Schwemmholzverklausung und Geschiebedurchgängigkeit an Rechenbauwerken
Isabella Schalko arbeitet an der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich und forscht zum Thema Holz in Fliessgewässern.
In einem typischen Flusseinzugsgebiet kann neben Wasser und Geschiebe auch Holz in einem Fluss transportiert werden. Holz ist ein wesentlicher Bestandteil des Ökosystems eines Fliessgewässers und wird vermehrt als Revitalisierungsmassnahme berücksichtigt. Eine kleine Ansammlung von Hölzern in einem Fluss führt dazu, dass die Strömungsbedingungen und das Aussehen der Sohle deutlich variabler werden (Abb. 1a). Beispielsweise kommt es oberhalb von Holzansammlungen zu einer Reduktion der Fliessgeschwindigkeit und seitlich davon zu einer Erhöhung der Fliessgeschwindigkeit. Zudem kann unterhalb von Holzansammlungen ein Bereich mit verringerten Fliessgeschwindigkeiten entstehen, in dem Nährstoffe abgelagert werden können, die für Wasserlebewesen und Pflanzen eine wesentliche Voraussetzung sind. Aufgrund der Variabilität der Fliessbedingungen und den Hohlräumen von Holzansammlungen werden wichtige Lebensräume für aquatische Tiere geschaffen, wie zum Beispiel Unterstände für Fische.
Im Hochwasserfall können grosse Mengen an Holz infolge von Seitenerosion, Hangrutschungen oder Murgängen in einen Fluss eingetragen sowie bereits im Gewässer liegendes Totholz mobilisiert werden. Falls Holz eine Dichte von < 1'000 kg/m3 aufweist und somit schwimmend transportiert wird, wird es als Schwemmholz bezeichnet. Das eingetragene Schwemmholz kann sich im Hochwasserfall an Engstellen (zum Beispiel an Schluchten, Brücken oder Wehren) verkeilen oder wird bewusst mit Hilfe eines Rechenbauwerks oberhalb von Siedlungen zurückgehalten. In beiden Fällen führt die Verklausung von grossen Mengen an Schwemmholz zu einer Verringerung des Abflussquerschnitts und somit zu einer Erhöhung des Wasserspiegels oberhalb der Verklausung (Aufstau). Aufgrund des Aufstaus wird die Fliessgeschwindigkeit erheblich reduziert, was wiederum den Geschiebetransport beeinflussen bzw. unterbinden kann. Zudem kann der Aufstau zu Überflutungen der umliegenden Gebiete führen und die Hochwassergefahr zusätzlich erhöhen (Abb. 1b). Frühere Studien zu Schwemmholzverklausungen an Rechenbauwerken haben gezeigt, dass der Aufstau und der Kolk mit zunehmendem Schwemmholzvolumen zunehmen und dass das Schwemmholz bei der Bewertung des Hochwasserrisikos unbedingt berücksichtigt werden sollte (Schalko et al., 2019).
Bei der Planung von Rechenbauwerken zum Schwemmholz- oder Geschieberückhalt sollten Hochwasserschutzaspekte und ökologische Aspekte berücksichtigt werden. Daher sollten Rechenbauwerke so konzipiert werden, dass sie im Hochwasserfall Geschiebe und Holz zurückhalten, jedoch bei kleineren Abflüssen die Geschiebekontinuität gewährleisten. Viele Schwemmholzrechen bestehen aus vertikalen Pfählen, welche quer zur Fliessrichtung über die gesamte Flussbreite angeordnet sind. Mit dieser Anordnung halten sie nicht nur Holz, sondern auch Geschiebe zurück (Lange und Bezzola, 2005). Im Gegensatz dazu ermöglicht das Bypass-Rückhaltesystem eine örtliche Trennung von Geschiebe und Schwemmholz. Dieses Rechenbauwerk wird an einer Flussaussenkurve parallel zur Fliessrichtung installiert (Abb. 1b). Aufgrund der induzierten Sekundärströmungen durch die Flusskrümmung wird das Geschiebe weitergeleitet und das Schwemmholz durch den Rechen zurückgehalten (Schmocker und Weitbrecht, 2013). Dieses System eignet sich jedoch nur für Flussabschnitte mit geringer Sohlneigung und kompaktem Abflussquerschnitt. An steilen Wildbächen eignet sich das System nicht.
An der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich wurden in den letzten Jahren vermehrt Modellversuche zu Rechenbauwerken durchgeführt, welche die örtliche Trennung von Geschiebe und Schwemmholz auch in steileren Flussabschnitten gewährleisten könnten. Die ersten Modellversuche dazu wurden an einem Schrägrechen durchgeführt. Ein Schrägrechen besteht aus Pfählen, die quer zur Fliessrichtung über die gesamte Flussbreite angeordnet sind, jedoch sind die Pfähle nach unterstrom geneigt (Abb. 2a). Aufgrund der Neigung verklaust das Holz hauptsächlich im oberen Teil des Rechens. Die freie Fliessfläche unterhalb der Verklausung führte dazu, dass sowohl Aufstau und Kolk reduziert werden. Bei einem Schrägrechen mit einer Neigung von 20° zur Horizontalen wurde der Aufstau um 60% und der Kolk um 40% im Vergleich zu einem vertikalen Rechenbauwerk reduziert (Schalko, 2020). Erste Modellversuche mit Geschiebezugabe haben gezeigt, dass sich Geschiebe oberhalb der Verklausung ablagert. Die Geschiebedurchgängigkeit ist daher massgebend vom Verklausungsgrad bzw der freien Fliessfläche abhängig (Abb. 2b).
Ein Schrägrechen wird auch häufig bei Geschiebesammlern eingesetzt. Im Wasserbaulabor LCH der EPFL wurde ein neues Konzept eines teildurchgängigen Geschiebesammlers entwickelt (Schwindt, 2017). Mit Hilfe eines Leitgerinnes, welches den Geschiebesammler, einschliesslich des Drosselbauwerks mit gleichbleibender Sohlenneigung passiert, soll der Geschiebetransport bei kleinen Hochwasserereignissen aufrecht erhalten bleiben. Ein Durchlass mit vorgelagertem Grobrechen (mechanischer Rückhalt) verhindert bei grossen Hochwasserereignissen das selbsttätige Entleeren des Sammlers. Dieser Grobrechen weist eine Neigung von 2:1 auf und hat zudem eine vertikale Öffnung zwischen der Sohle des Leitgerinnes und dem Grobrechen. Aufgrund der Neigung und der vertikalen Öffnung wäre dieses Rechensystem eventuell auch für die örtliche Trennung von Geschiebe und Schwemmholz geeignet. Daher wurden an der VAW Modellversuche mit Geschiebe und Schwemmholz durchgeführt. Als geschiebedurchgängig wurde eine Reduktion des Geschiebetransports auf minimal 75% definiert (Roth et al., 2018). Die Modellversuche wurden für verschiedene Holzeigenschaften wie zum Beispiel Holzdichte und Holzabmessungen sowie mit Wurzelstöcken, Ästen und Blättern durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass einige wenige Stämme (Holzvolumen von 7 m3 im Prototypmassstab) ausreichen, um die Geschiebetransportkapazität auf unter 75% zu reduzieren, verglichen mit dem Zustand ohne Schwemmholz (Schalko et al., 2021). Feinmaterial wie Nadeln und Blätter sowie kleinere Holzgrössen haben den Geschiebetransport weiter reduziert und führten zu einem grösseren Aufstau (Abb. 3). Die Schwemmholzdichte und Form (Äste) hatten dagegen keinen massgeblichen Einfluss. Gemäss Schwindt (2017) basiert die Dimensionierung der vertikalen Öffnung auf der Korngrösse d84. Da in einem bewaldeten Einzugsgebiet mit Schwemmholztransport gerechnet werden muss, sollten bei der Dimensionierung auch die Holzeigenschaften berücksichtigt werden, um die örtliche Trennung von Geschiebe und Schwemmholz zu ermöglichen. Im Rahmen von weiteren Modellversuchen sollen verschiedene Hochwasserganglinien und Sohlmaterialien untersucht werden, um neue Konzepte und Empfehlungen für teildurchgängige Rechenbauwerke zu entwickeln.
Aufgrund eines Rechenbauwerks werden durch den Rückhalt von Geschiebe und Holz die natürlichen Abläufe verändert, mit erheblicher Reduktion der morphologischen Variabilität und Dynamik, was sich negativ auf die biologische Vielfalt auswirkt. Neben Konzepten für Rechenbauwerke, die Geschiebe und Schwemmholz trennen, sind auch Unterhaltskonzepte im Einzugsgebiet erforderlich, welche ein nachhaltiges Holzmanagement berücksichtigten und nicht das gesamte Holz in einem Fluss entfernen – nach dem Grundsatz «Holz weiterleiten, wo möglich und Holz entfernen, wo nötig».
Literatur
Lange D. und G.R. Bezzola (2005). Schwemmholz – Probleme und Lösungsansätze, VAW-Mitteilungen Nr. 188. Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW), ETH Zürich, Zürich, Schweiz.
Roth A., Jafarnejad M., Schwindt S., Schleiss A. (2018). Design optimization of permeable sediment traps for fluvial bed load transport. Proc. River Flow 2018, Lyon, France, https://doi.org/10.1051/e3sconf/20184003009.
Schalko I., Lageder C., Schmocker L., Weitbrecht V., Boes R.M. (2019). Laboratory flume experiments on the formation of spanwise large wood accumulations Part I: Effect on backwater rise. Water Resources Research, https://doi.org/10.1029/2018WR024649
Schalko I. (2020). Wood retention at inclined racks: effects on flow and local bedload processes. Earth Surface Processes and Landforms, https://doi.org/10.1002/esp.4864.
Schalko I., Ruiz-Villanueva V., Maager F., Weitbrecht V. (2021). Wood retention at inclined bar screens: effects of wood characteristics on backwater rise and bedload transport. Water, https://doi.org/10.3390/w13162231
Schmocker L. und Weitbrecht V. (2013). Driftwood: Risk analysis and engineering measures. Journal of Hydraulic Engineering 139(7): 683-695, https://doi.org/10.1061/(ASCE)HY.1943-7900.0000728.
Schwindt S. (2017). Hydro-morphological processes through permeable sediment traps at mountain rivers. LCH Communication 71. LCH, EPFL, Lausanne, Schweiz.