Aus Mode- wird Wohnhaus
Gesamtsanierung und Umnutzung Steinenvorstadt 5, Basel; Studienauftrag auf Einladung
Ackermann Architekt zeigt in einem privaten Studienauftrag vorbildlich auf, wie ein ehemaliges Mode- und Geschäftshaus in der Steinenvorstadt «d’Staine» in Basel mit wenigen Eingriffen und viel Ressourceneffizienz zu einem Wohnhaus umgestaltet wird.
In den letzten Jahren hat der Onlinehandel – nicht zuletzt wegen der Pandemie – viel Aufwind erfahren. Gleichzeitig hat das Kaufhaussterben zugenommen. Vor allem aus den Innenstädten zieht sich der Einzelhandel zurück, da die Mieten zu teuer geworden sind. Doch der Leerstand bietet zugleich die Chance für neue Nutzungen, etwa als Wohnraum, wie ein Beispiel in der Basler Steinenvorstadt zeigt.
In der Fussgängerzone finden sich viele kleinere, eher günstige Modelabels, aber auch Bars und Restaurants, die die Strasse nicht nur tagsüber, sondern auch am Abend beleben. Auch hier haben der Onlinekonsum und die Rezession Spuren hinterlassen: Vor einem Jahr musste ein weiteres grosses Kino in der bekannten Ausgehmeile schliessen, und das traditionsreiche Schweizer Modegeschäft Spengler ist schon vor gut 20 Jahren aus der Steinenvorstadt 5 ausgezogen. Abgesehen von der Zwischennutzung durch eine dänische Modemarke steht das Gebäude seit Ende 2022 praktisch leer.
Nun reagiert die Eigentümerin Swiss Prime Site Immobilien auf den Strukturwandel, indem sie das Mode- und Geschäftshaus von 1980 im Zuge einer Totalsanierung umnutzt. Neben Gastronomie- und Verkaufsflächen im Erdgeschoss sind in den oberen Stockwerken vor allem Wohnungen vorgesehen. Für die Umgestaltung und Sanierung des Gebäudes schrieb die Immobiliengesellschaft einen einstufigen Studienauftrag aus, in dem auch auf die Neugestaltung des parallel zur Steinenvorstadt gelegenen Birsig Parkplatzes verwiesen wird. Der Name dieser Sackgasse mit vielen Parkplätzen bezieht sich auf den Fluss, der in den 1950er-Jahren überdeckt wurde. Um diesen unwirtlichen Strassenraum in einen attraktiven Ort zu verwandeln, plant die Stadt, das in einem Studienauftrag ausgewählte Projekt der Arbeitsgemeinschaft XM Architekten, Studio Vulkan Landschaftsarchitektur und Paweł Althamer zu realisieren. In «Birsig Garten Basel» zeichnen einfache Pavillons den unterirdischen Flusslauf nach und werten den Stadtraum auf.
Mit der Transformation des Parkplatzes zur Flaniermeile soll auch ein neuer Durchgang im Erdgeschoss des ehemaligen Modehauses entstehen, der als Tor zum «Birsig Garten» eine neue Durchwegung der Innenstadt ermöglicht.
So viel wie möglich erhalten
Zum Studienauftrag wurden fünf Architekturbüros eingeladen, wovon vier Teams ein Projekt einreichten. Der Entwurf des Büros Ackermann Architekt aus Basel überzeugte die Jury. Das Team studierte den städtebaulichen Kontext eingehend, geht sensibel mit dem Bestand um und nutzt die vorhandenen Ressourcen. Die sorgfältige Untersuchung zeigt, dass die Ladenfronten entlang der Steinenvorstadt mehrheitlich eingeschossig ausgebildet sind. Diesem Vorbild folgt der Sockel der neuen Fassade. Zur Akzentuierung der Passage zwischen Fussgängerzone und zukünftigem «Birsig Garten» reichen die Öffnungen über zwei Geschosse. Zur Mitte des Gebäudes hin fällt die Decke des öffentlichen Durchgangs auf das Erdgeschossniveau ab und steigt zur anderen Seite hin wieder an. Diese räumliche Sogwirkung betont den Übergang vom öffentlichen zum halböffentlichen Raum, denn in der Mitte des Durchgangs liegt das neue, grosszügige Entrée für die Wohnungen, flankiert von möglichen Bars, Restaurants oder Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss. Quer über der Passage befindet sich die horizontale, innen liegende Wohnungserschliessung. Das bestehende Gebäude umfasst fünf Untergeschosse, ein Erdgeschoss und sieben Obergeschosse, die abgesehen von den zwei Attikageschossen alle erhalten bleiben. Das Konzept baut auf den bestehenden Decken und inneren Betonstützen sowie dem vorhandenen Treppenhaus, dem Lift und den Schächten entlang der nördlichen Brandwand auf. Vorbildlich ist, dass Teile der zurückgebauten Fassaden für den Ausbau der Loggien und der Passage wiederverwendet werden sollen. Nur das Projekt von baubüro in situ aus Basel erhält mehr Elemente des Bestands.
Zugunsten eines möglichst vielfältigen Wohnungsangebots nimmt das Siegerteam bei den neuen Grundrissen keine Rücksicht auf die bestehende Tragstruktur. Dadurch stehen die Betonstützen teilweise mitten in den Räumen und auch im innen liegenden Stichgang. Über diesen werden im ersten Obergeschoss sieben einseitig orientierte Studios und eine Zweizimmerwohnung erschlossen; vom zweiten bis zum fünften Geschoss sind es sieben Studios und je eine zweiseitig orientierte Maisonettewohnung.
Die Grundrisse der Studios können entweder durch eine Schiebewand oder ein drehbares Schrankmöbel aufgeteilt werden und weisen damit eine hohe Flexibilität auf.
Weitere Maisonettewohnungen und Studios liegen im sechsten Geschoss und im Dachgeschoss, die die bestehenden Attikageschosse durch eine neue Holzbaukonstruktion ersetzen. Diese unterstützt das Konzept der nachträglichen Erdbebenertüchtigung des Bestands. Als Abschluss bietet die grosszügige Dachterrasse zur Steinenvorstadt einen halböffentlichen Aussenraum an, die privaten Aussenräume richten sich dagegen zum zukünftigen «Birsig Garten» aus.
Ein neues Gesichtmit viel Licht
Die Ausloberin Swiss Prime Site orientierte sich für diesen Studienauftrag am Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) und legte damit grossen Wert auf die Anforderungen hinsichtlich Energie sowie Optimierung des Mikroklimas. Aus diesem Grund schlägt das Siegerprojekt vor, die neuen Glasfassaden auf beiden Gebäudeseiten mit PV-Elementen zu bedrucken. Damit ergibt sich eine Art Klimapuffer.
In die zweite dämmende Fassadenschicht sollen Fenster aus anderen Rückbauten der näheren Umgebung integriert werden. Dies entspricht den Vorgaben, ressourcen- und umweltschonende Materialien einzusetzen oder Baumaterialien wiederzuverwenden. Zudem schafft der zweischichtige Fassadenaufbau den Spagat zwischen der notwendigen Einführung eines geschützten, privaten Aussenraums für die Wohnungen und der zurückhaltenden Gestaltung zur Steinenvorstadt. Diese Aufgabe konnte bei den drei weiteren Projekten nicht zufriedenstellend gelöst werden.
Baubüro in situ nutzt die bestehenden Pflanztröge zu Balkonen um und belässt damit die äussere Fassadenschicht so, wie sie ist, was die sehr grosse Gebäudetiefe nicht verbessert. Kollektive architekt, ebenfalls aus Basel, ersetzt die Fassade durch Bandfenster mit integrierten Loggien zur Steinenvorstadt und Balkone zum Birsig Park, was «typologisch nicht passend» erscheint und wenig räumlichen Mehrwert im Innenraum bietet. Und auch die kleinen Loggien in der neuen Fassade von Steib Gmür Geschwentner Kyburz aus Zürich können in den Regelgeschossen der Wohnungen nicht überzeugen.
Dagegen integriert sich der zweischichtige, heterogene Aufbau des Siegerprojekts gut in die Innenstadt. Aber auch hier ist fraglich, ob genug Licht durch die bedruckte Fassade in die Wohnungen gelangt, weshalb diese nochmals überarbeitet werden soll.
Mit wenigen Eingriffen in die Substanz und durch die Wiederverwendung der Bauteile des ehemaligen Geschäftshauses und anderer Bauten folgt das Gewinnerprojekt den notwendigen und geforderten Nachhaltigkeitszielen. Zugleich verzichtet es nicht darauf, seinen architektonischen Ausdruck zu erneuern und zeigt auf, wie mit einfachen Mitteln flexible und spannende Wohnungsgrundrisse entstehen können.
Das Projekt für die Transformation des Modehauses wird derzeit weiterbearbeitet; aufgrund von Rückmeldungen aus Vorabklärungen mit der Stadtkommission wird sich der für 2025 geplante Baubeginn verzögern. Da die Arbeiten für die langfristige Umgestaltung des «Birsig Gartens» frühestens 2036 aufgenommen werden, ist eine Zwischennutzung des heutigen Unorts angedacht.
Pläne und Jurybericht zum Studienauftrag finden Sie auf competitions.espazium.ch
Eingeladene Teams
Siegerteam
Ackermann Architekt, Basel; Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel
Team 02
baubüro in situ, Basel; wh-p Ingenieure, Basel
Team 03
kollektive architekt KLG, Basel; Schmidt & Partner Bauingenieure, Basel
Team 04
Miller & Maranta, Basel (kein Projekt eingereicht)
Team 05
Steib Gmür Geschwentner Kyburz, Zürich; Plácido Pérez, dipl. Bauingenieure, Domat/Ems
Fachjury
Axel Humpert, Architekt, Zürich/München (D); Claudio Meletta, Architekt, Basel/Zürich; Beat Schneider, Architekt, Aarau; Roger Weber, Architekt, Zürich
Sachjury
Drazenka Dragila Salis, Swiss Prime; Site Immobilien, Head Development and Construction, Zürich (Vorsitz); Frank Heinrich, Projektleiter Bauherr, Swiss Prime Site Immobilien, Zürich; Reto Pedrocchi, Bereichsleiter Areale Basel Nord / stv. Abteilungsleiter Städtebau, Basel-Stadt
Katharina Marchal schreibt als Kritikerin für die Fachpresse und betreut Architekturbüros in der PR- und Medienarbeit.