Die neue alte Trim­ba­cher­brücke

Ersatzneubau Trimbacherbrücke, Olten; Projektwettbewerb im selektiven Verfahren

Für den Ersatzneubau der Trimbacherbrücke wurde das Projekt «sepia» zum Sieger gekürt. Der bestehende Bogen bleibt erhalten und entspricht dem Zeitgeist: Substanz bewahren, Ressourcen schonen und brauchbare ­Bauteile wiederverwenden. Kompromisse werden bewusst eingegangen.

Date de publication
19-12-2024

Die von 1912 bis 1913 erstellte Trimbacherbrücke wurde im Jahr 1914 eröffnet und verbindet die Stadt Olten über die Aare mit der Gemeinde Trimbach. Sie galt damals als eine der bedeutendsten Schweizer Bogen­brücken in Stahlbeton und zählte mit ihrer Spannweite von 82 m europaweit zu den längsten Brücken dieser Art. Die Projektierung und die Realisierung der ­Brücke, die das Industrie­areal sowie die SBB-Werkstätte auf der Oltener Seite des Aareufers mit dem entstehenden Arbeiterquartier auf Trimbacher Boden verband, wurden dem Ingenieur Eugène Froté anvertraut, der mit seiner Unternehmung Froté & Westermann & Cie. bereits beachtliche Stahlbeton­brücken mit gros­sen Spannweiten erstellt hatte. Auch der Ingenieur Robert Maillart arbeitete einige Zeit für das Unternehmen, bevor er seine eigene Baufirma gründete.

Das Tragsystem besteht aus einem steifen Bogen und einer da­rauf abgestützten Trägerkon­struk­tion mit aufliegender Fahrbahn. Es ist beispielhaft für die damalige Bautechnik und zeigt das Potenzial der zu dieser Zeit aufkommenden, aber noch schlaff bewehrten Stahlbetonbauweise auf. 2004 wurden die ursprünglichen Fahrbahnträger rückgebaut, die Widerlager und der Bogen blieben im Original bestehen.

Trotzdem ist das Bauwerk noch von hohem baukulturellem Wert: Die Brücke ist im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) als Einzelelement «mit grossem Eigen- und Stellenwert im Ort» mit Erhaltungsziel A, Erhalten der Substanz, eingetragen. Dies umfasst sowohl den konzeptionellen als auch den materiellen Schutz. Ebenfalls im ISOS erfasst ist die Stadt Olten.

Vorabklärungen bei der Kan­tonalen Denkmalpflege sowie dem Bundesamt für Kultur (BAK) hatten ergeben, dass die Brücke zwar inventarisiert und schützenswert ist, jedoch noch nicht unter Schutz steht. Dafür wäre eine ge­sonderte Schutzabklärung erforderlich gewesen. Das Denkmalamt teilte mit, dass es sich nicht gegen einen Totalersatz der Brücke aussprechen würde. Dies bestätigte auch das BAK, da von der ursprünglichen Brücke nur noch der Bogen und die Widerlager erhalten sind.

Teilerhalt dank Wettbewerbsverfahren

Die Brücke ist seit einigen Jahren in der Zustandsklasse ZK4, schlechter Zustand, klassiert. Da zudem die Linienführung und der Brückenquerschnitt, die auf je eine Fahrspur und einen Gehweg pro Fahrt­richtung ausgelegt waren, nicht mehr den aktuellen Anforderungen genügen, wurde eine Verlängerung der Nutzungsdauer immer unwirtschaft­licher. Die Brücke sollte deshalb einem Neubau weichen.

In einem Projektwettbewerb im selektiven Verfahren wurde ein Entwurf für die neue Trimbacherbrücke eruiert. Nach einer Präqualifikation mit 18 Eingaben wurden sechs Planungsteams aus den Fachbereichen Bauingenieurwesen mit Schwerpunkt Brückenbau, Architektur und Landschaftsarchitektur selektioniert. Gewonnen hat den Wettbewerb das Team um Fürst Laffranchi Bauingenieure mit ihrer Eingabe «sepia». Der Projektvorschlag weist sich durch den Erhalt des noch originalen und über hundert Jahre alten Bogens und der Widerlager aus. Das überrascht und überrascht auch nicht: Eine Weiterverwendung des bestehenden Bogens als Ganzes oder in Teilen, ob im Bauprozess oder Endzustand, war im Wettbewerbsprogramm durchaus akzeptiert oder zumindest nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Die vorangehende Bestandsanalyse hatte zudem gezeigt, dass die Brücke das Potenzial hat, strukturell ertüchtigt und erhalten zu werden.

Die verkehrsplanerischen Vorgaben konnten aber mit einem Erhalt des Bogens und der Fahrbahnachse nicht vollends erfüllt werden. Armand Fürst von Fürst Laffranchi Bauingenieure sagte denn auch im Gespräch nach der Vernissage: «Wir sind das Risiko bewusst eingegangen, weil wir dezidiert der Meinung waren, dass wir den Bogen, die Widerlager und die Lage der Achse im Sinne einer Würdigung des baukulturellen Werts zu erhalten hatten. Aber nicht nur deshalb: Die Entscheidung, den Bestand zu erhalten, löst auch bautechnische Problemstellungen.»

Die Jury sah dies ebenso und war überzeugt von dem behutsamen Umgang mit dem Bestand sowie der harmonischen Einbettung in den gegebenen Kontext. Die Ertüchtigung, Ergänzung und Überformung der bestehenden Brücke ist ein starkes Statement, das konstruktiv begründet ist. Durch den Verzicht auf aufwendige Abbrucharbeiten in Kombination mit gezielten Verstärkungsmassnahmen entsteht eine robuste und dauerhafte Brücke bei minimalem Ressourcen- und Flächenverbrauch. «Sepia» ist somit nachhaltig und wirtschaftlich und erhält zudem einen wertvollen Zeitzeugen in seiner Substanz und in seiner Funktion als tragenden Bogen.

Das Siegerprojekt: Referenz auf Historie

In «sepia» wird der originale Bogen von sekundären Elementen befreit und seitlich verbreitert sowie verstärkt. Darauf aufgeständert werden filigrane Stützen, die analog zum Original im Raster von 2.3 m angeordnet sind. Wiederum darüber ruht die Tragkonstruktion der neuen, deutlich breiteren Fahrbahn. Die dichte Aufständerung wirkt zwischen Fahrbahnträger und Bogen als lastverteilende Lagerung. Seitliche Rippen verstärken den bestehenden Bogen gezielt und ermöglichen damit Mehrlasten aus der Brückenfahrbahn. Diese ist in der Längsrichtung vorgespannt und besteht aus 18.6 t schweren Segmenten aus ultrahochfestem Faserbeton (UHFB). Die Segmente werden im Werk mit einer Länge von 16.25 m, was der gesamten Brückenbreite entspricht, und einer Breite von 2.34 m vorgefertigt. Die Vorfabrikation verspricht eine hohe Präzision sowie Ausführungsqualität und soll zu einer robusten wie auch dauerhaften Konstruktion führen.

Die dichte Anordnung der Stützenebenen besticht auch visuell und erzeugt aus unterschiedlichen Perspektiven einen gelungenen szenografischen Effekt. Der Ausdruck wertet die städtebauliche Integration, die Aufenthaltsbereiche an der unteren Wasserlinie sowie die Anbindung an die Quartiere auf. Der alte Bogen kann als Lehr- und Montagegerüst wiederverwendet werden, wodurch aufwendige Provisorien entfallen. Die bestehenden Widerlager bleiben erhalten und müssen lediglich geringfügig modifiziert werden, was Aufwand und Kosten weiter reduziert.

Die Strassenachse bleibt

Auch das Projekt «Vita Nova» in­­tegriert den bestehenden Bogen in die neue Konstruktion, doch anders als bei «sepia» bleibt er seiner origi­nalen Tragwirkung nicht treu, sondern wird statisch degradiert. Diese Eingabe verdeutlicht die Schwierigkeit, alle vorgegebenen Problemstellungen zu lösen und dennoch eine schlüssige funktio­nale Einheit zu schaffen. Um die Grundlage für einen optimalen Verkehrsfluss herzustellen, drehte das Team nämlich die Brückenfahrbahnachse ab, wie es in der Ausschreibung vorgegeben war. Beim Gewinnerprojekt erfolgte ebendiese Abdrehung nicht, weshalb die verkehrsspezifisch optimale Leistung und Sicherheit nicht vollständig erreicht werden kann: So schränkt die vertikale Überhöhung der Fahrbahn, die dem bestehenden Bogen geschuldet ist, die Sicht auch künftig ein. Und die belassene Brücken­achse hemmt einen optimierten Verkehrsfluss nach wie vor. Doch diese beiden Nachteile stehen dem Erhalt eines Zeitzeugen, der Ressourcenschonung, niedrigen Baukosten – «sepia» ist das günstigste Projekt – und dem minimalen Eingriff in die Landschaft gegenüber.

Die Auswirkungen der Achslage kommt auch beim zweitplatzierten Projekt «Saitensprung» zum Ausdruck. Der Vorschlag baut, wie alle anderen Eingaben, den Bestand zurück und erstellt eine von Grund auf neue Brückenkonstruktion. Durch die gedrehte Achslage verliert die Rahmenkonstruktion mit grosser Spannweite in dieser neuen Situation die klare räumliche Anbindung an das gegebene Strassennetz und die historisch gewachsene Orientierung im städtischen Kontext, was zwar gemäss Ausschreibung möglich und vorgegeben war, aber von der Jury im Prozess der Projektbeurteilung bedauert wurde.

Bei der Weiterentwicklung von Altbauten müssen oft Kompromisse eingegangen werden, die bei Neubauten nicht notwendig sind. Diese schwächen das Konzept aber nicht per se, sondern können die Stärken des Bestehenden betonen. So bleibt die neue Trimbacherbrücke, wo bereits die alte Brücke lag, ist auch in Zukunft eine direkte Verbindung und zeigt ihren Anteil an der städtebaulichen Entwicklung. Letztlich gelang es keiner anderen Wettbewerbseingabe, den räumlichen Auftakt der historischen ­Brücke so gekonnt beizubehalten. Das Team griff diesen auf, erweiterte die ursprüngliche Trag­struktur um moderne Elemente und machte damit die Brückenkonzeption aus dem 20. Jahrhundert wieder lesbar. Der baukulturelle, technische und gestalterische Wert der überlieferten Brücke bleibt erhalten. Oder wie es die Jury nennt: «ein Schimmern des Originals». Die bestehende ­Brücke wird revitalisiert, was hoffentlich eine Signalwirkung für das nachhaltige Bauen haben wird.

Jurybericht zum Wettbewerb finden Sie auf competitions.espazium.ch

Rangierte Projekte

1. Rang / 1. Preis: «sepia»
Fürst Laffranchi Bauingenieure, Aarwangen; Ilg Santer Architekten, Zürich; Antòn Landschaft, Zürich; stadt raum verkehr Birchler + Wicki, Zürich

2. Rang / 2. Preis: «Saitensprung» 
dsp Ingenieure + Planer, Uster; ­Leuppi & Schafroth Architekten, ­Zürich; LAND Suisse, Lugano

3. Rang / 3. Preis: «ELEGANZA»
ACS-Partner, Zürich; SKK Landschaftsarchitekten, Wettingen; urbaNplus, Zürich

4. Rang / 4. Preis: «Arcus» (ex aequo)
Emch+Berger WSB, Emmenbrücke; sbp schlaich bergermann partner, Stuttgart/Berlin; Emch+Berger, Bern

4. Rang / 4. Preis: «arulAArcus» (ex aequo)
Bänziger Partner, Schweiz; Atelier 231, Zürich; Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur und Städtebau, Zürich

4. Rang / 4. Preis: «Vita Nova» (ex aequo)
WMM Ingenieure, Münchenstein; August+Margrith Künzel Landschaftsarchitekten, Binningen; Knight Architects, London; CSD Ingenieure, Zürich

Verfahrensbegleitung

F. Preisig, Wettingen

Fachjury

Jürg Conzett, Bauingenieur, Chur; Joseph Schwartz, Bauingenieur, Zug; Quintus Miller, Architekt, Basel; Rita Illien, Landschaftsarchitektin, Zürich

Sachjury

Roger Schibler, Kanton Solothurn, Amt für Verkehr und Tiefbau, Kantons­ingenieur (Vorsitz); Kurt Schneider, Stadt Olten, Stadtbaumeister / Leiter Direktion Bau; Martin Bühler, Gemeinde Trimbach, Gemeindepräsident

Clementine Hegner-van Rooden ist Bauingenieurin, Fachjournalistin und schreibt als Korrespondentin von TEC21 zu den Themen Bauingenieur­wesen und Ingenieurbaukunst.

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