Um die Ecke ge­dacht

Neubau Bürogebäude Botnar Research Centre for Child Health, Basel

Auf einer Parzelle mit kleiner Grundfläche soll ein Bürogebäude für das Botnar Research Centre for Child Health, Basel, entstehen. Guerra Clauss Garin Architekten gewannen den dazu ausgeschriebenen Projektwettbewerb mit einem kreislauffähigen Ansatz.

Publikationsdatum
28-04-2022

Die 2004 in Basel gegründete Stiftung Fondation Botnar hat sich zum Ziel gesetzt, das Wohlergehen und die Gesundheit von jungen Menschen und Kindern weltweit zu verbessern. Unter dem Einsatz von künstlicher Intelligenz und digitalen Technologien sollen Methoden und Instrumente entwickelt werden, die sowohl kostengünstig als auch in Entwicklungsländern anwendungsfähig sind. Hierfür plant der Kanton Basel-Stadt ein neues Gebäude mit Forschungs- und Büroarbeitsplätzen anstelle eines bestehenden Wohn- und Gewerbegebäudes an der Ecke Spitalstrasse/Schanzenstrasse. Er wird es später an das Forschungsinstitut für Kin­der- und Jugendgesundheit Botnar Research Centre for Child Health (BRCCH) vermieten.

Anonymer, einstufiger Projektwett­bewerb im offenen Verfahren

Die Forschung des BRCCH wird durch Beiträge der in Basel beheimateten philanthropischen Fondation Botnar finanziert und von der Universität Basel sowie der ETH Zürich getragen. Der Standort in der Nähe zum Campus der Universität und zum Universitäts-Kinderspital beider Basel ist demnach nicht zufällig – das Zentrum forscht eng mit diesen Partnerinstitutionen zu­sammen und wird rund 100 Arbeitsplätze bereitstellen.

Für die Bauaufgabe schrieb Immobilien Basel-Stadt letzten Mai einen anonymen Projektwettbewerb im offenen Verfahren gemäss Ordnung SIA 142 aus. Zu­­ge­lassen waren ausschliesslich Ge­neral­planerteams, in denen die Fach­disziplinen Architektur, Tragwerkplanung, HLKK-Planung und Nachhaltigkeit vertreten waren. Von den 48 eingereichten Beiträgen wurden sechs rangiert und das Projekt «R2-D2» des jungen und internationalen Büros Guerra Clauss Garin Architekten aus Basel zur Weiterbearbeitung und Realisierung empfohlen.

Funktionale Schichten auf engem Raum

Auf der kleinen Grundstücksfläche neben einer belebten Strassen­­kreuzung präsentiert sich das Projekt selbstbewusst: Der kompakte, schma­le Baukörper dreht sich von der Strassenflucht ab. Damit setzt der siebengeschossige Neubau ein klares, eigenständiges Zeichen an der Kreuzung, an der die unterschiedlichsten Bauten aufeinandertreffen.

Der Kopfbau ist funktional in zwei Schichten unterteilt:

Ein Massivbau, der vor allem Erschliessungskerne, Steigzonen oder Technik- und Nebenräume aufnimmt, grenzt an die Brandwand des Nachbargebäudes. Zur Spitalstrasse spannt sich eine Stützen-Platten-Konstruktion mit frei teilbaren Innenräumen auf. Diese ­beiden Schichten sind auch kon­struktiv voneinander getrennt. Der kompakte, massive, fast hermetisch geschlossene Baukörper leistet einen wichtigen Beitrag zum Tragwerk. Die Betonwände steifen das Gebäude horizontal aus. Die Trag­struktur der Stützen-Platten-Kon­struktion bildet ein Skelett aus ­Holzstützen und Stahlträgern. Mit der Stahlkonstruktion und der darin eingesetzten Hohlkastenele­mente aus Holz lassen sich grosse Spannweiten überwinden. Dieser Deckenaufbau erfüllt die Anforderungen an die Tragsicherheit, die Gebrauchstauglichkeit, den Brandschutz, die Tritt­schall­däm­mung und die Akustik.

Indem die Versorgungsinfra­struktur in der rückwärtigen Schicht zusammengefasst ist, ist eine hohe Flexibilität in der Einteilung der stützenfreien Nutzflächen gewährleistet, die durch Doppelböden und Brüstungskanäle unterstützt wird. Zusätzlich erreicht die einfache Konstruktion laut Jury ein sehr gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Lowtech-Strategien für die Hightech-Forschung

Doch vor allem ist die innovative Bauweise in einem ökologischen Sinn nachhaltig. Dank der Hybridbauweise mit den Holzhohlkasten-­Deckenelementen sind alle Mate­rialien und Bauteile konsequent trennbar; so kann man sie wiederverwenden und rezyklieren. Sämt­liche Bau­teilverbindungen sind demontierbar: Die Trag­struktur, die Böden und die Fassade sind mit mechanischen Verbindungen geplant, die sich wieder lösen und somit erneut verwenden lassen. Des Weiteren besteht das Gebäude aus modularen und sich wiederholenden Bausystemen. Die Geschosshöhen sind einheitlich, und das Gebäudemass ist ein Vielfaches der Modulabmessungen. Durch diesen Ansatz und einen hohen Grad an vorgefertigten Elementen wird die Bauzeit optimiert und die Lärmbelastung für die Nachbarschaft reduziert. Nebst seiner Kompaktheit verfügt das Gebäude über eine gut ge­dämmte Hülle und einen angemessenen Glas­anteil. All dies ermöglicht es, mit wenigen Anpassungen eine Zertifi­zierung nach dem angestrebten Nachhaltigkeitsstandard (Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz SNBS 2.1 auf Niveau Gold) durchzuführen. So reicht die Dachfläche zwar vermutlich nicht für eine PV-Anlage aus, doch in die Fassade könnten PV-Module integriert werden.

An der Fassade ist der Aufbau des Gebäudes klar ablesbar. Über dem offen gestalteten Sockel, in dem sich die zweigeschossige Eingangshalle befindet, erheben sich die sechs Bürogeschosse. Einen spannungsvollen Abschluss bildet das fliegende Dach auf der Terrasse im Attikageschoss, zusammen mit dem repräsentativen runden Sitzungszimmer. Der trapezförmige Grundriss ermöglicht viele ver­schie­denartige Nutzflächen; ob offene Grossraumbüros oder kleinteilige Zellenstrukturen – der Aufbau lässt eine flexible Aufteilung für künftige Nutzerinnen und Nutzer zu. Und die gut proportionierten Brüstungen aus dunkel gestrichenen Holzwerkstoffplatten und Bändern aus Aluminiumfenstern im regelmässigen Fassadenraster versorgen die Innenräume optimal mit Tageslicht.

Integration in die neue Setzung

Für alle Projektvorschläge galt es, auf den zukünftigen Kontext ein­zugehen, denn für die Parzelle des Neubaus und des angrenzenden Gebäudes ist derzeit eine Zonenplanänderung in Arbeit, die auch die Neusetzung der Bau- und Stras­senlinien betrifft. Da die Schanzenstrasse aufgrund einer neuen Tramlinie als Ersatz für die bestehende Busstrecke verbreitert werden soll, planten alle Projektvorschläge auf der zurückgesetzten Baulinie. Deshalb ist die Brandwand des angrenzenden Blockrands entlang der Schanzenstrasse unbebaut und sichtbar. Überraschend schlägt das Siegerteam vor, das Gebäude von der Schanzenstrasse, neben der Brandwand zu erschliessen. Darin sieht die Jury einen Widerspruch, denn der Strassenraum entlang der Spitalstrasse wäre durch die Aufweitung des Aussenraums besser als Zugang geeignet. Zudem regt die Jury aus funktionalen Gründen und als städtebauliche Geste an, einen gedeckten Eingangsbereich zu gestalten.

Das Siegerprojekt überzeugt durch seine einfache, kostengünstige, flexible und nachhaltige Kon­struk­tion. Im Rahmen des Vorprojekts erfolgt die Nachbearbeitung der Eingangssituation und weiterer Punkte. Dies dauert voraussichtlich bis ins dritte Quartal 2022 an, danach kann mit der Bauprojektphase und Ende 2023 mit der Realisierung begonnen werden. Der Bezug des Gebäudes ist für Sommer 2025 geplant.

Weitere Pläne und Bilder auf competitions.espazium.ch

Rangierung

1. Rang, 1. Preis: «R2-D2»
Guerra Clauss Garin Architekten, Basel; Ferrari Gartmann, Chur; Waldhauser + Hermann, Münchenstein; Drees & Sommer Schweiz, Basel; Beat Anderegg, Pratteln
2. Rang, 2. Preis: «Ivory Tower»
Lovis Architekten, Zürich; MWV Bauingenieure, Baden; Todt Gmür + Partner, Schlieren; Quantum Brandschutz, Basel
3. Rang, 3. Preis: «Neues (H)aus zweiter Hand»
Studio Hammer ARGE Nuno Silva, Rosário Gonçalves, Duarte Brito, Basel; g2y Baumanagement, Basel; Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel; Ingenieurbüro Stefan Graf, Basel; Pro Engineering Basel, Basel; Bad Konzept, Basel; Nova Energie Basel, Basel; Gartenmann Engineering, Basel; Quantum Brandschutz, Basel; Zirkular, Basel; Oxara, Zürich
4. Rang, 4. Preis: «Libero»
Brandenberger Kloter Architekten, Basel; HKP Bauingenieure, Baden; Häusler Ingenieure, Langenthal; El-Tech Engineering, Basel; Alteno, Basel; Buri Bauphysik & Akustik, Volketswil; Makiol Wiederkehr, Beinwil am See
5. Rang, 5. Preis: «Éprouvette»
Zachmann Mackintosh Architekten, Basel; Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel; Ingenieurbüro Stefan Graf, Basel; Lemon Consult, Basel
6. Rang, 6. Preis: «Stein auf Stein»
Kronenberg Lutz, Zürich; Urech Bärtschi Maurer, Zürich; MR Gebäudetechnik, Zürich; Maissen Elektroplanungen, Rapperswil; Bauphysik Jann, Pontresina

Fachjury

Thomas Blanckarts, Leiter Städtebau & Architektur, Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt (Vorsitz); Anne Marie Wagner, Architektin, Basel; Adrian Streich, Architekt, Zürich; Yves Stump, Architekt, Basel

Sachjury

Barbara Rentsch, Geschäftsleiterin Immobilien Basel-Stadt; Sabine Pöpl, Direktion Infrastruktur & Betrieb, Universität Basel; Sabine Schärer, Ressortleiterin Hochbau Städtebau & Architektur, Bau- und Verkehrs­departement des Kantons Basel-Stadt

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