«Durch die Verfahrensbegleitung vertreten wir die Ansprüche unserer Generation»
Im Gespräch mit Kai Saager
Bei Konkurrenzverfahren nimmt die Verfahrensbegleitung eine Schlüsselrolle ein, bleibt aber oft im Hintergrund. Dabei stellt sie durch das Programm und die Zusammensetzung der Jury oder des Beurteilungsgremiums die Weichen für ein erfolgreiches Endresultat. Ein Gespräch gibt Einblick hinter die Kulissen.
Herr Saager, das Architekturbüro Tschudin Urech Bolt hat das Verfahren zum Mehrzweckgebäude der Schulanlage Dorf in Frick begleitet. Sie sind ein junges Büro – wie kam es dazu?
Tschudin Urech Bolt wurde 1986 gegründet und ist im Kanton Aargau gut verankert. Das Büro begleitete in erster Linie die Verfahren von Gemeinden. Seit 2022 führen wir das Büro in zweiter Generation, verstehen uns aber als neues, eigenständiges Unternehmen. Wir bekamen weiterhin Anfragen und nahmen uns der Aufgabe aktiv an.
Wie hat sich die Art und Weise der Verfahrensbegleitung durch den Generationenwechsel verändert?
Das Büro führte für die Auftraggebenden zumeist Planerwahlverfahren durch. Eine schlanke Lösung für Gemeinden, die über limitierte Ressourcen verfügen. Die Gestaltung war oft zweitrangig und die Verfahrensbegleitung fand sich eher in der Rolle des Bauherrenvertreters wieder. Auch unsere ersten Verfahren, die wir durch die Nachfolge übernommen haben, wurden mittels Planerwahlverfahren entschieden. Die Verfahrensqualität im Kanton Aargau, wie auch in den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Land, die zur gleichen BWA-Gruppe (Beobachter für Wettbewerbe und Ausschreibungen) gehören, ist schlecht: Im letzten Jahr vergab die Sektion Nordwestschweiz keinen einzigen grünen Smiley. Eine traurige Bilanz. Und gleichzeitig ein Ansporn für uns. Als wir die Verfahrensbegleitung für das Mehrzweckgebäude mit mehr Schulraum in Frick annahmen, war klar: Hier wollen wir ein vernünftiges, lösungsorientiertes Verfahren durchführen.
Ihr Ziel war ein regelkonformes Verfahren nach SIA. Ein Lernprozess für Sie als Verfahrensbegleitung, aber auch für die Auftraggeberin. Wie konnten Sie Ihr Vorhaben umsetzen?
Wir konnten die Gemeinde Frick von der Wichtigkeit eines zertifizierten Verfahrens überzeugen und haben das Programm beim SIA zur Prüfung eingereicht. Ein konformes Verfahren ist zeitaufwendig – das muss sich eine Gemeinde auch leisten können. Und doch bekamen wir von der Ausloberin die nötige Rückendeckung, um ein «sauberes» Verfahren durchführen zu können.
Das Konkurrenzverfahren war als Studienauftrag ausgeschrieben; die Aufgabe war aber eher übersichtlich. Wieso hat die Gemeinde keinen Projektwettbewerb durchgeführt?
Für den Bau kamen zwei, drei Standorte infrage. Auch durch die vorgehende Machbarkeitsstudie konnte keine Einigung erreicht werden. Somit hat der offene Standortentscheid ein Dialogverfahren bedingt. Im ersten Zwischenschritt war die Standortwahl frei, der Ort wurde erst nach der Zwischenbesprechung festgelegt. Grundsätzlich war der Standort aber offensichtlich und hätte im Vorfeld definiert werden können. Unter diesen Bedingungen wäre ein Projektwettbewerb möglich gewesen. Ein Verfahren nach SIA 142 sehen viele Gemeinden als Risiko an. Im Dialogverfahren steht die Auftraggeberin im direkten Austausch mit den Teilnehmenden, was ihr grösseren Einfluss auf das Resultat und die Kostenkontrolle zusichert.
Lesen Sie mehr zum Wettbewerb Neubau Mehrzweckgebäude der Schulanlage Dorf in Frick.
Wie gehen Sie nach der Präqualifikation bei der Auswahl der Teams vor?
Anstatt die Teams zur Beurteilung unter dem Beurteilungsgremium aufzuteilen, haben wir uns für dieses Verfahren eine Strategie überlegt, die eine neutrale Prüfung garantiert: Wir teilten die Gremienmitglieder gemischt in drei Gruppen auf und liessen sie die Teams in einer Rochade und unabhängig voneinander bewerten.
Im Rahmen der Schulraumplanung (2022) wurde die bestehende Mehrzweckhalle überprüft. Die Bausubstanz war funktionstüchtig, die Haustechnik und Oberflächen aber in schlechtem Zustand. Die Studie empfahl daher einen Ersatzneubau. Im Studienauftrag durften die Teams dagegen weiter mit dem Bestand arbeiten – wieso?
Die Studie wurde mit einer heute veralteten Haltung zum Umgang mit dem Bestand durchgeführt. Wenn die Bausubstanz in Ordnung ist, sollte heute mit dem Bestand gearbeitet werden. Dies war auch bei der Mehrzweckhalle der Fall und wurde im Prozess von vielen Fachleuten kritisiert. In der Fragebeantwortung – also in letzter Minute – konnten wir die Gemeinde davon überzeugen, die Aufgabe zu überdenken. Zu unserem Bedauern hat kein Team konsequent mit dem Bestand gearbeitet. Gewonnen hat aber am Ende ein Projekt, das einen cleveren Umgang mit dem bestehenden Untergeschoss gefunden hat und dieses weiter nutzt.
Als Verfahrensbegleitung stellen Sie das Beurteilungsgremium zusammen. Was war Ihnen wichtig?
Die Jury wird immer dem Wettbewerb respektive das Beurteilungsgremium dem Studienauftrag entsprechend zusammengesetzt und repräsentiert bis zu einem gewissen Grad auch ein gewünschtes Resultat. Neben den nötigen Fachgebieten wie Architektur, Ingenieurbau und Landschaftsarchitektur war es im Fall des Mehrzweckgebäudes essenziell, Fachpersonen einzubinden, für die Sanierungen einen wichtigen Stellenwert haben. Wer einen Neubau provozieren will, wählt entsprechend auf Ersatzneubau spezialisierte Fachleute. Das Beurteilungsgremium sollte hier nicht nur renommierte Namen enthalten, sondern auch hinsichtlich Geschlecht ausgewogen sein. Weiter sollte der Nachwuchs nicht nur als Team vertreten, sondern auch aktiv bei der Beurteilung dabei sein. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass eine junge Architektin als Ersatz teilnehmen und Einblick in das Geschehen nehmen konnte.
Die Verfahrensbegleitung spielt eher eine unsichtbare Rolle, und doch legt sie mit dem Programm das Fundament für ein erfolgreiches Resultat. Auf welchen Beitrag sind Sie bei diesem Konkurrenzverfahren besonders stolz?
Durch die Verfahrensbegleitung haben wir die Möglichkeit, einen wichtigen Beitrag zur Baukultur zu leisten und gleichzeitig die Ansprüche unserer Generation zu vertreten. Als junges Büro mussten wir uns gegenüber der Gemeinde sicher auch ein Stück weit beweisen. Im Prozess konnten wir aber vermitteln, wie wichtig eine Verfahrensplanung am Puls der Zeit ist. Punkte wie ein Nachwuchsteam, junge Jurymitglieder und auch die Möglichkeit, mit dem Bestand arbeiten zu können, war unser Beitrag für eine neue Bau- und Wettbewerbskultur.