Das Erbe der Johanniter
Durch die Instandsetzung des «Johanniterhauses» der Kantonsschule Küsnacht konnte ein weiteres Kapitel der Geschichte des historischen Gebäudes aufgearbeitet werden. Die Massnahmen führten Bischof Föhn Architekten in Anlehnung an die ursprüngliche Substanz durch.
Die Geschichte der Kantonsschule Küsnacht reicht weit in der Zeit zurück. 1358 erwarb der Orden der Johanniter die Kirche mit Hof von den Vorbesitzern (Konrad III., Propst des Kollegialstiftes in Embrach, und sein Bruder Johannes von Tengen in Einverständnis mit ihren Brüdern Rudolf und Friedrich) und erweiterten das Ensemble 1411. Nach der Reformation im Jahr 1532 ging der Besitz an die Stadt Zürich über, und das Gebäude wurde zum Wohnsitz des Amtmanns der Stadt Zürich. 1834 zog das erste Lehrerseminar des Kantons Zürich ein.
Heute macht diese lange Geschichte die Besonderheit der Schule aus. Das «Johanniterhaus», bestehend aus einem Singsaal-Trakt und einem grossen Haupttrakt, bildet den Hauptbau des Gebäudeensembles. Hier befinden sich Unterrichtsräume, Fachunterricht für Chemie und Physik, Informatik- und Lehrerzimmer sowie Sing- und Musikzimmer. Auf dem weiteren Areal der Schule sind über die Jahre viele Gebäude hinzugekommen, zuletzt 2007 ein neuer Unterrichtstrakt von MMJS Jauch-Stolz Architekten.
Rundumerneuerung
Für die energetisch, betrieblich sowie gebäude- und brandschutztechnische Instandsetzung schrieb die Bauherrschaft ein offenes Planerwahlverfahren aus. Bischof Föhn Architekten bewarben sich zusammen mit dem Baumanagement- und Gesamtplanungsbüro Caretta + Gitz als Generalplanerteam und erreichten den ersten Platz.
In Zusammenarbeit mit der kantonalen Denkmalpflege wurde das Gebäude umgebaut und instandgesetzt. Neu gestaltet wurde der Singsaal, der zudem durch den Einbau einer unterirdischen Lüftungszentrale ergänzt wurde. Die ehemalige Hauswartwohnung wurde einer Umnutzung unterzogen und beherbergt heute Klassen-, Büro- und Besprechungsräume. Die Gebäudetechnik wurde erneuert und Anpassungen an die aktuellen Brandschutzanforderungen vorgenommen.
Skelette unter dem Singsaal
Da sich der Singsaal im Bereich eines mittelalterlichen Friedhofs von Küsnacht befindet, war der Eingriff wertvoll für die Kantonsarchäologie. Es wurde eine Rettungsgrabung durchgeführt, bevor die Baustelle richtig begann. Dabei wurden insgesamt 60 Gräber freigelegt. Bei 35 Skeletten ermöglichte die gute Erhaltung der Knochen eine anthropologische Untersuchung. Die Gräber waren weitgehend beigabenlos. Einzig unter einem Fussknochen lag eine Münze, die wohl aus dem 11./12. Jahrhundert stammt.
Mittels Radiokarbon-Altersbestimmungen lässt sich die Nutzungszeit des Friedhofs bis ins 10. Jahrhundert n. Chr. bestimmen. Für die Kantonsarchäologie ist das ein wichtiger Fund. Das Alter der Gräber liefert ein wichtiges Argument, die Anfänge der Kirche in Küsnacht bereits im 10. Jahrhundert zu verankern. Funde von Bruchstücken römischer Baukeramik und Geschirrkeramik aus dem 2. Jahrhundert und der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. weisen auf ein unbekanntes, in der weiteren Umgebung zu suchendes römisches Gebäude hin. Für die Archäologie bleibt das Areal weiterhin spannend. Die Funde und Skelette wurden geborgen und in die Räumlichkeiten der Kantonsarchäologie gebracht, um sie dort weiter zu analysieren.¹
Die Grabungen weckten ein breites Interesse der Öffentlichkeit, insbesondere an der Kantonsschule. Über einen abgesperrten Bereich konnten die Schüler in die Grabung schauen und den Archäologen bei der Arbeit zusehen. Zwei Schülerinnen widmeten sogar ihre Matura-Arbeiten den Ausgrabungen.
Kalter Boden – kalte Füsse
Für die zukünftige Nutzung des Singsaals mussten die Architekten besonders das Innenraumklima beachten. Vor den Sanierungsarbeiten war dieses nicht optimal, Zugluft stellte ein grosses Problem dar. Das Eindringen von Feuchtigkeit über die Aussenwände und vom Boden musste behoben werden. Unter der alten Bodenplatte – ein Holzboden auf einer Holzlattung mit einem Karreemuster auf schmalen Streifenfundamenten – gab es einen kleinen Luftraum von ca. 50 cm Höhe. Der Boden war nicht gedämmt, und durch die Ritzen kam vor allem im Winter, auch wenn kräftig geheizt wurde, kalte Luft in den Raum.
Die Planenden nutzten den Einbau der notwendigen Lüftungszentrale und der damit einhergehenden Grabungen, um den Boden komplett zu erneuern. Heute schliesst eine Betonplatte den Raum gegen den Erdboden ab. Die Oberfläche der unterirdischen Lüftungszentrale nimmt fast ein Drittel des Raums ein, der Zugang ist über eine Bodenklappe im hinteren Bereich des Raums geregelt.
Die Gestaltung des neuen Bodens entwickelten Bischof Föhn Architekten aus der Form des alten Bodens – es sollte wieder eine gewisse Segmentierung des Raums entstehen. Ein Zusammenspiel aus Karrees aus grossformatigen Eichenriemen ist das Ergebnis dieser Überlegungen, das jetzt auch mit der neuen, rundum verlaufenden Wandverkleidung aus in verschiedenen Altrosa-Tönen gestrichenen Holzplatten harmoniert. Sie bildet das Pendant zu den historische Täferverkleidungen der oberen Klassenzimmer.
In die umlaufende Verkleidung sind auch die Innendämmung, Einbauschränke, eine Orgel, eine Schultafel sowie die gelochten Luftauslässe der Saallüftung integriert. Eine neue Bühnentechnik für Konzert- und Theatervorführungen wurde installiert und unter Holzbalken eine neue Brandschutz- und Akustikdecke montiert.
Farbliche Rückführung
Auch bei der Umnutzung der Hauswartswohnung arbeiteten die Architekten eng mit der kantonalen Denkmalpflege zusammen. Mithilfe von Farbsondagen konnten die Räumlichkeiten zu ihrer ursprünglichen Farbigkeit rückgeführt werden. Ein sanftes Mintgrün und helle Grautöne, kombiniert mit dem teilweise erneuerten Holzboden, schaffen eine ruhige Lern- und Arbeitsumgebung. In der nordwestlichen Ecke der ehemaligen Hausmeisterwohnung ist durch den Abbruch einer Trennwand ein grosses Klassenzimmer entstanden. Zudem stehen dem Lehrpersonal ein Sitzungszimmer und zwei Arbeitsräume zur Verfügung.
Die sanften Eingriffe im Johanniterhaus und dem Singsaal-Trakt fügen sich auf ganz selbstverständliche Weise in den historischen Bestand. Für die Kantonsschule Küsnacht, die einen Schwerpunkt auf musische Fächer gelegt hat, ist der nun uneingeschränkt nutzbare Singsaal eine grosse Bereicherung.
Anmerkung
1 Küsnachter Jahrheft 2018
Am Bau Beteiligte
Bauherrschaft
Hochbauamt Baudirektion Kanton Zürich
Architektur
Bischof Föhn Architekten, Zürich
Bauleitung
Caretta + Gitz, Küsnacht
Denkmalpflege
Amt für Raumentwicklung, Archäologie und Denkmalpflege, Kantonale Denkmalpflege Zürich
Tragkonstruktion
WaltGalmarini, Zürich
Elektroplanung
Marquart Elektroplanung + Beratung, Winterthur
HLS-Planung
Gruenberg + Partner, Zürich
Bauphysik
Heidt Bauphysik + Akustik, Zollikerberg
Brandschutzplanung
Brandschutz Kyburg, Kyburg
Bühnenplanung
Bühnenplan Nerlich, Tuggen
Fertigstellung: 2019
Kosten: 3.3 Mio Fr.
Gebäudevolumen: 4 336 m³