Ort­be­ton wie­der­ver­wen­den

Das SBB-Areal «Werkstadt Zürich» in Altstetten ist ein Experimentierfeld. Neben der soziokulturellen Umstrukturierung von einer Reparaturwerkstatt zu einem öffentlichen Stadtbaustein für Zürich wird hier auch an verschiedenen Möglichkeiten der zirkulären Bauwirtschaft getüftelt. Der neuste Clou ist die Wiederverwendung von Betonblöcken aus Abbruchbaustellen.

Publikationsdatum
26-12-2023

Die Problematik des hohen CO2-Ausstosses in der Bauindustrie ist mittlerweile bekannt und auch, dass der Ressourcenverbrauch und die Produktion von Bauschutt in der Schweiz kontinuierlich zunehmen. Eine Idee, diesen Trend umzukehren, besteht darin, Beton von Abbruchbaustellen nicht zuerst zu zerkleinern und als Zuschlagstoff für neuen Beton zu verwenden, sondern ganze Betonplatten zu entnehmen und an einem anderen Ort wieder einzubauen. Auf dem SBB-Areal «Werkstadt» in Zürich Altstetten im denkmalgeschützten Gebäude A hat das Generalplanungsbüro baubüro in situ gemeinsam mit den Fachplanenden von Zirkular diese Idee nun umgesetzt.

Ursprünglich planten die Projektleitenden, die Stützenfundamente aus Recyclingbeton herzustellen, sprich mit wiederverwendeten Zuschlagsmaterialien und CO2-optimiertem Zement. Damit können heute im Vergleich zu konventionellen Verfahren jedoch lediglich 10 Prozent CO2 und etwas Kies eingespart werden. Eine Wiederverwendung von Abbruchbauteilen ohne Wert- bzw. Materialverlust gibt es in der heutigen Baupraxis noch nicht. Darauf zielte das Experiment ab.

In der Ausführung entschieden sich die Projektleitenden für die Setzung von zwei Blöcken (je 120 x 80 x 30 cm) für jeweils zwei Stützenfundamente. Die Blöcke sind in Achsrichtung der Horizontalkräfte der schrägen Stützen kraftschlüssig miteinander verbunden. Die Verbindung erfolgt durch Verguss der Zwischenräume mit Recyclingbeton und eingeklebten Anschlusseisen.

Das Team des Bauingenieurbüros Flückiger + Bosshard berechnete die notwendigen technischen Parameter der Betonteile. Die Suche nach geeignetem Ausgangsmaterial stellte eine besondere Herausforderung dar. Die geforderte Dimensionierung, Mindestbewehrung, Betonüberdeckung der Armierung und Elementdicke schränkten die in Frage kommenden Elemente stark ein. Schliesslich diente die Decke eines Umbaus für eine Versicherung in Winterthur als Materialmine.

Der Aufwand für den Ausbau und für den Transport entsprach dem einer konventionellen Betonentsorgung. Die Blöcke hätten nämlich sowieso als solche ausgeschnitten werden müssen. Die Lagerung erfolgte auf der Baustelle, wo auch Zuschnitt und  Aufbereitung durchgeführt werden. Der Einbau vor Ort dauerte pro Betonblock dann lediglich zwei Stunden mit je zwei bis drei Bauarbeitenden, war aber knifflig aufgrund der engen Platzverhältnisse und der fehlenden Erfahrungswerte.

Da im gegebenen Zeitrahmen nicht genügend Re-Use-Betonfundamente gefunden werden konnten, ertüchtigten die Ausführenden zwei der 16 Stützen mit neuen Ortbetonfundamenten. Dies ermöglichte einen direkten Vergleich der beiden Anwendungsbeispiele in Sachen CO2-Bilanz, Ressourcenverbrauch, Planungs- und Zeitaufwand sowie Kosten. Bei den Re-Use-Fundamenten sticht insbesondere die Einsparung an Armierungsstahl heraus. Auch die verbrauchte Betonmenge ist geringer. Jedoch ist der Verbrauch des Magerbetons etwas höher. Grund dafür ist die grössere Grube. Auffallend sind die höheren Beschaffungs-, Lieferungs- und Beförderungskosten der Re-Use-Fundamente, die in der Schlussabrechnung mehr als die Hälfte der Gesamtsumme betrugen. Auch im Vergleich zu den Ortbetonfundamenten sind sie fast fünf Mal teurer.

Es war von Anfang an klar, dass die Kosten für den Versuch höher liegen als bei einer konventionellen Ausführung. Mit mehr Erfahrungswerten entwickelt sich die Technik und Umsetzung weiter und für zukünftige Projekte besteht hinsichtlich der Kosten ein hohes Optimierungspotenzial. Auch der Ausbau des Netzwerks von Unternehmungen, die sich mit dem Bauen mit wiederverwendeten Elementen auskennen, ermöglicht eine schnellere, effizientere und kostengünstigere Realisierung vergleichbarer Projekte. Beim konventionellen Bauen spiegeln sich viele Parameter im Preis nicht wider. Ein vergleichbares konventionelles Fundament für etwa 300 Franken blendet zum Beispiel die anfallenden rund 250 kg CO2-Äquivalente und 2 Tonnen neu ausgebeutete Rohstoffe aus.

In einem Best-Case-Szenario können durch die Wiederverwendung von Betonelementen bis zu 50 Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden. Die Projektleitenden haben mit dem Experiment ihr Ziel erreicht und aufgezeigt, dass sich Re-Use-Betonelemente als statische Bauteile problemlos einsetzen lassen und eine ökologischere Alternative darstellen. Und mit jedem geglückten Projekt steigt der Enthusiasmus für mehr Wiederverwendung in der Baubranche.

Areal Werkstadt Zürich, Gebäude A, Teil «Lager»

 

Auftraggeberin, Grundeigentümerin
SBB Immobilien, Zürich

 

Generalplanung, Architektur, Redaktion
Baubüro in situ, Zürich

 

Tragkonstruktion
Flückiger + Bosshard, Zürich

 

Baumeisterarbeiten
BWT Bau, Zürich

 

CO2-Bilanzierung
Zirkular, Basel

 

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