An­schub für Bau­schutt

Abbruchmaterial sollte zukünftig möglichst gar nicht mehr in grossen Mengen entstehen. Für das, was dennoch anfällt und zu Sekundärressourcen wie Recyclingbeton weiterverarbeitet wird, gilt es die wirtschaftlichen Prozesse beim Absatz und bei der baulichen Anwendung weiterzuentwickeln.

Publikationsdatum
26-03-2020

Damit in Zukunft weniger Primärressourcen verbraucht werden, sollen gemäss Bund Materialkreisläufe bei Fahrzeugen, Textilien und beim Bauen geschlossen werden. Letzteres fällt bei dem aus rund 1500 Mio. Tonnen Baumaterial bestehenden Schweizer Gebäudepark besonders ins Gewicht. Das Stadtbild, das auf den ersten Blick statisch erscheint, erwiese sich in einem filmischen Zeitraffer als flüchtig und sich immer schneller wandelnd: Immer früher werden heute Gebäude rückgebaut – nicht selten schon nach 25 Jahren.

Nach Prognosen des Bafu ist die Tendenz steigend – es wird also in den nächsten Jahren noch mehr Bauschutt geben. Der jährlich grösste Anteil an Rückbaumaterial entfällt mit 17 Mio. Tonnen auf die mineralischen Stoffe – Backstein, Beton, Asphalt, Gips und Mauerwerk, sogenannter Bauschutt oder Rückbaustoffe (vgl. Grafik). Die Menge entspricht etwa 770.000 mittelgrossen Lkw-Ladungen. Doch damit nicht genug: Jährlich kommen rund 70 Mio. Tonnen mineralisches Material im Hoch-und Tiefbau neu dazu – davon sind nur 15 % rezyk­liert, also etwa 11 Mio. Tonnen. Hier gibt es noch Steigerungspotenzial.

Recyclingmaterial und seine Qualität …

Der Bund schreibt in der Verordnung über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (VVEA) deren Verwertung verpflichtend vor: Sie sind stofflich oder energetisch wiederzuverwenden, wenn das die Umwelt weniger belastet als eine andere Entsorgung, die Herstellung neuer Produkte oder die Beschaffung von Brennstoffen. Infolgedessen werden zwei Drittel des mineralischen Abbruchmaterials rezykliert.

Weil jedoch für den Einsatz von Recyclingbaustoffen keine gesetzliche Grundlage besteht, ist die Verwendung von Recyclingbeton freiwillig. Es gibt Empfehlungen der KBOB und Standards wie den Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) oder Minergie-Eco, die die Verwendung von Recyclingstoffen positiv in der Energiebilanz anrechnen (vgl. «Wie rund sich die Kreis­lauf­wirtschaft ökologisch bewegt»). Rechtlich sind sie jedoch unverbindlich.

Nur wenn die kantonalen Gesetze oder die Praxis Recyc­lingbaustoffe in Zukunft tatsächlich fordern, wie in der Stadt Zürich, kommen sie auch prioritär zum Einsatz. Bei öffentlichen Bauten wird Recyclingbeton mittelfristig, wo immer möglich, zum Standard werden. So baut zum Beispiel das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) alle Projekte mit einer Bausumme über 10 Mio. Franken nach dem SNBS. Darin ist auch die Verwendung von Recyc­lingbeton und-Kiesgemischen mit mindestens 50 % festgeschrieben. Da viele Projekte jedoch nicht zertifiziert werden, ist nicht systematisch sichergestellt, dass die Kriterien in jedem Fall ein­gehalten werden.

Die Einsatzmöglichkeiten müssen erweitert und die Nachfrage nach Recyclingbaustoffen gesteigert ­werden. Recyclingbeton oder -kies könnte zum Beispiel auch im Zürcher Untergrund bei Fundamenten oder als Koffermaterial verwendet werden. Dass dies nicht umgesetzt wird, hängt teils mit Vorbehalten zusammen, RC-Material könne womöglich Spuren von Schadstoffen enthalten. Andererseits muss aber auch die Nachfrage nach diesen Baustoffen erhöht werden. Daher ist es wichtig, sie schon heute hochwertig herzustellen, damit die Bauherrschaft zwischen Primär- und Sekundärrohstoffen keinen Unterschied mehr ausmachen kann.

Die Stadt Zürich erstellt ihre Bauten seit eini­gen Jahren aus bis zu 95 % Recyclingbeton. Überhaupt sind für sämtliche Bauteile Recyclingbeton und CO2-optimierter Zement vorgeschrieben – Ausnahmen sind bewilligungspflichtig. Im Werkhof an der Bederstrasse hat das Hochbauamt Zürich eine Musterwand erstellen lassen. Verschiedene Mischungen mit Primärmaterial oder Recyclingbeton in Kombination mit CEM II und III wurden mit unterschiedlichen Oberflächenbehandlungen versehen. Die optische und materialtechnische Qualität ist der von ­neuem Beton ebenbürtig. Das habe sogar David Chipper­field beim Erweiterungsbau des Kunsthauses, der zu 95 % aus Re­cyc­lingbeton besteht, überzeugt, sagt ­Philipp Noger von der  Fachstelle Nachhaltiges Bauen der Stadt Zürich.

Ein Kernteam der SBB erarbeitet zurzeit eine Circular-Economy-Strategie für die ganzen SBB. Dazu gehören Materialfluss- sowie Potenzialanalysen. Die grosse Bauherrin sieht Optimierungspotenzial beim Wertstoffmanagement der Materialressourcen. Re­cyc­ling ist ein gewichtiges Thema. So werden neu seit Anfang 2020 alle Perrons mit einem RC-Asphalt-Anteil von 40 % in der Deck- und 60 % in der Tragschicht erstellt. Gesamthaft haben die SBB ein Potenzial an zu asphaltierender Fläche von 240 000 m2. Diese Entscheidung fiel nach Tests mit unterschiedlichen RC-Asphalt-Anteilen in den letzten zwei Jahren an den Bahnhöfen Kradolf, Hauptwil und Bischofszell.

… und das, was übrig bleibt

Doch Recycling allein genügt nicht, und vor allem ist es nicht immer die beste Lösung. Die Zerkleinerung mineralischer Abfälle zu Granulat, mit dem beim Re­cyclingbeton Kies und Sand ersetzt werden, ist zurzeit ebenso energieintensiv wie die Produktion von neuem Zuschlag (vgl. «Wie rund sich die Kreislaufwirtschaft ökologisch bewegt»). Ähnliches gilt für die Aufbereitung von Metallen wie Stahl zu neuen Bauteilen.

Das Recycling mancher Stoffe benötigt zudem grosse Mengen an Wasser oder chemischen Stoffen. Bausperrgut, das nicht rezyklierbar ist, wird nach Möglichkeit thermisch verwertet. Holz etwa gelangt in einen Elektroschredder und wird darauf in Kehrichtheiz­kraftwerken zur Strom- und Wärmeproduktion verwendet. Dabei geht jedoch die graue Energie in den Bau­teilen verloren, und das im Holz gespeicherte CO2 wird wieder frei.

Damit die zirkuläre Bauwirtschaft in Schwung kommt, muss nicht rezyklierbarer Abfall vermieden werden. Aber auch Recyclingmaterialien sollten nicht in so grossen Mengen anfallen, wie sie dies heute tun. Ausserdem gilt es vermehrt Absatzmöglichkeiten für diese Sekundärrohstoffe zu finden und ihre Wahrnehmung zu verbessern. Die Bauten, die öffentliche Bauherren zurzeit aus Recyclingmaterialien erstellen, sind ein guter Anfang. Zukünftig wäre aber über einen Mindestanteil an Recyclingbeton in allen Neubauten nachzudenken. Dazu müssten jedoch die gesetzlichen Grundlagen angepasst werden.

Eine ausführlichere Version dieses Artikels finden Sie in TEC21  8/2020 «Kreislaufwirtschaft: Bauten als Ressource».

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