2000-Watt-Zer­ti­fi­kat vor dem Aus

Das Bundesamt für Energie überrascht die Labelbranche: Die Zertifizierung für 2000-Watt-Areale wird aufgehoben. Baufachleute aus Kantonen und Städten fordern ihre Mitwirkung an der Reorganisation.

Date de publication
18-03-2022

Kühne Pläne brauchen bisweilen Geduld. Diese hat das Bundesamt für Energie (BFE) nun aber verloren. Per 2024 macht die Behörde Schluss mit der Zertifizierung von 2000-Watt-Arealen. Ursprünglich war gedacht, Interessenten fast in jeder grösseren Schweizer Gemeinde für diese Nachhaltigkeitsmarke zu finden. Doch nach inzwischen 43 zertifizierten Standorten ist Schluss. «Die zu geringe Nachfrage» bewegt nun das Bundesamt, die Finanzierung überraschend zu beenden. Bereits begonnene Nachweisverfahren sollen noch umgesetzt werden können, gab das Bundesamt bekannt.

Das bevorstehende Aus ist Gegenstand eines Harmonisierungsvertrags, den das BFE und die Vereine Minergie und GEAK sowie das Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz NNBS Mitte März unterzeichnet haben. Die «Neugestaltung der Familie der Gebäudelabel» soll Synergien schaffen und einzelne Label stärken, teilt das Bundesamt ergänzend mit. Anstelle des 2000-Watt-Areals können Eigentümer dereinst zwischen einem Minergie-Areal oder einem SNBS-Areal wählen. Erhalten bleibt dagegen die vielfältige Minergie-Labelpalette, ebenso wie der Standard SNBS-Hochbau. Auf betrieblicher Ebene soll der Verein Minergie die Gesamtverantwortung für die gesamte Palette übernehmen – für Zertifizierung, Qualitätssicherung, Kommunikation und Weiterbildung.

Energiestädte sorgen sich

Lanciert werden die neuen Arealstandards voraussichtlich ab Sommer 2023. Wie die Ersatzlösungen aussehen, wird gemäss BFE zu erarbeiten sein. Auf der 2000-Watt-Website wird über das genaue Vorgehen informiert. Man wolle die Stärken des 2000-Watt-Zertifikats übernehmen, präzisiert Minergie-Geschäftsführer Andreas Meyer Primavesi. Dazu werde man sich mit den Verantwortlichen der «2000-Watt-Areal»-Zertifizierung austauschen. Daniel Kellenberger, Nachhaltigkeitsplaner bei Intep, hält die integrale Betrachtung von Erstellung und Betrieb von Gebäuden für eine Stärke des Arealzertifikats; «auch die induzierte Mobilität erhält hohes Gewicht». Diese Qualitäten sollten, hofft Kellenberger, in die neuen Standards überführt werden.

Nicht in die Reform involviert sind jedoch zwei Adressen der bisherigen Labellandschaft – die Vereine Ecobau und Energiestadt. Letzterer ist offizielle Zertifizierungsstelle für 2000-Watt-Areale. Vereinspräsidentin Katrin Bernath reagiert «mit Sorge» auf das angekündigte Aus. «Das Label ist ein wichtiger Baustein für Gemeinden, sich städtebaulich in Richtung Netto-Null zu entwickeln.»

Kritik äussert dagegen der Verein Ecobau, der die Bauämter des Bundes, mehrerer Kantone und von Städten vereint. Der Fachverein liefert wichtige Grundlagen zur Bewertung der grauen Energie, die von Minergie und dem SNBS verwendet werden. In einem offenen Brief wendet sich die Vereinsspitze nun an den Bund und beklagt, nicht aktiv beteiligt worden zu sein. «Die Harmonisierung können wir in dieser Form nicht unterstützen.» Verlangt wird deshalb eine Mitwirkung von Ecobau an der Ausarbeitung der künftigen Labellandschaft Schweiz.

Anpassungen verlangt

Gemäss Medienmitteilung will das BFE zusätzlich zur Labellandschaft die Berechnungsgrundlagen bereinigen. Unter anderem sollen die Energie- und Klimaberechnungen harmonisiert und die Gewichtungsfaktoren zum Standard aufgewertet werden. Dies betrifft auch den SIA-Effizienzpfad Energie, der bislang als Planungsinstrument für 2000-Watt-Areale dient und dafür eine andere Grundlage, die Primärenergiefaktoren, verwendet. Tatsächlich hat das Bundesamt in einem Brief an die SIA-Geschäftsstelle bereits verlangt, die Fachgrundlagen an das nationale Harmonisierungssystem anzupassen. Gemäss Adrian Altenburger, SIA-Fachrat Energie, gehe es vorerst darum, ein klärendes Gespräch zu führen. Ungewiss ist derweil, wie sich die Kommission zum BFE-Wunsch stellt, die derzeit über die Aufwertung des Effizienzpfads zu einer Norm berät. In deren Kompetenz liegt der Entscheid, welche Berechnungsmethode bevorzugt werden soll.

Energiestadt-Präsidentin Bernath verweist auf die baurechtliche Relevanz dieser Wahl. Einige Städte, Gemeinden und Kantone verlangen das «2000-Watt-Areal» und den SIA-Effizienzpfad Energie in Gestaltungsplänen, bei der Abgabe von Bauland oder als eigene Vorgabe für öffentliche Liegenschaften, als verbindliche Massnahme für die Energiewende. Die Energiestädte wünschen sich deshalb eine kontinuierliche und rechtssichere Anschlusslösung für die Arealzertifizierung. «Diese muss mit den Energie- und Klimazielen übereinstimmen, mit denen Städte und Gemeinden die 2000-Watt-Gesellschaft und Netto-Null heute schon anstreben», fordert Katrin Bernath.

Étiquettes

Sur ce sujet