SIA: Kon­di­tio­nen ak­tiv ve­rhan­deln

Der Architektenvertrag in der Praxis: Fallstricke erkennen

Immer wieder geraten Architekten an Auftraggeber, die mit unlauteren Finten arbeiten. Worauf sollte bei Vertrags­verhandlungen und Verträgen besonders genau geachtet werden?

Date de publication
23-04-2015
Revision
05-11-2015

Wer seinen Lebensunterhalt mit der Erbringung intellektueller Dienstleistungen bestreitet, weiss, wie schwierig es ist, diese Leistung im Voraus hinreichend genau zu beschreiben und eine entsprechende Vergütung zu kalkulieren. Die SIA-Ordnungen 102 ff. helfen beiden Parteien eines Auftragsverhältnisses, anerkannte Spielregeln im Detail zu bestimmen und dadurch den genauen Mecano, also eine Leistungs- und Vergütungsformel zwischen den Vertragsparteien, zu definieren. 

Verschiedene Rahmenbedingungen auf allen Ebenen des Organigramms (Politik, Gesetz, Gesellschaft, Besteller, Planer etc.) wirken seit Längerem auf dieses SIA-Erbe ein, wobei die Vertragsmodelle dadurch in letzter Zeit immer häufiger unter Druck geraten. Beispielsweise hat sich die Rechtsprechung in Bezug auf die Frage, was im Auftragsverhältnis und was nach Werkvertragsrecht zu regeln ist, gewandelt. In der Praxis ziehen die Marktteilnehmer teilweise kräftig am Strick, leider nicht immer gemeinsam und in dieselbe Richtung.

Der Vertrag

Durch den Abschluss eines schriftlichen Vertrags mit der darin beschriebenen Leistungserbringung wird die Zukunft für beide Vertragspartner berechenbarer. Dabei entstehen unterschiedliche, teilweise diametral liegende unternehmerische Risiken und Chancen, die aber im Idealfall partnerschaftlich, offen und transparent gemeinsam diskutiert und verhandelt werden können.

Im Vertrag des Architekten werden also die Rechte und Pflichten beider Seiten beschrieben, unter anderem: Was sind die Vertragsbestandteile, was die entsprechenden Leistungen und Vergütungen, nach welcher Formel werden Aufwand und Honorierung festgelegt, wie werden die Nebenkosten geregelt, was sind die Fristen und Termine 

Die besten Verträge sind aus meiner Erfahrung schlussendlich jene, die inhaltlich, technisch und juristisch perfekt ausformuliert wurden, dann aber – im Idealfall – für die gesamte Zusammenarbeit auf die Seite gelegt werden können. Aber wie werden solche Verträge verhandelt 

Die Vertragsverhandlung

Als Vertragsverhandlung wird die Phase bis zur Einigung der Parteien und der damit verbundenen gegenseitigen Willenserklärung verstanden, d. h. die Phase bis zum Vertrags­abschluss. Als Auftragnehmer tut man gut daran, mit dem Ziel einer Win-win-Situation in diese Verhandlungen zu gehen – es sollte also gelingen, dem Kunden die eigenen Kompetenzen so plausibel zu machen, dass er von selbst bereit ist, für die Leistung ein angemessenes Honorar zu zahlen; denn er hat durch ihre Argumente erkannt, dass er mit Beauftragung eines erfahrenen Planers in der folgenden Bau- und Betriebszeit erhebliche Ersparnisse erzielen kann. 

Konkret lassen sich folgende Phasen der Vertragsverhandlung unterscheiden:

  1. Gegenseitige Interessensbekundung
  2. Gewichtung der Argumente
  3. Gemeinsame Güterabwägung
  4. Kompromissfindung (noch besser, wenn es ein Konsens wird)
  5. Vertragsabschluss

Aufwandbestimmende Baukosten 

Beim weitaus grössten Teil der heute verhandelten Verträge kommt dabei der Begriff der «Aufwandbestimmenden Baukosten» zum Tragen. Man geht also davon aus, dass die Grösse, die Komplexität und weitere Faktoren eines Projekts den nötigen Aufwand in Stunden bestimmen – was übrigens jedes Jahr von der KOF, der Konjunkturforschungsstelle der ETH, erhoben wird. Das einzelne Büro setzt dann den nötigen Stundenansatz in die Berechnung ein, den es erfahrungsgemäss braucht, um die zu erbringenden Arbeiten auskömmlich leisten zu können.

Mit dieser Honorarsumme muss der Planer in der Folge klar kommen, wobei die Frage, mit welcher Kompetenz, Erfahrung und Effektivität er dies tut, sein unternehmerischer Erfolg oder Misserfolg bleibt. Wichtig ist dabei, sich immer bewusst zu sein, dass es sich hier um ein Annäherungsmodell handelt, das auf statistischen Erfahrungswerten beruht und daher nie ganz genau die Realität abbilden wird.

Diesem aufwandbestimmenden Ansatz könnte mit gutem Recht ein ebenfalls vom SIA beschriebenes Zeittarifmodell gegenübergestellt werden, wie wir es z. B. vom Anwalt kennen. Eine bestellte Stunde löst dabei 1:1 die Kosten für eine Stunde mit dem entsprechenden Ansatz aus. Das wäre eigentlich auch im Fall von Planerleistungen transparent, fair und verursachergerecht. Trotzdem wird es fast nur bei kleineren Aufträgen angewendet.

Ich persönlich würde gern häufiger mit diesem Modell arbeiten. Neben Kosten- und Zeittarif gibt es weitere Modelle wie etwa eine Bonus-Malus-Regelung, ein Pauschalhonorar oder eine Kombination dieser Modelle; keine dieser Regelungen konnte sich bisher im grossen Stil durchsetzen. Ein Pauschal- oder Globalvertrag kann vor allem dann sinnvoll sein, wenn die zu erbringenden Leistungen zu einem frühen Zeitpunkt recht genau beschrieben werden können. Häufig ist das aber z. B. erst nach dem Kostenvoranschlag möglich und sinnvoll.

Worauf müssen Architekten nun achten, wenn der von der Auftraggeberseite formulierte Vertragsentwurf nach dem Modell der Aufwandbestimmenden Baukosten vorliegt? Die folgenden Finten sind unter Bestellern bzw. Auftraggebern besonders beliebt und verbreitet: 

Typische Finten des Bestellers

Die Aufwandbestimmenden Baukosten werden nach unten getrimmt oder durch nicht legitimierte Abzüge verringert – häufig, ohne dass nachvollziehbar gemacht wird, weshalb diese Abzüge erfolgt sind. Leider gehen viele grosse Bauherren so vor, wodurch diese Unsitte bzw. Praxis ent­sprechend zahlreiche Nachahmer findet. Die Baukategorie «n» wird nach unten korrigiert (z. B. bei der ­Frage Mietwohnungen vs. Stock­werk­eigentum). Die verschiedenen Faktoren (r, i, s) werden ohne plausible und faire Begründung nach unten korrigiert. Nebenkosten werden als inklusive betrachtet. Unter dem falsch verstandenen Begriff «Risikobeteiligung» werden fällige Zahlungstermine erheblich, d. h. um mehrere Monate, nach hinten geschoben. Zudem werden Ereignisse, auf deren Erreichung der Architekt keinen matchentscheidenden Einfluss hat (z. B. Baufreigabe in Bezug auf Nachbarschaftsrekurse oder Investorenanbindung in Bezug auf die Preisfindung) als Auslösemoment für eine Honorartranche missbraucht. Bei Nichterreichung des Ereignisses wird der längstens sowieso fällige Betrag nie bezahlt. Insbesondere müsste, wenn das Ganze keine Einbahnstrasse sein soll, in einem solchen Fall auch über «Chancenbeteiligung» gesprochen werden. Es wird ein Pauschalhonorar erzwungen, ohne vorher im Sinn einer professionellen Bestellerkompetenz entsprechend detaillierte Aussagen machen zu können über Aufgabenstellung, Architektur, Programm, Produkt, Zielgruppen etc. Besonders störend ist dabei häufig, dass auf der einen Seite eine Pauschale gefordert wird, andererseits aber argumentiert wird, die durch die knapp gesetzten Meilensteine kurz bemessene Zeit zur Leistungserbringung reiche gar nicht aus, um die berechneten Stunden zu leisten. Dabei wird ausgeblendet, dass bei einem prinzipiell möglichen Pauschalvertrag genau dies den Auftraggeber nicht zu interessieren hat – ist es doch das Risiko bzw. die Chance des Planers, durch schlanke und innovative Prozesse Leistungen schneller zu erbringen, als es das Rechnungsmodell vorsieht. Diese Weggli-und-Fünfer-Sichtweise ist stossend! Häufig wird seitens des Bestellers schlicht aus der Position der Macht argumentiert («… da draussen im Markt gibt es viele andere Büros, die sofort unterzeichnen würden …»). Seien Sie in einer ­solchen Situation besonders vorsichtig und kritisch, und wägen Sie gut ab, wo Ihre ökonomischen, aber auch emotionalen Grenzen liegen. Es wird seitenweise «Kleingedrucktes» (AGB) einbedungen, das krass den SIA-Empfehlungen widerspricht.

Wie können sich Architekten und andere Fachplaner erfolgreich davor schützen, übervorteilt zu werden? Im Folgenden einige grundlegende Hinweise: 

Verhandeln Sie Ihre Verträge persönlich; das Thema ist Chefsache. Verkaufen Sie nur Kompetenzen, über die Sie wirklich verfügen. Besorgen Sie sich im Idealfall den Businessplan Ihres Auftraggebers und seines Bauvorhabens, um bestmöglich informiert zu sein. Seien Sie kundenzentriert. Sorgen Sie dafür, dass Sie die entsprechenden SIA-Ordnungen profund kennen. Bringen Sie Ihre ganze emotionale Intelligenz und Ihr komplettes Verhandlungsgeschick in die Verhandlung ein. Oder nehmen Sie jemanden mit, der diese Erfahrungen hat. Bleiben Sie während der Verhandlungen auch in schwierigen Situationen charmant und souverän.

Die Potenziale

Erfreulich wäre es, wenn die ewigen Kritiker der SIA-Verträge im Gegenzug selbst eine bessere Idee entwickeln würden. Ich persönlich fände es spannend, wenn es gelingen würde ein Vertragsmodell zu entwickeln, das viel stärker auf gegenseitigem Vertrauen basiert, die unternehmerischen Fähigkeiten des Architekten stärker zu gewichten wüsste und das sich noch stärker an tatsächlichen Ergebnissen und Resultaten orientiert. 

Ausserordentlich positiv zu werten ist zudem die Bereitschaft und Offenheit einer Reihe von grossen öffentlichen Bauherren, u. a. von Stadt und Kanton Zürich, mit dem SIA und anderen Vertretern aus der «Konferenz der Zürcher Planerverbände» (KZPV) Gespräche zum Thema Architektenverträge zu führen. Dieser sehr konstruktive Dialog läuft seit drei Jahren, und seine Ergebnisse könnten Vorbildwirkung für viele andere Schweizer Gemeinden ­haben, die sich in ihrer Honorar- und Vergabepraxis zum Teil an jener von Zürich orientieren. 

 
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