Praxi­shilfe für die Ri­si­ko­re­duk­tion beim Bauen in Rutsch­ge­bie­ten

Unsachgemässes Bauen in Rutschgebieten kann zu erheblichen Schäden und Folgekosten führen. Die Praxishilfe «Bauen im Rutschgebiet» zeigt, wie mit einer umsichtigen Raumplanung, Projektierung und Ausführung das Risiko erkannt und reduziert wird. 

Date de publication
29-10-2024

In der Schweiz sind rund 6 % der Gesamtfläche1 durch permanente Rutschungen betroffen. Bereits kleine bauliche Massnahmen können in eine Rutschhang Hangbereiche weit über die Baugrube hinaus destabilisieren. Die daraus resultierenden Schäden sind oft um ein Vielfaches höher als die Kosten einer adäquaten Planung und Sicherung des Hangs. Viele Schadenfälle könnten durch eine angemessene Sensibilisierung bei der Planung und Realisierung von Bauvor­­haben in Rutschgebieten vermieden werden.

Um das Risikobewusstsein für Bauvorhaben in permanenten Rutschgebieten bei Nicht-Experten- und Expertinnen für Naturgefahren, wie etwa Baubehörden, zu schärfen und Wege zur Risikominderung zu zeigen, hat das BAFU inggeol.ch (ehemals Ingenieurgeologie Schweiz) beauftragt, eine Praxishilfe zu erarbeiten. Der Leitfaden «Bauen im Rutschgebiet»2 ist seit Herbst 2023 erhältlich. Allerdings befasst sich die Praxishilfe nicht mit spontanen Rutschungen.

Gefahrenkarte als Plan­grundlage nicht ausreichend

Permanente Rutschungen sind mehr oder weniger kontinuierliche Hangbewegungen und können bereits in flachem Gelände auftreten. Die Rutschcharakteristik wird durch die geologischen und hydrogeolo­gischen Bedingungen bestimmt. Bauvorhaben können in solchen Ge­bieten die bestehenden Gleichgewichtsbedingungen ändern und damit die Reaktivierung von Rutschungen auslösen, die jahrzehntelang stillstanden. Der Mechanismus und die Ursachen permanenter Rutschungen sind oft komplex, was die Beurteilung der Prozesse und der Rutschmodelle erheblich erschwert.  

Naturgefahrenkarten klassifizieren permanente Rutschungen in drei Kategorien und basieren auf Kriterien wie durchschnittliche jährliche Verschiebung, Reaktivierungspotenzial, differenzielle Bewegungen und Tiefgang der Gleitfläche. Diese Karten bilden den natürlichen, ungestörten Zustand der Rutschungen ab, beurteilen jedoch nicht die bautechnische Stabilität. 

Viele Rutschhänge, die scheinbar stabil sind oder sich sehr langsam bewegen, sind in der Gefahrenkarte als Gebiete mit geringer Gefährdung klassifiziert, was einer gelben Gefahrenstufe entspricht. Für diese Gebiete bestehen meist keine behördlichen Auflagen, deshalb werden die Risiken für Bauvorhaben hier oft unterschätzt. Denn Aussagen zu künftigen, natürlichen oder durch menschliches Handeln verursachte Veränderungen werden darin nicht gemacht. Daher ist die Gefahrenkarte für die Planung von Bauvorhaben nicht ausreichend und projektspezifische geologisch-geotechnische Untersuchungen sind unerlässlich. 

Vielfältige Schäden als Folge von reaktivierten Rutschungen 

Bauvorhaben ändern den Zustand des Rutschhangs und können diesen reaktivieren. Die Reaktivierung betrifft meist nicht nur den Bereich der Baugrube, sondern auch angrenzende Bereiche der Rutschung oder die gesamte Rutschung. Eine reaktivierte Rutschung zu stabilisieren ist aufwendig und kostenintensiv. Baubedingte Ursachen können Hangentlastungen durch Baugrubenaushub, Auflasten durch Aushubdepots, Veränderungen der Wasserfliesswege durch flächige Abdichtungen, unzureichende Hangentwässerung oder die Versickerung von Regenwasser sein.

Die Schäden als Folge von reaktivierten Rutschungen sind vielfältig. Sie äussern sich als vertikale oder horizontale Versätze sowie Rissbildungen in Strassen, Werkleitungen und Gebäuden, die strukturelle oder nur visuelle Schäden aufweisen. Sie können aber auch zu massiven Verkippungen von Gebäuden führen, sodass diese unbewohnbar werden. Nicht sichtbare Schäden wie Hohlraumbildungen oder Lecks in Wasserleitungen sind besonders heikel, da sie plötzlich zu Einstürzen oder spontanen Rutschungen führen können. 

Insbesondere die juristische Klärung ist häufig langwierig, da die Unterscheidung zwischen natürlichen Rutschbewegungen und baubedingten Aktivierungen schwierig ist. Klarheit bringen ein adäquates Monitoring mit entsprechend langen Messreihen, eine fundierte Risikoanalyse sowie eine präzise Beschreibung der akzeptierbaren Risiken. 

Sicherstellung einer umsichtigen Planung

Richtig geplante Eingriffe führen nicht zwangsläufig zu einer Verringerung der Stabilität. Sie können diese sogar verbessern. Die Baubehörden können aber im Bau- und Zonenreglement spezifische Auflagen im Umgang mit Rutschprozessen fordern. Verlangt werden sollten Stabilitätsanalysen für den Bau- und Endzustand sowie ein Kontroll- und Überwachungsjournal während der Bauphase, inklusive definierter Schwellenwerte, Verantwortlichkeiten und Interventionsmassnahmen. Ein Beispiel für solche behördliche Auflagen ist in der Praxishilfe «Bauen in Rutschgebieten» aufgeführt.

Des Weiteren müssen Bauherrschaften sowie Planer und Planerinnen mithilfe von ausgewiesenen Fachpersonen, robusten Konzepten und Bemessungen sowie einer adäquaten Bauüberwachung eine umsichtige Planung sicherstellen. Hierfür sind detaillierte Bau­grund­kenntnisse basierend auf aussagekräftigen geologisch-geotechnischen Baugrunduntersuchungen wichtig. 

Während der Ausführung müssen die Rollen und Verantwortlichkeiten zwischen den beteiligten Akteuren wie Bauherrschaften, Planenden sowie weiteren Fachpersonen, beispielsweise Geotechnikern oder Geologen, klar definiert sein. Ein weiterführendes Monitoring für die Betriebsphase ist je nach Situation empfehlenswert. Auch hier finden sich entsprechende Fallbeispiele in der Praxishilfe.

Eine Risikoanalyse ist unerlässlich

Rutschprozesse sind komplex und mit Unsicherheiten in der Beurteilung behaftet. Daher ist eine Risikoanalyse bei Bauvorhaben unerlässlich: Diese sollte Baugrundrisiken und Baugrundrestrisiken benennen und daraus risikomindernde Massnahmen ableiten. Eine Projektbasis und Nutzungsvereinbarung müssen festhalten, welche Randbedingungen die Bauherrschaft akzeptiert. Es wird empfohlen, die Versicherungsgesellschaft möglichst früh ins Projekt und die Risikoanalyse zu integrieren, damit später keine rechtlichen und versicherungstechnischen Lücken geltend gemacht werden können. 

Norm und weitere Praxisgrundlage

1 BAFU, Schutz vor Mas­senbewegungsgefahren. Vollzugshilfe für das Gefahrenmanagement von Rutschungen, Steinschlag und Hangmuren, 2016

2 AGN, Bauen im Rutschgebiet, Praxishilfe im Auftrag des BAFU, 2023, www.inggeol.ch/publikationen

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