Noch kein grünes Jahr
BWA Jahresbericht 2020
Doppelte Arbeit und überforderte Gemeinden: Der unabhängige Beobachter für Wettbewerbe und Ausschreibungen BWA hatte im Coronajahr etliche Herausforderungen zu meistern.
Als wir vor Jahresfrist an dieser Stelle die Arbeit des BWA bilanzierten, konnten wir beinahe eine Verdopplung der bewerteten Verfahren feststellen, von 16 (2018) auf 29 (2019). Aber dass sich dieser Trend ungebremst weiterentwickeln würde, kam auch für uns überraschend: 2020 waren es 59 Ausschreibungen der öffentlichen Hand alleine im Kanton Zürich! Und darin sind die Verfahren, die das Gütesiegel des SIA bekommen, nicht eingerechnet, da wir diese nicht noch einmal bewerten.
Diese Flut zu bewältigen war herausfordernd, denn die Hauptlast fiel in die Monate März bis Juni, genau in die Zeit des ersten Shutdowns, als wir alle damit beschäftigt waren, das Büro, die Projekte und die Mitarbeitenden trotz Krise und Homeoffice am Laufen zu halten. In diesen vier Monaten veröffentlichte der BWA Zürich nicht weniger als 34 Bewertungen. In der zweiten Jahreshälfte wurden dann deutlich weniger, aber immer noch 17 Smileys verteilt.
Der letztjährige Jahresbericht schloss mit der Hoffnung, dass 2020 das Jahr der grünen Smileys werden möge. Tatsächlich entfiel beinahe die Hälfte der Bewertungen (26) auf Grün, gefolgt von Gelb (22) und Rot (11): insgesamt eine erfreuliche Entwicklung!
Problemfall Schulen
Etwas mehr als ein Viertel der bewerteten Ausschreibungen umfasste Schulhäuser, Kindergärten oder Sportanlagen (17 von 59), wobei auffällt, dass über die Hälfte der roten Smileys in diese Kategorie fällt: 6 der 11 negativen Bewertungen betreffen Bildungseinrichtungen. Oder anders ausgedrückt: jede dritte Submission wies eklatante Mängel auf!
Was ebenfalls zu denken gibt: alle diese Fälle betreffen Gemeinden ausserhalb der Stadt Zürich. Die Feststellung, dass einige Gemeinden die Wohnbautätigkeit gefördert und die Schulraumplanung vernachlässigt haben, ist nicht von der Hand zu weisen. In der Konsequenz führt dies dazu, dass die Planung eilends nachgeholt werden muss. Es werden Mittel und Wege gesucht, die Verfahren abzukürzen und sich selber ein Regelwerk zu zimmern, das nicht mehr der gängigen Praxis entspricht. Die Regeln des öffentlichen Beschaffungswesens werden arg strapaziert.
In diesem Zusammenhang hat eine Delegation des BWA auch Gespräche mit verantwortlichen Stellen geführt, um die problematischen Verfahren zu diskutieren. Ob sich nachhaltig etwas an der zweifelhaften Praxis ändern wird, bleibt abzuwarten. Was beim BWA hängenblieb, war der Eindruck, dass nicht jede Gemeinde die Sensibilität hat für faire Wettbewerbe und manchmal auch die Verfahrensbegleitung die Grundsätze des Vergabewesens leichtfertig beiseite schiebt.
Planerwahlverfahren sind keine Wettbewerbe
Die mit Spannung erwartete Revision der SIA-Ordnung 144 wurde letztes Jahr endlich in die Vernehmlassung geschickt. Der BWA hat dazu eine umfassende Stellungnahme abgegeben und darauf gedrängt, dass die Planerwahlverfahren endlich verbindlich geregelt werden. Es war auch 2020 so, dass bei Submissionen unter der SIA 144 am meisten orange und rote Smileys vergeben wurden: 17 von 23 Verfahren haben wir als mangelhaft oder ungenügend taxiert. Und oft waren es eben die Planerwahlverfahren, die als verkappte Wettbewerbe geführt wurden.
Nach der Anhörungssitzung vor der Kommission SIA 144 hat der BWA zusammen mit weiteren Fachverbänden Einsprache erhoben, da verschiedene Anliegen aus der Vernehmlassung keinen Eingang gefunden hatten. Namentlich das Planerwahlverfahren ist immer noch nicht eindeutig als leistungsorientiertes Verfahren der SIA 144 zugeordnet und wird von uns als verpasste Chance wahrgenommen, endlich Klarheit zu erlangen und dem Wildwuchs im Beschaffungswesen Einhalt zu gebieten.
Konsolidierung und neue Webseite
2020 war auch das Jahr, in dem sich die Expansion des BWA in der Deutschschweiz weiter konsolidiert hat. Zusammen mit den verschiedenen Regionalverbänden des BWA wurde an der Vereinheitlichung der Bewertungsgrundsätze und der Bewertungsmassstäbe gearbeitet. Ausserdem wurde die neue Webseite lanciert und das Mailing der Bewertungen neu aufgesetzt. Damit haben nun alle Interessierten die Möglichkeit, über eine Plattform auf sämtliche Bewertungen laufender Verfahren in der deutschen Schweiz zuzugreifen und den entsprechenden Newsletter zu abonnieren.
Es zeichnete sich schon im Herbst ab, dass die zahlreichen Bewertungen, die intensive Arbeit am BWA Deutschschweiz und das Engagement für die Revision der SIA 144 unseren finanziellen Rahmen sprengen würden. Umso erleichterter waren wir, als der Vorstand der SIA Sektion Zürich im Dezember unserem finanziellen Nachtrag stattgegeben hat. Mit einer ausgeglichenen Bilanz können wir nun das neue Jahr in Angriff nehmen. Es scheint, dass der Fokus 2021 wieder stärker auf den Bewertungen liegt, da die Arbeit am BWA Schweiz weitgehend gediehen ist. Wir werden sehen!
Weitere Informationen zum BWA gibts hier. Die Ausschreibungen und Bewertungen aus der ganzen Schweiz finden Sie auf competitions.espazium.ch, dem offiziellen Publikationsorgan des schweizweiten Netzwerks für Marktbeobachtung.