Geld für die Strassen
Abstimmung über den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds NAF
Ein Mobilitätsgraben zieht sich durch die Schweiz: Auf der einen Seite nehmen der Autobestand und die gefahrenen Strassenkilometer laufend zu; auf der anderen Seite verzichten immer mehr Einwohner auf ein eigenes Fahrzeug. Inzwischen ist jeder fünfte Privathaushalt in der Schweiz autofrei. Dessen ungeachtet steigen die Ausgaben für Bau und Unterhalt der Infrastruktur.
Die persönlichen Mobilitätsausgaben liegen konstant bei rund 8 % des Haushaltsbudgets, weist das Bundesamt für Statistik aus. Das Privatauto kostet den Schweizer durchschnittlich 640 Franken im Monat, ein Viertel davon für Treibstoffe. Für Billette oder Streckenabos im öffentlichen Verkehr werden dagegen monatlich rund 160 Franken ausgegeben. Gesamthaft bezahlen die Privathaushalte jedes Jahr über 80 Mrd. Franken für die unterschiedlichen Verkehrsdienste. Für Ausbau, Betrieb und Unterhalt der Infrastruktur steuert die öffentliche Hand zusätzliche 17 Mrd. Franken bei.
Die Ausgaben für Strasse und Schiene sind in etwa ausgeglichen, wobei sie zusammen 12 % der Budgets von Bund, Kantonen und Gemeinden beanspruchen. Und hier zeichnet sich nun abermals eine Kluft in der Schweizer Verkehrslandschaft ab: Die öffentlichen Ausgaben steigen und die Erträge aus der privaten Treibstoffabgabe nehmen ab. So prognostiziert das Bundesamt für Strassen Astra ab übernächstem Jahr eine Finanzierungslücke im Autobahnbudget.
Der Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF), über den am 12. Februar abgestimmt wird, soll diese und weitere Löcher langfristig stopfen. Davon profitieren sollen die nationale und überregionale Verkehrsinfrastruktur. Falls die NAF-Vorlage an der Urne angenommen wird, stünden dem Fonds jährlich rund 3 Mrd. Franken zur Verfügung. Fast 90 % wären für Nationalstrassen reserviert; der Rest wird unter verkehrsreichen Agglomerationen aufgeteilt, wobei auch Investitionen in Buslinien, Stadtbahnen und Tramverbindungen möglich sind.
Was kostet das Nationalstrassennetz?
Vor bald 60 Jahren, am 21. Juni 1960, hat das Parlament ein Autobahnnetz für die Schweiz beschlossen. 96 % der geplanten 1800 Strassenkilometern sind realisiert; 70 km verbleiben, darunter Abschnitte und Tunnels in den Kantonen Wallis, Bern und Jura. Ergänzungswünsche gibt es inzwischen auch: Das Strategische Entwicklungsprogramm Nationalstrassen STEP listet die Umfahrung Morges und die Glatttalautobahn auf. Letztere ist ein vierspuriger Tunnel, der das Brüttiseller Kreuz umfahren soll. Ebenso ist das Beheben von Engpässen vorgesehen, darunter der Spurausbau im Gubristtunnel, zwischen Luterbach und Härkingen sowie im Abschnitt Wankdorf-Schönbühl.
Mit der NAF-Vorlage wird zudem ein Paket aus 400 km Kantonsstrassen in die Verantwortung des Bundes übergehen und der Betrieb aus Bundesmitteln zu finanzieren sein. Dazu gehören beispielsweise die Strecken Bern–Biel, Bellinzona–Locarno, die Zufahrt zum Autoverlad Lötschberg oder die Passstrassen über den Julier, den Grossen St. Bernhard und den Hirzel.
Wie profitiert der Agglomerationsverkehr?
Zwar sind die NAF-Mittel an Strassenbau und -unterhalt gebunden. Dennoch können unterschiedliche Verkehrsträger davon profitieren, wenn sie Elemente eines Agglomerationsprogramms sind. Seit knapp zehn Jahren werden multimodale Verkehrsprojekte im städtischen Raum vom Bund über den Infrastrukturfonds mitfinanziert, etwa die Bahn-Durchmesserlinie Zürich, die Stadtbahn Zug, die Glattalbahn, das Tram Bern West und Umfahrungsstrassen in Regionen Freiburg, Pratteln und Olten. Bedingung für eine Bundesmitfinanzierung ist, dass eine raumplanerische Koordination zwischen Verkehr und Siedlung stattgefunden hat. Mit Modellvorhaben und Pilotprojekten sollen Agglomerationen die Siedlungsentwicklung nach Innen vorantreiben können.
Eine Analyse des Schweizerischen Städteverbands zeigt, dass grosse Agglomerationen nun auf NAF-Beiträge für weitere teure Eisenbahn- und Tramprojekte hoffen. Mittlere und kleine Agglomerationen tendieren derweil dazu, den motorisierten Individualverkehr zu kanalisieren und gleichzeitig die Bedingungen für den Langsamverkehr zu verbessern. Etwa ein Achtel der NAF-Jahresausgaben soll für Agglomerationsprojekte eingesetzt werden.
Quelle: Agglomerationsprogramme, Bilanz und Perspektiven; erfolgreiche Abstimmung zwischen Verkehr und Siedlung, Schweizerischer Städteverband 2016.
Woher kommt das Geld?
Bislang werden Nationalstrassen aus der «Strassenkasse» finanziert, die sich mit Mitteln der Mineralöl- und Automobilsteuer speist. Rund 10 % der Mineralölsteuer und zusätzlich die Erträge der Autobahnvignette fliessen aktuell in den Infrastrukturfonds, der als befristetes Finanzierungsinstrument seit 2008 periodisch erneuert wird. Diese beiden Töpfe sollen nun durch den unbefristeten Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) abgelöst werden. Gleichzeitig werden Geldströme des Bundes umgeleitet: Die Automobilsteuer soll nicht mehr in die Bundeskasse fliessen, sondern nur noch dem NAF gutgeschrieben werden. Auch für Elektrofahrzeuge soll dereinst eine Steuer bezahlt werden. Und zudem werden höhere Mineralölsteuern und Kantonsbeiträge angestrebt, allerdings erst bis in zwei Jahren.
Wer finanziert sich besser: MIV versus öV?
Das Bundesamt für Statistik analysiert Einnahmen und Ausgaben im Verkehrsbereich und kommentiert den Finanzierungsgrad folgendermassen: Weder der individuelle Personenverkehr noch der öffentliche Verkehr können die verursachten Kosten vollumfänglich selbst tragen. Die Nutzenden des privaten motorisierten Strassenverkehrs decken 90 % der Kosten, während der öffentliche Strassenverkehr und der Personenverkehr auf der Schiene unter 50 % nutzerfinanziert sind. Der Deckungsgrad im privaten motorisierten Strassenverkehr wird vor allem durch die persönliche Finanzierung der Autos erhöht. Trotzdem übersteigen die ungedeckten Kosten des privaten motorisierten Strassenverkehrs (5,4 Mrd. Franken) in absoluten Zahlen jene des Personenverkehrs auf der Schiene (4,5 Mrd. Franken) oder des öffentlichen Strassenverkehrs (2,1 Mrd. Franken).
Externe Kosten erhöhen das Finanzierungsungleichgewicht: Der motorisierte Personenverkehr auf der Strasse verursacht Unfall-, Umwelt- und Gesundheitskosten im Umfang von 11,0 Mrd. Franken. Etwa die Hälfte davon wird von der Allgemeinheit getragen. Ungedeckte externe Kosten erzeugt auch der öffentliche Verkehr auf Schiene und Strasse; diese liegen allerdings unter 1 Mrd. Franken.
Quellen
Kosten und Finanzierung des Verkehrs, Strasse und Schiene 2013, Bundesamt für Statistik BFS 2016.