Raum schaf­fen im Schul­haus

Um- und Ausbau des Schulhauses Pestalozzi in Basel sind abgeschlossen. MET Architects aus Basel sanierten den 130-jährigen Bau mit Fingerspitzengefühl, Kenntnisreichtum und Offenheit für unkonventionelle Lösungen.

Publikationsdatum
15-11-2023

Das Pestalozzischulhaus gehört zu einem Schulhausensemble im Basler Quartier St. Johann. Zusammen mit dem 1992 bis 1996 von Diener & Diener Architekten erbauten, die historisierenden Nachbarn kongenial ergänzendem Vogesenschulhaus bildet es die Sekundarschule des Quartiers. Zum Ensemble zählt zudem das St. Johann Schulhaus, das die Primarschule aufnimmt. Das St. Johann Schulhaus und das Schulhaus Pestalozzi entstanden um 1900 und damit vor den grossen Schulbaureformen der 1930er-Jahre, letzteres zwischen 1891 und 1893 als Sekundarschule für Knaben.

Reportage Umbau Schulhaus Pestalozzi
Wenn Architekturmedien über Gebautes berichten, ist die Arbeit meist schon getan. Wir machen es anders und haben Sie immer wieder mit auf die Baustelle des Schulhauses Pestalozzi in Basel genommen. Dieser Artikel bildet den Abschluss der Reihe.

Weiterbauen mit dem Bestand

Mit seiner dunkelroten Sandsteinfassade wirkt das Schulhaus Pestalozzi vom St. Johanns-Park kommend als imposanter Auftakt des Schulensembles. Es steht, wie auch die Primarschule, unter Denkmalschutz und hatte im Laufe der Zeit kaum Umbauten erfahren. 2003 sanierten Diener & Diener Architekten die Innenräume mit grossem Respekt vor dem Bestand und bauten anstelle der an das Treppenhaus anschliessenden Toilette für Lehrpersonen einen Aufzug ein. 2017 führten MET Architects verschiedene Umbauarbeiten, u.a. zur Verbesserung der Erdbebensicherheit durch.

Über den Prozess der Sanierungsarbeiten selbst wurde hier auf espazium.ch ausführlich berichtet. Die Massnahmen sind abgeschlossen, im ausgebauten Dachstuhl finden sich neu für die Schülerinnen und Schüler Textilwerkräume inklusive Lagerflächen, eine Mediathek und Räume für die Tagesstruktur.

Wie saniert und erweitert man ein gut erhaltenes Schulhaus, dessen Architektur ebenso prägend wie robust und auch nach hundert Jahren noch in der ursprünglichen Funktion ausgezeichnet nutzbar ist? Es ging in Basel weder um die Einschreibung einer neuen Nutzung noch um die aufwendige Wiederherstellung eines teilweise zerstörten Bauwerks noch um die Überformung vorhandener Substanz. Der Ansatz von MET Architects ist überzeugend, man könnte ihn pragmatisch nennen. Doch er ist nicht nur das.

Der Bestand als Ausgangspunkt

An der Fassade und in den ersten beiden Geschossen fallen die Eingriffe auf den ersten Blick kaum auf. Bei genauerem Hinsehen freilich und vor allem dann, wenn man den Zustand vor der Sanierung kannte, werden die Massnahmen offensichtlich. Der Deckputz an der Fassade, die Eichenfenster, der Sonnenschutz – sie referenzieren auf den Ursprungszustand und sind doch Teil der Strategie, das Schulhaus an aktuelle Bedürfnisse anzupassen, auch technisch und energetisch. Gleichzeitig sind die Dachflächenfenster erste Hinweise auf das ausgebaute und neu genutzte Geschoss, ebenso wie die ergänzten, nach historischen Zeichnungen rekonstruierten Türmchen mit zwiebelförmigen Helmen, die der Be- und Entlüftung sowie der Nachtauskühlung dienen.

Auch im Inneren sind die Eingriffe in den Klassengeschossen erst auf den zweiten Blick ablesbar. Die räumliche Disposition, die grosszügigen Korridore und Zugänge zu den Klassenzimmern sind erhalten, wobei die Raumaufteilung an aktuelle Unterrichtsmodelle angepasst wurde. So sind pro Geschoss je drei Räume zu einem Lernatelier verbunden. Die eingebauten Akustikpaneele referenzieren mit plastischen Deckenstrukturen historische Säle. In den Fluren sind mit Stoff bezogene Glaswollplatten nicht nur gestaltende Elemente, sie sind gleichzeitig akustisch wirksam und dienen dem Brandschutz.

High-light im Treppenhaus

Am eindrücklichsten zeigt sich das Weiterweben mit dem Bestehenden beim Ausbau des Dachstuhls und der Erweiterung des Treppenhauses in dieses neue Geschoss. Der bestehende Lift wurde ersetzt und führt neu bis ins Dachgeschoss, sein Schacht ist über das Hauptdach verlängert. Aus dem bestehenden repräsentativen Treppenhaus mit seinem kunsteisernen Handlauf entwickeln sich zwei schmalere Betonläufe mit frei kragendem Podest. Die massiven Brüstungen machen den Wechsel vom Bestand zum neuen Element spürbar, gleichzeitig ist durch das Anknüpfen an das bestehende Treppenhaus die Weiterführung selbstverständlich. Die Grosszügigkeit der unteren Geschosse erzielen MET Architects, indem sie das Dachtragwerk sichtbar lassen und damit die Decken weiter nach oben verschieben. Die weiss gestrichenen Balken und Träger der hölzernen Tragstruktur tragen wesentlich zum Raumeindruck bei.

Die Belichtung über die neu eingebauten Dachflächenfenster bringt helles Zenitallicht in den Korridor und die Räume, gleichzeitig lässt der fehlende Ausblick eine sehr konzentrierte und ruhige Atmosphäre entstehen, die den angesiedelten Nutzungen durchaus entsprechen kann. Die verwendeten Materialien verweisen ebenso auf die unteren Geschosse wie die Farben.

Die Wandflächen sind im Brüstungsbereich mit Holz, gestrichen in türkiser Ölfarbe verkleidet, auch Türen, Regale und Arbeitsplatte sind in diesem Farbton gehalten. Zusammen mit den hellen Wandflächen und dem dunklen Parkettboden entsteht ein den Klassenzimmern in den unteren Geschossen vergleichbarer Raumeindruck. Die Korridore hingegen leben auch von den sichtbaren Elementen des Dachstuhls, die ihre eindrücklichste Wirkung im erweiterten Treppenhaus entfalten. Über dem frei kragenden Podest zieht die Struktur den Blick in die Höhe. Der Luftraum inszeniert den Aufstieg in das oberste Geschoss gleichsam und atmet dabei jene Grosszügigkeit, die dem Bestand bereits eigen ist.

Damals gut, heute besser

Das Übersetzen dieser ruhigen und gleichzeitig kraftvollen Raumwirkung in einen ausgebauten Dachstuhl, dessen Raumkonzeption eigenen Rahmenbedingungen folgt ist die grosse Qualität dieser Arbeit. Thomas Thalhofer von MET Architects fasst es so zusammen: «Was uns beeindruckt hat, ist, dass die räumliche Umsetzung der damaligen Anforderungen an ein Schulhaus auch heute, nach mehr als einem Jahrhundert, immer noch Gültigkeit besitzt. Trotz sich wandelnder Technik und vor allem pädagogischer Vorstellungen. Mit der Gesamtsanierung und dem Dachgeschossausbau möchten wir, dass dies auch für die kommenden Jahrzehnte so bleibt.»

Hier gehts zum ganzen e-Dossier.

Das Schulensemble in St. Johann


Die beide repräsentativen Bauten wurden nach Plänen des damaligen Basler Kantonsbaumeister Heinrich Reese (1843–1919) errichtet und machen den Bildungsanspruch und damit die Bedeutung, die dem Unterricht dieser Zeit beigemessen wurde, sichtbar. Damals entstanden in Basel eine Reihe von Schulbauten in Aussenquartieren wie St. Johann für die Kinder von Arbeiterinnen und Arbeitern. Charakteristisch sind die grossen, streng symmetrisch angebrachten Fenster, die eine gute Belichtung der breiten Flure und grossen Klassenräume ermöglichen und den neuesten Erkenntnissen im Schulhausbau entsprachen.

 

Während die Primarschule St. Johann mit mittig positioniertem Eingang und an den beiden Kopfenden gelegenen Treppenhäusern zum vorgelagerten Pausenplatz und dem anschliessenden Tschudi-Park ausgerichtet ist, orientiert sich das Schulhaus Pestalozzi mit seinem Hauptzugang und dem mittig angeordneten Treppenhaus auf die St. Johanns Parkanlage und den Rhein. Das Vogesenschulhaus schliesst das Ensemble, das einen offenen Blockrand bildet, zum St. Johanns-Ring. Die drei Schulhausbauten umfassen einen Hof, der sich nach Südwesten öffnet.

 

Unter dem Hof befindet sich die 1980 ergänzte Schwimm- und Turnhalle von Gass & Hafner Architekten, darüber liegt ein Pausenplatz, den MET Architects 2019 um überdachte Tribünen ergänzten. Dies war nicht der erste Auftrag für das Büro an diesem Standort. MET Architects verbindet eine längere Geschichte mit dem Schulhausensemble. Sie hatten zuvor bereits die Primarschule St. Johann saniert. Und dies war nicht die erste Arbeit mit und an einer bestehenden Schulanlage. Das Büro hat bereits sieben Schulanlagen in Basel instandgesetzt und ist daher erfahren im Umgang mit Bestandsbauten.

Schulhaus Pestalozzi – Dachgeschossausbau und Fassadensanierung

 

Eigentümerin
Einwohnergemeinde der Stadt Basel
 

Eigentümerinnenvertretung
Immobilien Basel-Stadt


Nutzerin
Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt

 

Generalplanung, Architektur
MET Architects, Basel

 

Baumanagement, Bauleitung
Rapp Architekten AG,  Münchenstein

 

Tragkonstruktion
wh-p Ingenieure AG, Basel

Elektroplanung
Eplan AG, Reinach

HL-Technik
herrmann & partner Energietechnik, Basel

Kanalisation, Sanitärtechnik
Bogenschütz AG, Basel

Bauphysik
Gruner AG,  Basel

Brandschutz
Aegerter & Bosshardt AG, Basel

 

Akustik
Martin Lienhard, Langenbruck

 

Gerüstarbeiten
Teupe Gerüstbau AG, Sursee

 

Baumeisterarbeiten
ERNE AG, Basel

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