Le­ben­di­ges Dach

Gartensiedlung Rotmonten, St. Gallen

In der Gartensiedlung Rotmonten in St. Gallen interpretieren Staufer & Hasler Architekten die Sprache von Adolf Gaudy neu. Die Dachsilhouette formt eine Landschaft, in der sich die zweigeschossigen Holzträger an den Fassaden abzeichnen. 

Publikationsdatum
23-10-2024

Bereits Anfang des letzten Jahrhunderts setzten sich Architekten gegen die Bodenspekulation zur Wehr und propagierten, dass auch in ländlichen Gegenden dicht gewohnt werden kann. Adolf Gaudy plante und baute 1911–1915 in Rotmonten auf einer Anhöhe vor der Stadt St. Gallen die Gartenstadt «Berghalde». Hier konnten sich Leute mit niedrigem Einkommen den Traum eines Eigenheims realisieren. Umgesetzt wurde vor allem die städtebauliche Struktur des Bebauungsplans. 

Aufgrund der wirtschaftlichen Situation und der folgenden Weltkriege wurden innerhalb des durchgrünten Gefüges, bestehend aus einem Platz und Alleestrassen, nur ein paar Wohnhäuser im historistischen Stil gebaut. Erst nach 1948 bebauten Privatpersonen einen Grossteil der Grundstücke. Heute finden sich in der Siedlung neben den historischen Gebäuden mit Krüppelwalmdach, grobem Putz, Loggien und Dachgauben vor allem niedrige Einfamilien- oder Reihenhäuser mit Abstandsgrün. Deren reduziertes Formenvokabular folgt mehrheitlich der Sprache des Neuen Bauens.

Holz, wo es sinnvoll ist

Mehr als hundert Jahre später entschied die AXA Anlagestiftung als Eigentümerin, sich für eine Nachverdichtung einzusetzen. Im Studienauftrag waren Vorschläge gefragt, wie das Gelände an der schönsten Lage auf der Anhöhe besser ausgenutzt werden kann. Eine Gruppe aus sechs Mehrfamilienhäusern in drei Zeilen sollte ersetzt werden. 

Dieser Artikel ist erschienen im Sonderheft «Stadt aus Holz – Wohnbauten in Holz, nachhaltig finanziert». Weitere Artikel zum Thema Holzbau finden Sie in unserem digitalen Dossier.

Das Projekt von Staufer & Hasler Architekten hat diese Herausforderung am besten gelöst. Es nimmt die Ideen der Gartenstadt von Gaudy für die Ersatzbauten auf und verdoppelt die Ausnutzung. Mit der Bauweise setzt das Team auf bekannte und erprobte Materialien und eine materialgerechte Umsetzung. Die Aussenwände aus zweischaligem Mauerwerk sind weiss geschlämmt. Die mit Uginox-Edelstahl eingedeckte, gefaltete Dachkonstruktion reagiert auf den Kontext. 

Holz wurde dort angewandt, wo es sinnvoll und angemessen erschien. An der Fassade setzen die über zwei Geschosse ragenden Y-Träger aus verleimtem Lärchenholz einen Akzent. Es wurde rund 90 % Schweizer Holz verbaut. Neben den Dachträgern sind auch die Böden, Seitenwände und Decken der Loggien aus Holz.

Nachhaltig auf mehreren Ebenen

Dies entspricht auch der Nachhaltigkeitsstrategie der AXA, die Wert auf die ESG-Kriterien legt. Das Dachgeschoss wurde als Element-Holzbau ausgeführt – eine effiziente und ökologische Konstruktionsweise mit gutem Schallschutz. Erdsonden-Wärmepumpen beheizen die Gebäude. Ausserdem wird die Abluft der Wohnungen gesammelt und in eine Abluftwärmepumpe geführt, die Energie für Warmwasser liefert.

Staufer & Hasler liessen sich von der Architektur Gaudys inspirieren, unter anderem von den lebendigen Dächern mit den Gauben. Zugleich leiten sie die Form der Y-Träger an den Fassaden von den Ästen einer Baumkrone ab. Herzstück des neuen Wohnkomplexes ist eine 70 Jahre alte Linde im Gartenhof. Dieser bildet mit der angrenzenden Spielwiese einen Begegnungsraum für jedes Alter. 

Es sind 50 Mietwohnungen in drei winkelförmigen Gebäuden sowie drei Reiheneinfamilienhäuser entstanden. Die Wohnungen sind mehrheitlich durchgesteckt, sodass sie Ausblick in den begrünten Hof und auf die Berglandschaft bieten. Von der obersten Wohnung öffnet sich der Blick sogar bis auf den Bodensee. 

Damit besteht ein Bezug der Wohneinheiten zu den weitläufigen, zusammenhängenden Grünräumen, so wie Adolf Gaudy das für seine Gartenstadt geplant hatte. 

Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft: AXA Anlagestiftung, Winterthur

Architektur: Staufer & Hasler Architekten, Frauenfeld

Statik: SJB Kempter Fitze, Frauenfeld

Elektroingenieur: IBG Engineering, St. Gallen

Bauphysik: Mühlebach Partner, Winterthur

Landschaft: Krebs und Herde, Winterthur

Holzbau: Egli Zimmerei, Oberhelfenschwil

 

Gebäude


Nutzfläche: 7615 m2 

Volumen: 24 552 m3

Label: Minergie Eco

 

Holz und Konstruktion


Konstruktionsholz: Fichte verleimt (Schweiz)

Dachkonstruktion: 2760 m2

Total Elemente in Holz: 288 Stk.

Holzmenge: 208 m3

Holzwerkstoffe: 5800 m2 Dreischicht-/OSB-Platten

Cellulose Dämmung: ca. 12.2 t

 

Daten und Kosten


Produktion Holzelemente: 5 Monate

Aufrichte Elemente: 8 Wochen

Montagebau Holz (BKP 214):  1.5 Mio. CHF (Konstruktion Dach und Balkone, Y-Stützen Fassade, Dachinnen- und Balkonverkleidung)

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