Frei­raum als Bühne

Ideenwettbewerb im selektiven Verfahren; Arealentwicklung Bostudenzelg, Thun

Den Wettbewerb «Arealentwicklung Bostudenzelg» in Thun gewannen Rykart ­Architekten und Ernst Gerber Architekten + Planer mit ihrem Projekt ­«Freiraum»: Ein von unterschiedlich hohen Gebäuden umgebener Park wird zum Zentrum und Anziehungspunkt für das Quartier.

Date de publication
30-04-2020

Das Areal Bostudenzelg im ­Süden der Stadt Thun befindet sich im Eigentum der Stadt (Teilgebiet A) und zu gleichen Teilen im Eigentum der Bernischen Pensionskasse und der Frutiger AG (Teilgebiet B). Mitsamt einer Privatparzelle umfasst es eine Fläche von rund 45 000 m2. Das Stadtentwicklungskonzept Thun (Stek 2035) stellt Strategien für die Siedlungsentwicklung nach innen dar. Die «Strategie Wohnen» zeigt auf, welche Gebiete geeignet sind, um das für die kommenden 15 Jah-re prognostizierte Bevölkerungswachstum von 5000 Einwohnern aufzunehmen. Dem Areal Bostudenzelg kommt eine wichtige Rolle zu – es handelt sich um eine der letzten unbebauten Freiflächen in der Bauzone. Das von privaten und halböffentlichen Räumen geprägte Umfeld ist von Erdgeschosswohnungen und Abstandsgrün, Reihenhäusern und Siedlungsstrassen sowie dem Haupt­sitz des Maschinenbauunternehmens Meyer Burger geprägt.

Der Ideenwettbewerb mit Präqualifikation nach SIA142 stellte die Aufgabe, ein städtebauliches ­Gesamtkonzept für Bebauung, Freiraum, Erschliessung und Mobilität mit einer Mindestdichte von 1.5 Ge­schossflächenziffer oberirdisch  zu entwickeln. Gemäss der Wohnstrategie 2030 soll die soziale Durchmischung befördert sowie genossenschaftliches Wohnen und alters- und familiengerechte Wohnformen ermöglicht werden. Die Wettbewerbssieger werden mit der Erarbeitung des Richtprojekts beauftragt. Es bildet die Grundlage der neuen Überbauungsordnung wie auch späterer Projektwettbewerbe. Die Anforderungen an die zwölf teilnehmenden Teams waren hoch: Die Konzepte sollten Wohnungstypologien, Überlegungen zur Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Etappierung darlegen. Die drei erstplatzierten Projekte integrieren das umliegende Quartier auf unterschiedliche Weise.

Identitätsstiftende Allmend

Das erstrangierte Projekt «Freiraum» von Rykart Architekten und Ernst Gerber Architekten + Planer mit Klötzli Friedli Landschaftsarchitekten besteht aus einer städtebaulichen Disposition, die die Teilbereiche A und B über einen weiten Freiraum zu einer Einheit zusammenbindet. Der Hauptzugang an der Bubenbergstrasse leitet zum Quartierplatz mit Laden und Café und vermittelt zwischen den beiden Teilbereichen: Der städtische Bereich A (neun Gebäude) nimmt das genossenschaftliche Wohnen auf, während der Bereich B (fünf Gebäude) die Eigentumswohnungen, Mietwohnungen und Alterswohnungen integriert. Das Gebiet ist autofrei geplant; die Tiefgaragenzufahrt liegt vor dem Quartierplatz.

Sechs Punktbauten (acht- bis neungeschossig) und sechs Zeilenbauten (fünf- bis sechsgeschossig) gliedern sich im Wechsel an den Rändern des Perimeters. Die umgebenden Grünflächen mit Obstgehölzen und Spazierwegen vermitteln zu den Bestandsstrukturen und integrieren private Aussen­bereiche. Wege leiten zwischen den Gebäuden in die Weite der Freifläche. Eine orthogonale, von Bäumen gesäumte Promenade umgibt diesen inneren Freiraum und leitet zu den Gebäudezugängen und zu den öffentlich genutzten Erdgeschossen der Punktbauten. Gegliedert wird die Freifläche von einer Vielfalt an Nutzungen – Spielplatz, Gemeinschaftsgarten, Werkplatz, Spielfeld – und von zwei hohen, asymmetrisch positionierten Gebäuden, die im Erdgeschoss Quartiernutzungen aufnehmen.

Die Jury ist überzeugt, dass die klare städtebauliche Haltung und der grosszügige Freiraum die Möglichkeit bieten, ein Stück Stadt zu entwickeln, dem ein grosses integratives Potenzial für das gesamte Quartier innewohnt: Die Allmend mache ihrem Namen alle Ehre. Eine zusätzliche Verflechtung mit der Nachbarschaft sei jedoch wünschenswert.

Zwischenräume und Quartierplätze

Das zweitrangierte Projekt «Lichterspiel und Vogelgezwitscher» von Husistein & Partner mit Westpol Landschaftsarchitektur knüpft durch den harmonischen Wechsel von Freiraum und Gebäude an die umgebenden Bebauungsstrukturen an. Rechteckige Punktbauten und riegelförmige Baukörper besetzen die Parzelle mit einem regelmässigen Muster. Ihre Geschossigkeit nimmt vom Rand zum Zentrum von fünf zu zehn Geschossen zu. Die Verknüpfung mit dem umliegenden Quartier erfolgt über drei Wege, die in einem neuen zentralen Platz zusammentreffen.

Die Jury lobt die kleinteiligen, intimen Aussenräume, die differenziert bespielt werden können, und die abwechslungsreichen räumlichen Vorzonen entlang der inneren Erschliessungsfigur. Allerdings ­bemängelt sie, durch das ­Fehlen einer klaren Hierarchie führe die Proportion der Freiräume ­aufgrund der hohen Dichte zu engen Situationen.

Auch das drittrangierte Projekt «Thun Erden» der ARGE L2A Architekten und Lanzrein + Partner Architekten mit Bischoff Landschaftsarchitektur verbindet sich über eine Höhenstaffelung mit dem umliegenden Quartier. Handelt es sich bei der Randbebauung um kleinmassstäbliche Reihenhäuser und Quartierhäuser, so besetzen zwei sechs- bis achtgeschossige Stadthäuser und ein Atelierhaus das Zentrum. Diese orientieren sich mit ihren öffentlichen Erdgeschossnutzungen zu einem grossräumigen Quartierplatz. Die Verfasser schlagen eine Lowtech-Lösung vor: Holz-Lehm-Hybridbauten mit Stampf­lehmelementen, die vor Ort produziert werden sollen. Die Jury lobt die Urbanität des Projekts mitsamt der unterschiedlichen Körnung seiner Baukörper. Die enge Setzung der ­äusseren Bebauungsschicht und die voluminösen, städtischen Typolo­gien im Zentrum warfen dagegen Fragen der Angemessenheit in Bezug zum Ort auf.

Das erstrangierte Projekt verspricht einen neuen öffentlichen Stadtraum, der Dichte und Weite zusammenbringt und eine vielfältig nutzbare Bühne für eine durchmischte Bewohnerschaft bilden kann. Die vorstädtischen Umgebungsstrukturen können von der integrierenden Zentrumsbildung des Projekts «Freiraum» profitieren. Ob die für das Quartier ungewohnten Bauhöhen in Zusammenhang mit der Freifläche einen Zentrums­charakter schaffen werden, mögen die Projektwettbewerbe, die architektonische Ausformulierung sowie die Art der Realisierung aufzeigen.

Jurybericht, weitere Pläne und Visualisierungen zum Wettbewerb finden sich auf competitions.espazium.ch

Rangierte Projekte

1. Rang: «Freiraum»
ARGE Rykart Architekten, Liebefeld / Ernst Gerber Architekten + Planer, Liebefeld Bern; mit Klötzli Friedli Landschaftsarchitekten
2. Rang: «Lichterspiel und Vogelgezwitscher»
Husistein & Partner, Aarau mit Westpol Landschaftsarchitektur, Basel
3. Rang: «Thun Erden»
ARGE L2A, Architekten, Unterseen / Lanzrein + Partner Architekten, Thun mit Bischoff Landschaftsarchitektur, Baden

FachJury

Silvio Ragaz, Architekt, Liebefeld-Bern (Vorsitz); Florian Kühne, Stadtarchitekt / Co-Leiter Planungsamt, Stadt Thun; Beat Rothen, Architekt, Winterthur; Rosmarie Müller, Architektin, Baar; Sandro Balliana, Landschaftsarchitekt, Zürich; Barbara Holzer, Architektin, Zürich (Ersatz)

SachJury

Susanne Szentkuti, Stadtplanerin/ Co-Leiterin Planungsamt, Stadt Thun; Thomas Zumthurm, Leiter Amt für Stadtliegenschaften, Stadt Thun; Rico Pajarola, Abteilungsleiter Immobilien, Bernische Pensionskasse; Jürg Wanzenried, Leiter strategische Immobilien, Frutiger AG

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