemente (Polcevera- Viadukt, Genua 1967; Teileinsturz 2018). Seine Spann- betonkonstruktionen fanden aber auch Anwendung ausserhalb des Brückenbaus, etwa an Dächern des rö- mischen Flughafens Fiumicino (1970) oder am Pavillon Nr. 5 des Turiner Automobilsalons (1959). Zwischen 1959 und 1972 lehrte Morandi Brückenbau an der Uni- versität Florenz respektive Rom.
Anmerkungen
- «Se ci sono vincoli europei che ci impediscono di spendere soldi per mettere in sicurezza le scuole dove vanno i nostri figli o le autostrade su cui viaggiano i nostri lavoratori, metteremo davanti a tutto e a tutti la sicurezza degli Italiani.» («Wenn es europäische Zwänge gibt, die uns daran hindern, in die Sicherheit der Schulen zu investieren, in die unsere Kinder gehen, oder in die der Autobahnen, auf denen unsere Arbeiter fahren, so werden wir allem und jedem die Sicherheit der Italiener voranstellen.») – Quelle: Twitter
- E-Mail von Prof. Bernhard Elsener an die Red. vom 19. Dezember 2018; die nächste Audienz war auf den 8. Februar 2019 angesetzt.
Diesem Artikel liegen unter anderem Informationen aus folgenden Quellen zugrunde: www.wikipedia.org; www.bernd-nebel.de/bruecken/; www.ingenio-web.it; www.autostrade.it/it/home
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«Riccardo Morandi: Formen unter Spannung» von Lukas Ingold und Tobias Erb.