Der Faszination «Wald» auf der Spur
Das Lenzburger Museum Burghalde stellt den Wald unter den Aspekten Lebensraum, Inspirationsquelle und Ressource dar. Die Ausstellung «Schatzkammer Wald» zeigt eindrücklich, wie sehr der Wald in unserem Leben verankert ist.
Das ehemalige Gewerbehaus empfängt die Besuchenden mit einem kleinen «Wald». In Holzkisten gepflanzte Bäume schmücken den Eingang zur Dépendance «Seifi» des Museums Burghalde. Gleich am Anfang der Ausstellung zieht ein uralter Baum die Aufmerksamkeit auf sich. Es handelt sich um eine Waldföhre, die vor 13'000 Jahren am Fuss des Uetlibergs bei einem Erdrutsch mit Lehm überdeckt wurde. Der Baum stammt aus der Zeit, als sich in der Schweiz nach dem Rückzug der Gletscher wieder Wald ausbreitete. Es handelt sich um einen der weltweit ältesten subfossilen Holzfunde.
Eintauchen in den Kosmos «Wald»
Die Sonderausstellung «Schatzkammer Wald» bietet ihren Gästen die Möglichkeit, in den Kosmos Wald einzutauchen. Sie zeigt anschaulich, wie wir den Wald wahrnehmen und gestalten, von der Steinzeit bis in die nahe Zukunft. Dabei wird auf kleinem Raum eine grosse Bandbreite abgedeckt.
So werden etwa Wald, Haine und Bäume als Heiligtum und ihre Bedeutung für Religionen beleuchtet. Oder, wie der Wald in Märchen, Sagen, Malerei und Literatur dargestellt wird. An den Märchenstationen kann man einen Kopfhörer aufsetzen und es sich in einem Schaukeltuch bequem machen – und blickt unversehens einem Wolf in die Augen. Weil er sich nicht bewegt, wird rasch klar, dass es sich um ein ausgestopftes Exemplar handeln muss.
Vom Brennholz zum Lenzburger Gold
Originell sind die sprechenden Bäume. Über das eigene Smartphone kann man Anekdoten und Geschichten hören und gleichzeitig Rinde, Holz und Jahrringbild der Holzarten betrachten. Der Perspektivenwechsel gelingt. So erzählt die «Lärche» mit einer Bündner Frauenstimme, dass sie eigentlich aus den Bergen stamme. Man habe sie hier in Lenzburg vor 175 Jahren angepflanzt. Doch sie sei nicht so schnell wie erhofft gewachsen. Zum Teil stehe sie deshalb heute noch im Lenzburger Wald. Das Holz der Lärchen sei sehr gefragt und erziele hohe Preise. Deshalb würden die Lärchen auch als Lenzburger Gold bezeichnet.
Damit wird der Bogen zu den Anfängen der geregelten Waldwirtschaft in Lenzburg geschlagen. Walo von Greyerz, ein in Deutschland ausgebildeter Forstmann, trat sein Amt 1847 an. Er wirkte ein halbes Jahrhundert in Lenzburg, was ungefähr einem halben Baumleben entspricht. Sein Ziel war es, den geplünderten Wald wieder aufzubauen. Er liess Buchen und Lärchen pflanzen. Die Lärchen hätten eigentlich nach wenigen Jahren gefällt und als Brennholz genutzt werden sollen. Doch es kam anders. Weil die Lärchen nur langsam wuchsen, blieben sie stehen. Und der Bau der Eisenbahn machte es möglich, das essenzielle Brennholz durch importierte Kohle zu ersetzen. Das fossile Zeitalter nahm seinen Lauf. Mit schwerwiegenden Folgen fürs Klima, wie wir heute alle wissen.
In Lenzburg wirken im Frostbetrieb noch heute akademisch ausgebildete Förster. Der jetzige Stadtoberförster Matthias Ott wird ebenso interviewt wie seine beiden pensionierten Vorgänger. Dabei wird deutlich, dass sich die Ansprüche an den Wald stark gewandelt haben. Folgerichtig ist der zweite Raum dem Spannungsfeld «Wald» gewidmet. Dargestellt wird dieses, indem verschiedenste Waldnutzerinnen und -nutzer, aber auch Menschen, die im Wald arbeiten, zu Wort kommen. Zwölf Interviews kann man sich anhören. Sie sind informativ, gut aufbereitet und dauern nicht zu lang.
Den eigenen Wunschwald kreieren
Aktive Entscheidungen verlangt schliesslich der Waldsimulator. Am Computer können die Besucherinnen und Besucher ihren eigenen Wunschwald kreieren. Dabei sind die Anteile an Nutzwald, Naturwald und Erholungswald festzulegen. Ebenso die Flächen für den Wald, das Siedlungsgebiet und die landwirtschaftliche Nutzung. Für den am Bildschirm kreierten Wald werden die Anteile der Nutzungsarten angezeigt sowie die verschiedenen Leistungen, die daraus resultieren, berechnet. Es ist eine Spielerei, denn die Gesetze von Natur und Gesellschaft lassen keinen Wald der vollständig freien Wahl zu. Doch die Frage, was für ein Wunschwald es denn sein soll, regt an. Der in Lenzburg erstmals präsentierte Waldsimulator ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Future Cities Laboratory der ETH Zürich und dem Museum Burghalde.
Der dritte Raum ist verschiedenen Waldklängen gewidmet. Der Autor konnte diesen jedoch nicht erkunden. Die hörbaren Geräusche wurden durch lauten Motorsägenlärm überdeckt. Auf dem Parkplatz vor diesem Raum schuf der Kettensägenkünstler Lukas Senn an der Vernissage eine Skulptur aus Eichenholz. Somit drängt sich ein nochmaliger Besuch zu ruhigeren Zeiten geradezu auf.
Die Ausstellung Schatzkammer Wald im Museum Burghalde in Lenzburg ist noch bis 26. November zu sehen.