LHO: Gemeinsam in die Zukunft
Im Rahmenprogramm des SIA-Dinners leitete SRF-Moderator Tobias Müller ein spannendes Podium zum Thema «LHO – wohin?».
Mit einer Reihe von Illustrationen begrüsste Moderator Tobias Müller die rund 120 geladenen Gäste des SIA-Dinners Mitte Juni 2019. Zuvor hatten sie auf einem Baustellenrundgang den Kunsthaus-Erweiterungsbau von Sir David Chipperfield besucht. Ein «schwer verdaulicher Happen» sei das Ergebnis der Intervention der Wettbewerbskommission (Weko) zu den Leistungs- und Honorarordnungen (LHO). Nun gelte es, das bedeutende Regelwerk auf die Zukunft auszurichten.
Entwicklung eigener Kompetenzen als Credo
Diese einleitenden Worte fanden im anschliessenden Referat von SIA-Präsident und Geschäftsführer ad interim Stefan Cadosch noch weitere Erläuterungen und wurden um einen Jahresrückblick ergänzt. Er berichtete, dass die Weko-Untersuchung zwischenzeitlich eingestellt wurde und sich derzeit die Expertengruppe zur Zukunft des Artikels 7 der LHO berät (vgl. «Die Zukunft liegt ausserhalb der Komfortzone» im E-Dossier LHO). Im Zentrum dieser Beratung stehen drei Varianten: ein gänzlicher Verzicht auf Kalkulationshilfen, die Aufbereitung öffentlich zugänglicher Referenzdaten zur Aufwandschätzung oder die Schaffung neuer Formeln mit statistisch hinterlegten Parametern (Marktdaten).
Sowohl die Aufbereitung von Referenzdaten als auch die Schaffung von neuen Formeln würden jedenfalls bedingen, dass seitens der Planungsbranche ausreichend Projektkennzahlen zur Verfügung gestellt würden. Gerade aber die Sammlung von Kennzahlen gestaltete sich in der Vergangenheit schwierig. Vordergründig soll die Branche demnach mit der Neupublikation der LHO (Artikel 1 bis 6) ab Anfang 2020 eigene Kompetenzen zur Aufwandschätzung entwickeln – die Adaption eines fremden Modells scheint nach einer Recherche im Ausland nicht zweckmässig. So wird seitens SIA hauptsächlich auf Ausbildung und gemeinsame Verantwortung für die Zukunft der Branche gesetzt. An Letztere erinnerte Cadosch sodann auch in seinen Schlussworten: «Die Honorare machen immer noch wir selbst.»
Im Jahresrückblick wurde schliesslich informiert, dass zahlreiche Digitalisierungsprojekte (u.a. Koordination mit dem netzwerk_digital, Gründung Fachrat Digitalisierung, Erarbeitung neuer Grundlagen zur BIM-Methode, Engagement in der Erarbeitung europäischer Standards) gestartet sind, die wesentlichen Anliegen des SIA in die Revision des Gesetzes und der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen vom Parlament aufgenommen wurden und der SIA-Vorstand Anfang Juli bezüglich einer neuen Geschäftsführung entscheidet.
Vier Gäste, mehrere Meinungen
Als Überleitung zum Podium ordnete Martin Deuring (Bauingenieur, CEO Dr. Deuring + Oehninger und Mitglied der LHO-Expertengruppe) in einem Kurzreferat Qualitätsstreben, Planungs- und Eigenverantwortung, die Hebelwirkung der Planung auf die Baukosten sowie den revisionsbedingt erhofften Paradigmenwechsel im öffentlichen Beschaffungswesen in den Kontext zukunftsfähiger Honorare. Mit ihm aufs Podium eingeladen waren Kathrin Simmen (Architektin und Inhaberin kathrin-simmen Architekten) als Jungunternehmerin, Christian Leuner (Architekt und CEO Fischer Architekten) als erfahrener Branchenvertreter und Daniel Thaler (Rechtsanwalt und Partner bei TSCHUDI THALER Rechtsanwälte) als branchen- und sachkundiger Jurist mit Aussensicht.
Angesprochen auf die Auswirkungen des wegfallenden LHO-Artikels 7 berichtete Simmen von Schwierigkeiten bei Vertragsverhandlungen und verwies auf das Erfordernis einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung junger Berufsleute. Leuner sieht einen goldenen Käfig wegbrechen, die Entwicklung an sich aber als Chance für eine Aneignung von Kompetenzen bei der Aufwandschätzung. Thaler schilderte seine Erfahrungen aus der Anwaltsbranche, wo eine Weko-Intervention vor rund 15 Jahren durchaus zu kostendeckenden Honoraren geführt hat und ein Preiseinbruch ausgeblieben ist. Auch wenn dieser Erfahrungsaustausch Hoffnung macht, scheint die Berechnung der Gestehungskosten von Planungsleistungen in der aktuellen Situation nicht nur junge Büros vor grosse Herausforderungen zu stellen. Als Konsequenz daraus werden sich Honorare wohl nur langsam auf einem kostendeckenden Niveau austarieren. Diese Befürchtung teilte auch Leuner, der im eigenen Büro zwar eine laufende Kontrolle und Nachkalkulation zu seinen Projekten führt, damit aber wohl eher die Ausnahme darstellt.
Ob vor diesem Hintergrund neue Berechnungsformeln vielleicht doch zweckmässig wären, fragte Müller in die Runde. Während sich Leuner und Deuring einig waren, dass es vor allem darum gehe, über die Qualität der eigenen Leistungen zu sprechen und diese an den Markt zu tragen, wünschte sich Simmen zumindest eine Referenzdatenbank als Richtschnur. Thaler stellte demgegenüber die Notwendigkeit einer disziplinenübergreifenden Lösung gänzlich infrage – letztlich sei es wichtig, die Leistungen auf die Bedürfnisse der Auftraggeber abzustimmen und diese klar zu beschreiben. Sofern die Qualität der eigenen Leistungen glaubhaft nach aussen getragen werde, ergebe sich automatisch ein vernünftiges Honorar. Glaubhafte Qualität erfordere aber in einem konkurrenzgeprägten Umfeld einen Schritt in Richtung Spezialisierung. Hier sahen Simmen und Leuner einen mit ihrem Berufsverständnis unvereinbaren Widerspruch. Sie verstehen sich als Generalisten mit fachlicher Breite, die sich mit fortlaufend neuen Aufgaben auseinandersetzen möchten und diese Freiheit nicht mit einer Honorareinschränkung bezahlen wollen.
Wie weiter?
So waren dann auch die Anliegen der Podiumsteilnehmer an den SIA unterschiedlich: Leuner erwartet vom SIA, dass er sich vordergründig den Regeln der Baukunst widmet und bei einer allfälligen Sammlung und Aufbereitung von Referenzdaten als «honest broker» waltet. Simmen wünscht sich einen Verein, der mit Kurs- und Patenschaftsangeboten auf den Nachwuchs eingeht. Deuring erhofft sich vom SIA keine neue Berechnungsformel, sondern eher die Aufbereitung von Referenzdaten und auf jeden Fall eine Unterstützung im Qualitätsbestreben. Thaler sieht die künftige Rolle des SIA weiterhin in der Standardisierung, der Leistungsbeschreibung und der Weiterbildung. Gleichzeitig empfiehlt er, die Honorierung zu individualisieren und punkto Digitalisierung die Entwicklungen in planungsnahen Branchen vertieft zu beobachten.
Angereichert durch eine Publikumsfragerunde ergaben sich folgende Schlussvoten: Leuner wie auch Deuring appellierten an das Qualitätsbewusstsein der Planer und erachteten wie auch Simmen eine Referenzdatenbank als grundsätzlich gute Lösung. Simmen erhoffte sich ausserdem eine baldige Klärung in Sachen LHO und zeitnahe Kommunikation durch den SIA; mit der momentanen Ungewissheit seien Vertragsverhandlungen und ein Aufbau von Vertrauen beim Auftraggeber sehr schwierig. Thaler letztendlich empfahl den Planenden, sich der Realität zu stellen und weiterhin mit Freude am Beruf nach der geforderten Qualität zu streben.
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