SIA: Kons­truk­ti­ver Dia­log

In einem Spitzengespräch übermittelten die Präsidenten von SIA und VSS Bundesrat Johann Schneider-Ammann vom Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung politische Kernanliegen der Verbände und sagten ihm Unterstützung beim Kampf gegen den Fachkräftemangel zu.

Date de publication
20-11-2014
Revision
05-11-2015

Mitte September trafen sich die Präsidenten des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA), Stefan Cadosch, und des Verbands der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS), Dieter Wepf, mit Bundesrat Johann Schneider-Ammann, der dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) vorsteht. Für SIA und VSS ist der FDP-Politiker ein Gesprächspartner von Gewicht, da er mit den Ressorts Wirtschaft und Bildung zwei Bereiche vertritt, denen die besondere Aufmerksamkeit der Ingenieurverbände gehört. Stefan Cadosch und Dieter Wepf nutzten die Gelegenheit, um die Standpunkte von SIA und VSS zu wichtigen Kernthemen darzulegen. Zugleich signalisierten sie ihre Unterstützung für die politischen Anliegen des Bundes. Man war nicht in allen Punkten auf einer Linie, doch fanden die Verbände ein offenes Ohr für ihre Positionen. 

Wert des unabhängigen Normenschaffens

Ein Kernanliegen des Gesprächs war, Bundesrat Schneider-Ammann den ideellen und materiellen Wert des Normenschaffens zu vermitteln. Immer wieder werden aus Wirtschaft und Politik Stimmen laut, die fordern, die von SIA und VSS erstellten Normen sollten kostenlos abgegeben werden. Die Praxis des SIA, die ­Normen von ehrenamtlich tätigen Expertengremien aus der Baupraxis entwickeln zu lassen, zeitigt eine hohe Qualität, ist aber auch arbeitsintensiv. Die Verbandsspitzen konnten dem Bundesrat überzeugend aufzeigen, dass ohne die Einnahmen aus dem Normenverkauf die notwendige fachliche Qualität wie auch der organisatorische Apparat nicht aufrechterhalten werden können: Heute arbeiten beim SIA rund 1800 Fachleute im Milizsystem in 200 Kommissionen an der beständigen Verbesserung des Regelwerks für das Schweizer Bauwesen. Bestehende Kooperationsfelder, etwa mit dem Bundesamt für Energie, das Partner des SIA bei der Erarbeitung der Energienormen ist, zeigen sich als Erfolgsmodell. Parallel dazu sind leider problematische Trends zu ­beobachten: So mehren sich An­zeichen von Überreglementierung, von Divergenzen zwischen verschie­denen Bundesstellen sowie von Doppelspurigkeiten bei den Regelwerken, insbesondere im öffentlichen Beschaffungswesen. Beispiel dafür sind die jüngsten Entwicklungen rund um die Brandschutzvorschriften: Nach intensivem Austausch mit der Vereinigung kantonaler Feuerversicherungen (VKF) wurde eine erhebliche Vereinfachung und Harmonisierung erreicht. Diese wird, so hoffen wir, in die beim SECO ­hängige Revision der Vorschriften einfliessen. 

Gegen die Verbürokratisierung der Baupraxis 

Auch das jüngst vom Bund verabschiedete Bauproduktegesetz und die nun anlaufende Überwachung der Bauprodukte verheissen eine zunehmende Reglementierung und Verbürokratisierung der Baupraxis. Cadosch und Wepf ging es ­darum, den Bundesrat auf die kontraproduktive Wirkung des Regulierungseifers aufmerksam zu machen, was auch in einen fruchtbaren Dialog mündete. Schneider-Ammann, als studierter Elektroingenieur selbst lange Jahre SIA-Mitglied, zeigte Verständnis für die Sorgen der ­Verbände. 

Anlass zu Skepsis gibt aus deren Sicht insbesondere die Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffent­lichen Bauherren (KBOB), die im Begriff ist, konkurrierende Normenwerke zu etablieren. Hier appellierten Stefan Cadosch und Dieter Wepf an Schneider-Ammann, zu prüfen, inwiefern die KBOB befugt ist, Normierungsarbeit zu leisten, zumal sie Einsitz im bestehenden Normenwerk nimmt. Es bestand Einhelligkeit darin, dass Bund und Kantone jahrzehntelang sehr gut mit dem spezifischen Schweizer Modell gefahren sind, in dem nicht Behörden, sondern unabhängige Experten die Normen entwickeln. 

Schweizer Normen­werk unter Druck

Seit einiger Zeit stellen sowohl der SIA als auch der VSS einen zunehmenden Druck aus dem Ausland fest, insbesondere aus dem EU-Raum, der darauf abzielt, das Schweizer Normenwerk mehr und mehr dem europäische Normenwerk anzupassen. Damit einher gehen nach Auffassung von SIA und VSS nicht selten Qua­litätseinbussen. Um auch weiterhin einen massvollen, eigenständigen Schweizer Weg gehen zu können
und die schweizerische Baukultur zu sichern, sind beide Ver­bände auf die Unterstützung des Bundesrats angewiesen. Zudem ist es im Interesse von SIA und VSS, den Bundesrat bei Wirtschaftsmissionen in Länder der EU zu begleiten, um Gespräche mit den EU-Normenverantwort­lichen direkter und besser führen zu können. 

Massnahmen gegen Fachkräftemangel

Jedoch hatten die beiden Verbände das Gespräch nicht nur gesucht, um sich für eigene Anliegen stark zu machen; im Sinn eines Gebens und Nehmens darf der Bund in der Fachkräfteproblematik auf die gebündelte Unterstützung von SIA und VSS bauen. Die Baubranche ist mit einem Jahresumsatz von 65 Mrd. Fr. und 440.000 Beschäftigten ein wichtiges Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. Damit dies so bleibt, ist die Bauwirtschaft auch künftig auf zusätzliche Fachkräfte angewiesen. In dieser Situation ist es, insbesondere nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative, umso wichtiger, auch älteren Fachkräften sowie Frauen den beruflichen Wiedereinstieg in die Branche zu erleichtern. SIA und VSS appellierten daher an den Bundesrat, alle entsprechenden Bestrebungen zu unterstützen, und zwar insbesondere

Konzepte und Umsetzungsmassnahmen für eine sinnvolle Frauen­förderung; Reintegration der über 50-Jährigen und Modelle, ihre Wissensressourcen besser in den Arbeitsprozess einzubinden. 

Hier setzen die Gesprächspartner auf die Vorbildfunktion des ­Bundes, Kampagnen und Anreizsysteme. Der Bundesrat war sich mit den beiden Präsidenten darin einig, dass zudem die Chancen der inländischen Männer und Frauen mit höherer Berufsbildung durch kluge Integra­tionskonzepte verbessert werden müssten, nicht zuletzt durch Qualifikationsrahmen für Abschlüsse der Berufsbildung (NQR-Berufsbildung, Ausbau der Passerelle­programme an Hochschulen usw.) und finan­zielle Unterstützung durch Bundesbehörden. 

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