Justus Dahinden: emotionale Konstruktionen
Editorial TEC21 3/2020
Zuerst hat ein verlassenes Feriendorf im seeländischen Twannberg unsere Neugier geweckt. Der 1980 entstandene inklusive Freizeitort, der seinerzeit auch prämiert wurde, erscheint immer noch modern. Warum steht er leer? Wir konnten nichts über die Pläne zum zukünftigen Umgang damit ausfindig machen und begaben uns auf die Suche nach dem heutigen Zustand weiterer Bauten des Zürcher Architekten Justus Dahinden, der in diesem Jahr seinen 95. Geburtstag feiert.
Dabei stiessen wir auf ein umfassendes Werk an Kirchen, Freizeitbauten und Büro- und Wohnanlagen. Seine rationalen, zugleich provokanten Denkexperimente bilden einen eigenen Komplex. Wie einige seiner Zeitgenossen beschäftigen ihn Überlegungen zum freieren Einsatz von Geometrien, neuen Materialien und Nutzungen – berühmt wurde das «Schwabylon» in München, eine stufenpyramidenförmige Freizeitstadt, aussen mit einer aufgehenden Sonne bemalt und mit einer Diskothek in einem Haifischtank im Innern.
Dahindens planerische Absicht, durch Architektur einen gesellschaftlichen Wandel anzuregen, liegt seinen Bauten zugrunde. Darüber hinaus aber zeichnet die vier ganz unterschiedlichen Häuser, die wir besucht haben – eine Tessiner Ferienhaussiedlung, die ikonische Pyramide am Zürcher Seeufer, ein legendäres Restaurant und eine Kirche – eine berührende räumliche Atmosphäre aus. Die in seinen Schriften erwähnte spirituelle Ebene kann man belächeln und als Zeitgeist abtun. Möglicherweise ist sie aber doch in die Architekturen eingeflossen. Für Überlegungen zu alternativen Gemeinschaftsbauten, denen sich unsere Gesellschaft vermehrt zuwendet, ein anregender Kosmos.
Weitere Infos zu dieser Ausgabe finden sich hier.