Ein Alt­meis­ter trifft auf drei No­vi­zen

Im Kornhausforum Bern verschafft die Ortsgruppe des Schweizerischen Werkbunds SWB einen Einblick in das Schaffen von vier ausgewählten Produktgestaltern. «Auf der Suche nach...» ist eine generationenübergreifende Ausstellung, die Fragen der Konzeption, der Arbeitsweise und des Marketings berührt. Sie zeigt Design als schrittweise Erleichterung des Alltags.

Publikationsdatum
30-03-2021

Der Altmeister mit Jahrgang 1926 ist Hans Eichenberger, gelernter Schreiner und Zeichner. Er führt seit 1951 sein eigenes Entwurfsatelier. Mit Robert Haussmann, Kurt Thut und Teo Jakob gründete Eichenberger das Designkollektiv «Swiss Design». Schweizweit bekannt wurde er mit dem 1955 entworfenen SAFFA-Stuhl.

Ab 1958 beginnt eine Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Atelier 5, die über 35 Jahre andauern sollte. Die 1958–1960 realisierte Siedlung Halen in der Nähe der Stadt Bern, wo der von seinen Freunden «Jöggu» genannte Hans Eichenberger das Bistro und den Verkaufsladen plant, wird ab 1960 Wohnort und Arbeitsplatz.

Die in der Schau gezeigten Arbeiten von Eichenberger sind nicht weitherum bekannt, dokumentieren aber seine Vielseitigkeit. So war sein ANTI-Sessel von 1970 aus miteinander verschraubten 9 x 9 cm Tannen- oder Eichen-Kanthölzern ursprünglich als Bausatz zum Selberzusammensetzen gedacht und Teil einer Möblierung für einen Jachtclub.

Die Gestaltung des Restaurants Halen war für Hans Eichenberger insofern eine glückliche Aufgabe, denn die geschmackliche Neigung des künftigen Publikums war quasi bereits durch den Entschluss definiert, in der Siedlung Halen zu wohnen. Der Charme des kleinen Restaurants liegt in seinem Bistrocharakter. Ein einfacher Grundriss und die schlichte Ausstattung ergeben eine gute Raumstimmung. Tische mit HETO-Gusseisenfüssen, früher Bugholzstühle und jetzt stapelbare Rey-Stühle ermöglichen ein einfaches Umstellen für besondere Anlässe.

Der Firma Gertsch aus Interlaken mit Ernst Gertsch und Sohn Ueli gelang es ab 1966, in Zusammenarbeit mit Ingenieur Walter Marti, Hans Eichenberger als Designer und dem Fabrikanten Albert Fritschi aus Reichenbach eine neuartige Sicherheitsbindung für Skier zu entwickeln. Sie besticht durch ihre Einfachheit und der Verbindung von Auslöseplatte und Schuh als Einheit, bewährte sich bereits in der Skisaison 1967/68 und wurde innerhalb von zwei Jahren zum Verkaufsschlager.

Novizen mit offenem Geist und weitem Horizont

Eine junge Designerin und zwei ebenfalls jüngere Designer, alle drei in den 1980er-Jahren geboren, decken mit ihren Arbeiten ein breites Themenfeld ab, das ebenfalls durch Ungewöhnliches überrascht. Ihre Biografien verraten, dass sie nicht allein an der reinen Produktgestaltung interessiert sind, sondern sich auch sozial engagieren und selber oft im Team mit anderen arbeiten.

Für Lisa Ochsenbein, in Bern geboren und jetzt in Zürich tätig, steht die Entwicklung von ökologisch nachhaltigen Konzepten im Bereich Industrie- und Produktdesign im Vordergrund. Beispielsweise hat sie mit der Idee «Pumpipumpe» das Teilen von Alltagsgegenständen gefördert. Illustrierte Sticker an Briefkästen zeigen den Nachbarn an, was in Haushalten ausgeliehen werden kann. Bereits 24'000 Haushalte zeigen so an, was an kostenlos zugänglichen Dingen für die Interessierten zur Verfügung steht.

Ein weiteres Projekt will es ermöglichen, den auf Baustellen täglich anfallenden Restbeton nicht einfach zu entsorgen, sondern daraus auf einfache Weise als Koproduktion nützliche Gegenstände zu giessen. Und für das Taschenlabel «nasire» (arabisch für Begleiter) hat Lisa Ochsenbein während fünf Jahren Produkte und Produktion einer ökologisch und nachhaltig verantwortbaren Lederverarbeitung erarbeitet und gefördert.

Holz und mehr

Der gelernte Zimmermann Christian Spiess aus Zürich beschäftigt sich vorzugsweise mit Holz. So entwickelte er in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Nationaltrainer für die koreanische Kampfsportart Taekwondo ein Sportgerät (ADHO), das dem Handstandtraining dient.

Für die Firma MAB Möbel in Muotathal konzipierte er ein Esstischsystem, das die Kombination unterschiedlicher Grössen, Beinvarianten und Eckversionen mit verschiedenen Materialien zulässt. Die Kunden erhalten so ihren individuell produzierten Tisch. Spielerischer Umgang mit Holz bei gleichzeitig präziser Ausführung war beim Bauspiel TAWA für die Spielwarenfirma Naef in Zofingen gefragt.

Design mit einem Augenzwinkern

Sebastian Marbacher aus Zürich ist gelernter Konstrukteur und Industriedesigner, nennt sich aber schlicht Gestalter. Seine Objekte und Installationen bestehen vorzugsweise aus natürlichen Materialien. Für das Foyer des Stadtmuseums Aarau konzipierte er in Zusammenarbeit mit der Töpferin Christine Hardmann Keramikplatten. Die Teller werden mit einfachen, selbst hergestellten Werkzeugen und Formen ohne hohe Kosten in Serie produziert. Dank der Technik des Überformens sind sie stapelbar.

Im neu gebauten Primarschulhaus in Zofingen (Kim Strebel Architekten, Aarau) stehen mehrfarbige in Gruppen angeordnete Sitzskulpturen in der Pausenhalle und auf dem Pausenplatz. Die von Marbacher gestalteten mehrstufigen abgeschrägten Volumen beziehen sich auf die Architektur des Gebäudes. Sie werden von den jungen Nutzern auf spielerische Art und Weise in Beschlag genommen.

Unkonventionell ist die Idee Marbachers mit der Baustellen-Bank: Sitzbänke im öffentlichen urbanen Raum, gebaut aus herkömmlichen Absperrmaterialien von Baustellen. Aus dem Verbot «Betreten verboten» wird die Einladung, kurz innezuhalten und im städtischen Alltag zu verweilen.

Unkonventionelle und informative Darstellung

Die Ausstellungsthemen sind im grossen Saal einzeln auf insgesamt zwölf Tischen gezeigt, mit Fotografien, ausgelegten Planskizzen, Briefen und auch mit Materialmustern. Die Tische selber sind aus Kartonröhren und leichten Wabenplatten gebaut. Sie sind in etwa kniehoch, und das ist nur mässig geeignet, die teilweise kleinen Textteile zu mühelos entziffern – man hat sich respektvoll zu verneigen, um etwas lesen zu können. Trotzdem: eine sehr schön gefertigte Ausstellungsarchitektur, die die zahlreichen Dokumente auf unkonventionelle Weise zugänglich macht.

Die Ausstellung ist betitelt mit: «Auf der Suche nach...». Ob dieser Titel glücklich gewählt ist? Suchen, das ist ein Ausgehen von Bestehendem, ein Finden-Wollen von bereits Bekanntem im Neuen. Pablo Picasso hat einmal festgestellt: «Ich suche nicht – ich finde.» Das bringt es auf den Punkt, und auch diese Ausstellung zeigt keine Grübler und Sucher, eher Er-Finder die ausgehend von einem Problem oder einer Aufgabe mit offenem Geist pragmatisch das Richtige tun, überzeugende Lösungen finden und vorlegen.

Die Ausstellung ist noch bis 2. Mai 2021 im Kornhausforum Bern zu sehen.

 

Kornhausforum Bern, Kornhausplatz 18, 3011 Bern

Tram- und Busstationen: Zytglogge

 

Öffnungszeiten: Di bis Fr 10–19 Uhr, Sa 10–17 Uhr

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