Damit die Natur wieder Einzug halten kann
Eine funktionierende ökologische Infrastruktur ist wichtig für die Biodiversität und den Kampf gegen den Klimawandel. Doch wie sieht ein solches Netzwerk aus und wie kann es gefördert werden? Beispiele aus dem Kanton Aargau weisen in die richtige Richtung.
Die Schweiz braucht rasch deutlich mehr, grössere und vernetzte Gebiete, in denen die Biodiversität – unsere Lebensgrundlage – Vorrang hat. Eine sogenannte «ökologische Infrastruktur» hilft, den Artenrückgang zu stoppen und die Widerstandsfähigkeit der Biodiversität gegenüber dem Klimawandel zu erhöhen.
Die ökologische Infrastruktur ist ein landesweites Netzwerk von Flächen wie Mooren, Gewässern, Trockenwiesen, lichten Wäldern, unberührten Flächen in den Alpen und besonders naturnahen Gebieten im Siedlungsraum. Sie wird auf nationaler, kantonaler und lokaler Ebene geplant und umgesetzt. Der Nutzen einer funktionierenden ökologischen Infrastruktur ist vielfältig: Zu ihren Ökosystemleistungen gehören Hochwasser- und Erosionsschutz, Trinkwasserbereitstellung, CO2-Speicherung, Schutz vor Naturgefahren und Stadtkühlung, um nur einige zu nennen.
Der gesetzliche Auftrag zur Umsetzung einer ökologischen Infrastruktur leitet sich aus dem Natur- und Heimatschutzgesetz ab. Demnach sind Kantone und Gemeinden dazu verpflichtet, in intensiv genutzten Regionen für den ökologischen Ausgleich zu sorgen und die Vernetzung zu fördern. Bei der Planung der kommunalen ökologischen Infrastruktur empfiehlt es sich, in einem ersten Schritt den Zustand der verschiedenen Lebensräume zu erfassen. Dazu ist ein Blick in das Natur- und Landschaftsinventar hilfreich.
Idealerweise wird im Rahmen der Revision der Bau- und Nutzungsordnung (BNO) die Schutzlegung von Gebieten und Objekten überprüft. Gestützt darauf kann die Planung neuer notwendiger Trittsteine und Vernetzungsachsen in Angriff genommen werden. Damit diese langfristig gesichert sind, hilft die Integration in kommunale Planungsinstrumente und -programme wie das räumliche Entwicklungsleitbild, die Vernetzungsplanung Landwirtschaft, die kommunale Richtplanung sowie den Bauzonen- und Kulturlandplan.
Ein kürzlich im Naturama in Aarau durchgeführtes Gemeindeseminar zeigte auf, dass für die Planung von Massnahmen und die Umsetzung einer wirkungsvollen ökologischen Infrastruktur verschiedene Akteure an Bord geholt werden sollten, etwa Förster, Naturschutzvereine, Imker oder Landwirte.
Pilotprojekt im Jurapark Aargau
Bestehende Projekte zeigen, wie die ökologische Infrastruktur und damit die Biodiversität gefördert werden kann. In den 31 Dörfern des regionalen Naturparks «Jurapark Aargau» beispielsweise ist die ökologische Infrastruktur seit 2016 ein Thema, denn die Parkgemeinden sind Teil eines Pilotprojekts.
Anja Trachsel, Projektleiterin Natur und Landschaft beim Jurapark Aargau, rät dazu, Synergien zu nutzen, sich zu vernetzen und nicht an den Gemeindegrenzen haltzumachen. Begonnen werden kann bereits im Kleinen: Im Siedlungsraum können Privatgrundstücke und Firmenareale ökologisch wertvoll gestaltet werden, Einwohner- und Ortsbürgergemeinden haben die Möglichkeit, ihr eigenes Land aufzuwerten.
Wichtig ist die Kommunikation mit der Bevölkerung, um den Mehrwert einer funktionierenden ökologischen Infrastruktur zu vermitteln. Dies bestätigt der Umweltingenieur Philipp Schuppli, der von der kleinen Gemeinde Mandach im Jurapark Aargau den Auftrag erhielt, die Biodiversität ausserhalb der Schutzgebiete sowie das Dorfbild aufzuwerten.
Gemeinsam mit seiner Firma apiaster sowie mit Bürgern, Landwirtinnen und Privaten pflegte er – als erste Massnahme – alte Hecken, legte erlebbare Weiher an, pflanzte Bäume und Gehölze. Dies förderte die Motivation und das Verständnis der Bevölkerung. Das ist wichtig, denn diese entscheidet über die Massnahmen auf ihren Flächen und muss an der Gemeindeversammlung die Kosten für die Machbarkeitsstudie bewilligen.
Neben der Unterstützung des Kantons zur Förderung seltener Zielarten und Landschaftswerte finanzieren unter anderem die Binding-Stiftung, der naturemade star-Fonds der EWZ, der Fonds Landschaft Schweiz, die Paul-Schiller-Stiftung und der Alpiq-Ökofonds das bisher 1.5 Millionen Franken teure Projekt. Bisher wurden in Mandach mit 15 Partnern auf 21 ha 27 Pioniergewässer angelegt, Trockenmauern saniert, neue Hecken in der Länge von 1.2 km gepflanzt und 38 Feldbäume gesetzt. Das Projekt läuft voraussichtlich bis 2028.
Fokus setzen
Einen anderen Zugang wählte die Landschaftsarchitektin Beatrice Beer: Sie erarbeitete im Rahmen ihrer Bachelorarbeit eine konkrete Herangehensweise einer Fachplanung ökologischer Infrastruktur in ihrem Wohnort Wohlen AG.
Nachdem sie sich einen Überblick über die hochwertigen Lebensräume verschafft hatte, setzte sie Schwerpunkte und plante gezielt Massnahmen. Um herauszufinden, welche ökologisch wertvollen Lebensräume wo vorhanden sind, nutzte sie die GIS-Daten zur ökologischen Infrastruktur von InfoSpecies. Bei info fauna griff sie auf die Fundmeldungen der letzten zehn Jahre zu ausgewählten bedrohten Tierarten zurück.
Beatrice Beer nahm sechs Lebensräume unter die Lupe, die gemäss der Studie des Bundes in Wohlen den grössten Aufwertungsbedarf aufweisen. In einem weiteren Schritt widmete sich die Landschaftsarchitektin je zwei gefährdeten Arten pro Lebensraum wie dem Feldhasen und dem Mauswiesel. Dann erstellte sie einen Massnahmenplan mit Aufwertungen und Neuerstellung von Teichen, Pufferstreifen und Hecken, damit sich die Tiere vernetzen können.
Die Beispiele aus Wohlen, Mandach und dem Jurapark Aargau zeigen, wie die ökologische Infrastruktur gestärkt werden kann. Doch das Potenzial, die lebensnotwendige Biodiversität in der Schweiz zu fördern, ist alles andere als ausgeschöpft.