Lehm und Holz präzise vereint
Ein modernes Firmengebäude aus Naturmaterialien
Erne Holzbau erstellte mit Burkard Meyer Architekten ein Firmengebäude. Erfahrung, ein Stampflehm-Roboter und die Produktion der Bauteile in den eigenen Werkhallen boten die Chance für eine energieeffiziente und ganzheitliche Architektur.
Die feine, durch geschosshohe Fenster gegliederte Metallfassade des Gebäudes fällt sofort auf, wenn man in die Rüchligstrasse einbiegt. Wer nur flüchtig hinsieht, denkt vielleicht, dass es sich um eine Fassade vor einem Betonskelett handelt. Umso überraschender ist dann das zwar formal mit der Fassade verwandte, ebenso feingliedrige Innere, in dem von Beton keine Spur zu sehen ist. Das Eingangsatrium vermittelt vielmehr ein Bild von ausserordentlich dichter, präziser und leichter – um nicht zu sagen lichter – Natürlichkeit in Holz und Lehm.
Erne Holzbau, um deren erweiterten Firmensitz es sich bei dem Gebäude handelt, wächst dank zukunftsweisenden Fabrikationen im Holzbau, Fertigbauteilen wie hybriden Deckenelementen und seit Kurzem auch dank Entwicklungen im Lehmbau. Das Unternehmen benötigte deshalb 100 neue, flexible Arbeitsplätze für seine Angestellten. «In unseren Werkstätten arbeitet man mit Hand und Kopf, aber wir beschäftigen auch immer mehr Leute, die ausschliesslich mit dem Kopf tätig sind.
Unterdessen sind es 45 %», erläutert der Geschäftsführer Patrick Suter. Es ist also nicht erstaunlich, dass die Firma bei diesem Neubau viele Rollen übernahm: Sie war Bauherrin sowie Brandschutz- und Fassadenplanerin und stellte als Unternehmen die meisten Bauteile selbst her. Dies war nicht nur eine besondere Ausgangssituation, sondern vor allem eine Chance, in einer bewährten Zusammenarbeit mit Burkard Meyer Architekten Neues auszuprobieren und dabei die Grenzen auszuloten.
Arbeiten in ruhigem Umfeld
Teil davon ist auch der Bestand. «Es war von Anfang an klar, dass der alte Bürobau aus Holzmodulen stehen bleiben sollte. Erne hatte diese Module einst für einen Kunden hergestellt und später, als dieser sie nicht mehr brauchte, zurückgekauft», erklärt Oliver Dufner von Burkard Meyer. Der Modulbau ist ein wichtiges Marktsegment der Firma.
Die Architekten planten eine Raumabfolge: An das Bürogebäude aus Re-Use-Modulen und seinen Aussenbereich schliesst der Neubau so an, dass ein gemeinsamer Hof entsteht. Getrennt durch eine grosse Fensterfront folgt daran angrenzend das Atrium des Neubaus, das wiederum von einem Aussensitzplatz abgeschlossen wird.
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Dass die Teile ein Ganzes bilden, ist im Grundriss gut ersichtlich. Doch das neue Atrium ist zweifelsfrei das Kernstück, ein sozialer und repräsentativer Aufenthaltsraum. Hier kommt man an, wartet an einer Bar, hier besprechen sich die Projektteams, sitzen Kunden, finden Vorträge und Veranstaltungen statt, isst man an grossen Tischen zu Mittag oder trinkt einen Kaffee. In der Mitte führt eine grosszügige Treppe in die oberen Geschosse. Von der Decke fällt Licht durch das Sheddach über die feinen Fachwerkträger.
Es passiert viel an diesem zentralen Ort und doch geschieht alles mit erstaunlicher Ruhe, ohne Hektik. Das mag Firmenkultur sein, doch kann es auch mit dem Tragwerk aus Schweizer Stabbuche und den massiven Lehmwänden zusammenhängen, die das lebendige Szenario erden. Und dann ist da natürlich, sogar bei trübem Wetter, das Tageslicht, das um Welten besser ist als jede noch so ausgeklügelte Lichttechnik.
Beim Hybridbau werden die stärksten Eigenschaften der Materialien kombiniert und am richtigen Ort eingesetzt. So bestehen die Decken ab dem ersten Obergeschoss in den Arbeits- und Erschliessungszonen als Sekundärstruktur aus Holz-Beton-Verbundelementen. Diese hat Erne für das Hochhaus S22 in Rotkreuz entwickelt, das ebenfalls in Zusammenarbeit mit Burkard Meyer entstand. Die Elemente enthalten auf minimalem Raum alle Installationen für die Haustechnik und geben dem Holzbau die für den Schallschutz nötige Masse.
Lehmhybrid entwickeln
«Da wir etwas mit Lehm machen wollten, kamen wir bald auf diese Treppenhaus- und Nasszellenkerne», erklärt Patrick Suter. Konsequenterweise hätten die Kerne wie bei einer Stahl-Beton-Konstruktion eine aussteifende Funktion haben müssen. Leider erfüllt Lehm diese Anforderung nicht. Nachdem man das Material schon fast wieder verworfen hatte, kam in einem Gespräch die Idee mit den Stahlkreuzen auf. Die Böden liegen nun auf der Holzstruktur, die von einzelnen Stahlkreuzen ausgesteift wird und von den Lehmkernen abgelöst ist. Es handelt sich also um zwei eigenständige statische Einheiten.
Die ca. 35 cm dicken Elemente tragen vertikal ihre eigenen Kräfte ab, ohne auf Zug belastet zu werden, während die Stahlkreuze die horizontalen Kräfte in die Holzkonstruktion ableiten. In den Treppenhäusern und Nasszellen gibt es zudem auf jeder Etage einen Ringbalken aus Beton, der innen mit Lehm verblendet ist. Die Treppe hängt an einem Stahlgerüst, weil man Auflager an den Blöcken vermeiden wollte. Sogar der Liftschacht ist aus Lehm. Eine 25 cm dicke Stampflehmwand hat einen Feuerwiderstand von REI-90. Im Brandfall widersteht das Material auch für eine kurze Zeit dem Wasser aus der Sprinkleranlage.
Weitere Beiträge zum Thema Lehm finden Sie in unserem digitalen Dossier.
Der Lehm stammt aus dem Aushub des Erweiterungsbaus. Er wurde mit Maschinen aus dem Strassenbau aufbereitet, die Steine mit Brechern verarbeitet und 15 % Splitt zugefügt. Dann stampfte ein Roboter während dreier Monate in einer Werkhalle die 1.2 m hohen und 3 m langen geschalten Elemente in gleichmässigen Schichten. Er «erlernte» den optimalen Winkel und Druck des Stampfens, damit keine Unregelmässigkeiten auftraten, und gewährte so Planungs- und Qualitätssicherheit.
Der Holzbau und die vertikalen Lehmzonen wurden anschliessend parallel hochgezogen und die wenigen Fugen von Hand nachgebessert. Nun stehen die Wände quasi monolithisch da. Der Transportweg der 3 t schweren Blöcke belief sich auf 500 m. Weil Holz- und Lehmbau aus einer Hand kamen, war das Vorgehen relativ direkt.
Zwar kosteten die Teile dank Roboter etwa ein Drittel weniger, als wenn sie von Menschen gestampft worden wären, aber Stampflehmbau ist, solange das CO² nicht eingepreist wird, nach wie vor nicht günstig, wie Oliver Dufner bedauert. Lehm ist für die Holzbaufirma vor allem eine Liebhabergeschichte, die weitergeht. Wie sich während der Besichtigung in einem Büro offenbarte, ist man gerade daran, andere Technologien – gegossen und gespritzt – zu entwickeln.
Ein kleines Modell zeigt: Bei den verwendeten Hybrid-Deckenelementen soll der Betonteil durch CO²-ärmere Materialien ersetzt werden. «Es braucht noch etwas Zeit, aber das wird richtig interessant und noch viel energieeffizienter», sind sich Oliver Dufner und Patrick Suter einig.
Erweiterung Bürogebäude Erne Holzbau, Stein
Bauherrschaft, Holzbau, Lehmbau, Brandschutz, Tragwerk
Erne Holzbau, LaufenburgArchitektur
Burkard Meyer Architekten, BadenStatik Lehmbau
Seforb, UsterLandschaftsarchitektur
Maurus Schifferli Land- schaftsarchitekt, BernBauphysik
Bakus Bauphysik & Akustik, ZürichHLK, Sanitär-Planung
PZM, ZürichElektro-Planung, Blitzschutz, Photovoltaik
IBG Engineering, BaarFertigstellung
2023Volumen (SIA 416)
14 524 m3Gebäudegrundfläche Neubau (SIA 416)
1267 m2