Wert geschätzt und in Wert gesetzt
Dr. Jost-Hartmann-Preis 2024
Ende November wurde in der Stadt Bern zum 19. Mal der Dr. Jost-Hartmann-Preis vergeben, eine Auszeichnung, die alle zwei Jahre an Menschen und Institutionen geht, die sich für eine sorgfältige Weiterentwicklung von Gebäuden in der Berner Altstadt eingesetzt haben. Die 2024 getroffene Auswahl zeigt Überraschendes.
Es wurden sieben Preise vergeben, sie gingen an sechs Architekturbüros und eine Bauherrschaft. Dabei sind zwei sanierte Häuser der unteren Altstadt, ein Schulhaus im Matte-Quartier, ein Eckhaus beim Zytglogge mitsamt der Renovation einer der ältesten Apotheken der Stadt, ein Hotel mit imposantem Treppenhaus aus dem 19. Jahrhundert sowie eine sorgfältig durchgeführte Gesamtsanierung einer Hausgruppe am Bärenplatz.
Denkmalpfleger Jean-Daniel Gross betonte bei der Preisvergabe, dass die Innenstadt Berns in Bezug auf aktuelle Fragestellungen wertvolle Antworten liefere: Die Altstadt stehe als Paradebeispiel für hochwertiges verdichtetes Bauen und für einen nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Stadtpräsident Alec von Graffenried hob bei der Ehrung den Aspekt eines generationenübergreifenden Wissenstransfers hervor: Das Interesse an der Altstadt müsse stets von Neuem geweckt werden.
Erhaltenswertes aus neuerer Zeit
Die Auszeichnung 2024 zeigt auf, dass in Bern nicht allein mittelalterliche Bauten im Fokus stehen. So etwa das markante Hotel Metropol am Waisenhausplatz von 1877, bei dem im Zuge einer Gesamtsanierung 2019–2022 viele wertvermindernde Eingriffe früherer Jahre zumindest teilweise rückgängig gemacht werden konnten. Herzstück ist dabei das sorgfältig instand gestellte bauzeitliche Haupttreppenhaus. Der Aufzug, der um 1960 in das Treppenauge eingebaut wurde, ist nun entfernt und eine an die bestehende Treppe angefügte bauliche Ergänzung erschliesst die Dachgeschosse und sichert den Zugang zur Dachterrasse.
Bemerkenswert ist zudem eine Häusergruppe am Bärenplatz, die auf die Mitte des 16. Jahrhundert zurückgeht. Die Bauten haben im 19. und 20. Jahrhundert tiefgreifende bauliche Veränderungen erhalten. Das Haus am Bärenplatz 9 wurde 1930 –1933 durch Architekt Franz Trachsel im Stil einer integrativen Moderne neu erstellt und zeigt eine gerasterte Fassade. Die Häuser am Bärenplatz 11 und 27 stammen in ihrer Substanz aus dem 16. Jahrhundert. Ihre Fassaden zum Bärenplatz sind das Ergebnis einer architektonischen Zusammenlegung, vorgenommen 1922 bis 1923 durch die Architekten Otto Lutsdorf und Ludwig Mathys.
Die gut belegte Baugeschichte der drei Liegenschaften zeigt sich auch in ihrer Innenausstattung. Bemerkenswert ist der Fund des sogenannten «Stammbaumzimmers» am Bärenplatz 27. Der Raum mit der wandfüllenden Malerei eines Familienstammbaums verrät viel über die Personen, die vor über 300 Jahren hier gewohnt haben. Die denkmalgerechte Sanierung der drei Liegenschaften mit mehreren hundert Zimmern bedingte eine systematische Bauuntersuchung und eine intensive Vorplanung. Das Architekturbüro hat im Austausch mit der Denkmalpflege ein zustands- und objektgebundenes Vorgehenskonzept ausgearbeitet. Dank der sorgfältigen Sanierung liesen sich die wertvollen Zeugnisse für die Nachwelt sichern.
Die sieben Auszeichnungen
Mit der diesjährigen Vergabe des Dr. Jost Hartmann-Preises zeichnete die Stadt Bern folgende Preistragende aus:
Spörri Graf Partner | APP AG, Architekturbüro, für das ausserordentlich grosse Engagement bei der Gesamtsanierung der Liegenschaften Bärenplatz 9, 11 und 27. Besonders gewürdigt wird der Erhalt historischer Raumausstattung und die konsequente Wiederverwendung originaler Bauteile im Objekt.
Meier Valentin Architektur, Architekturbüro, für die wache Suche nach der architektonisch und restauratorisch passenden Lösung und die sorgfältige Planung der Sanierung und des Umbaus des Altstadthauses an der Gerechtigkeitsgasse 21.
Thomas Läderach, Bauherrschaft, für das ausserordentliche Engagement beim Umbau und der Sanierung des Gebäudes an der Gerechtigkeitsgasse 21, insbesondere für den sorgfältigen Umgang und der Wiederherstellung des bauzeitlichen Interieurs.
Andreas Maeschi, Architekturbüro, für den grossen persönlichen Einsatz bei der Sanierung des Altstadthauses an der Kramgasse 21. Dank den zurückhaltenden und gezielt eingesetzten architektonischen Eingriffen kommt der kulturhistorische und baukünstlerische Wert des Gebäudes wieder zum Ausdruck.
gsj Architekten AG, Architekturbüro, für die herausragende Gesamtsanierung des Ensembles Volksschule Matte an der Schifflaube 1, 3, und 6. Die aktuellen Ansprüche des Schulbetriebs und die gleichzeitigen Anpassungen an das aktuelle Normwesen konnten dank grossem Fachwissen und sorgfältiger Planung erfüllt werden. Die historischen Bauten sind mit der Inwertsetzung der bauzeitlichen Ausstattung wieder erlebbar gemacht worden.
Campanile & Michetti, Architekturbüro, für die beispielhafte Gesamtsanierung der Eckliegenschaften Bim Zytglogge 5/Theaterplatz 1. Das Gebäude ist dank der sorgfältigen Analyse der ursprünglichen Gebäudestruktur und der Wiedergewinnung eines Grossteils der Raumausstattung als authentische Altstadtliegenschaft von besonderer architekturgeschichtlicher Bedeutung erlebbar. Gleichzeitig konnte eine der ältesten Apotheken Berns und deren historische Einrichtung erhalten werden.
Burckhardt Architektur AG Bern, Architekturbüro, für die Gesamtsanierung der Eckliegenschaft an der Zeughausgasse 26/28 (Waisenhausplatz). Die sorgfältige Planung und das Engagement der Architekten ermöglichte es, die prägenden Elemente des historischen Gebäudes wieder erlebbar zu machen. Die Wiederherstellung mir der architektonisch sensiblen und klugen Erweiterung des repräsentativen zentralen Treppenhauses verdient eine besondere Würdigung
Eine Publikation zum Dr. Jost Hartmann-Preis 2024 erscheint nebst einer kleinen Auflage gedruckter Exemplare als E-Paper.
Dr. Jost Hartmann-Preis seit 1988
In den 1980er-Jahren vermachte der Jurist Jost Bernhard Robert Hartmann (1915–1986) der Stadt Bern einen Teil seines Vermögens mit der Auflage, «eine Stiftung zu errichten, aus der jeweils die am besten renovierten Häuser in der Altstadt von Bern prämiert werden». Für die Stadt Bern kam dieses Erbe gerade zur richtigen Zeit: Die städtische Denkmalpflege war erst wenige Jahre zuvor geschaffen worden und die Aufnahme der Altstadt ins UNESCO-Weltkulturerbe 1983 ebenfalls ganz frisch. Auch die Inventarisierung der Aussenquartiere begann zu jener Zeit. Mit diesem neuen Preis bot sich ein Anreiz für Bauherrschaften und Personen aus der Baubranche, sich für den Erhalt und die Instandstellung der Berner Altstadt einzusetzen.
Für die inhaltliche Ausrichtung stand der Hessische Denkmalschutzpreis Pate, der bereits seit wenigen Jahren bestand. Im Fokus stand dabei die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das «Weltkulturerbe Altstadt als Gesamtheit», also nicht allein der Erhalt der äusseren Erscheinung der Häuser. Ebenso wesentlich war die innere Bausubstanz und die Ausstattung. Dazu kam – als neuer Aspekt – der Erhalt von Nutzungsstrukturen.
Die erste Preisverleihung fand 1988 statt. Erstmals wurden 15 Preistragende mit einem Geldpreis und einer Urkunde gewürdigt. Seither prüft die städtische Denkmalpflegekommission alle zwei Jahre die Eingaben und besichtigt die Objekte. Die 1988 vom damaligen Stadtpräsidenten Werner Bircher geäusserte Hoffnung, mit dem Preis «dem alten Vorurteil entgegenzuwirken, Bern sei eine reine Fassadenstadt» hat sich mittlerweile erfüllt. Die Eingaben zeigen immer wieder aufs Neue, wie vielschichtig und wie reich an wertvoller Bausubstanz die Berner Altstadt ist.