Um­bau im Trans­for­ma­ti­ons­ge­biet

Die Umnutzung des Gondrand-Gebäudes an der Uferstrasse 70 in Basel ist ein erster Meilenstein im langfristig angelegten und von Zwischennutzungen geprägten Transformationsgebiet Klybeckquai. Mit einfachen Mitteln konnten Koechlin Schmidt Architekten die Hallen des ehemaligen Transport- und Logistikdienstleisters für Sport-, Kultur- und Gewerbezwecke umgestalten. 

Publikationsdatum
11-12-2024

Im Norden von Basel erstreckt sich am Ufer des Rheins das 22 ha grosse Transformationsgebiet Klybeckquai/Westquai-Insel. Auf dem Hafen- und Industrieareal soll in den nächsten Jahrzehnten ein durchmischtes Stadtquartier entstehen. In der Zwischenzeit prägen Industriebrachen, die noch intakten Gleisfelder der Hafenbahn sowie ein ausrangierter Kran das Bild. 

Belebt ist vor allem die Brache des einstigen Migrol-Areals, etwa durch das Zwischennutzungsprojekt «Holzpark Klybeck – Raum für Anderes». Hier wurden Kleinbauten im DIY-Stil für Bars und eine Bühne erstellt, aber es sind auch Ateliers und ein Musikpavillon entstanden. Daneben liegt ein riesiges Hochseeschiff auf dem Trockenen, das heute als Kultur- und Veranstaltungsort dient und zu einem beliebten Treffpunkt für Partygänger geworden ist. Auf dem hinteren Teil des Areals hat seit 2013 eine Gruppe von Wagenbewohnern den Platz besetzt, die ihre alternative Lebensform nicht unbedingt als Zwischenlösung versteht.

In direkter Nachbarschaft zu diesen bunt gemischten Nutzungen hat der Kanton nun einen ersten Meilenstein im Sinne einer langfristigen Entwicklung umgesetzt: die Umnutzung des Lagergebäudes des Transport- und Logistikdienstleisters Gondrand an der Uferstrasse 70. Fragmente des Firmennamens leuchten in grossen blauen Lettern auf der gelben Fassade des 2002 erbauten, rund 180 m langen Baukörpers. Dieser gleicht einem gestrandeten Ozeandampfer. 

Der Kanton erwarb das Gebäude vor mehr als zehn Jahren; mit dem Rückzug des Hauptmieters im Jahr 2021 bot sich die Gelegenheit, es mit einfachen Mitteln für ein möglichst vielfältiges Angebot aus den Bereichen Sport, Kultur und Gewerbe umzunutzen. In der Generalplaner-Ausschreibung des Kantons überzeugten Koechlin Schmidt Architekten aus Basel mit ihrem Vorschlag. 

Flexible Umnutzung

Das grosse Volumen eignet sich aufgrund seines Aufbaus und seiner Tragstruktur gut zur Umnutzung. So bilden die zwei Schichten – bestehend aus dem Vorderhaus zur Strasse und dem Hinterhaus zu den Gleisen – zwei unabhängige Gebäudeteile. Im hinteren Gebäudeteil ermöglicht das grosse Stützenraster von rund 11 m grossflächige Nutzungen. Für die Erschliessung der neu autonom nutzbaren Mietflächen musste lediglich eine aussen liegende Fluchttreppe zu den zwei bestehenden Treppen und Warenliften ertüchtigt sowie ein neuer Gang in der Gebäudemitte eingezogen werden. Da dieser sehr lang ist, wurde zwecks natürlicher Belichtung und besserer Orientierung je ein Fenster in die Wand zu den vier bestehenden Innenhöfen eingezogen.

Kalksandstein- oder Gipswände unterteilen die neuen Mieteinheiten. Eine definitive Gestalt des Hauses soll es jedoch nicht geben: Die Raumaufteilung hat provisorischen Charakter mit einer maximalen Flexibilität für die Nutzenden. Die Räume werden zu moderaten Mietpreisen in einem einfachen Grundausbau vermietet und können nach den Bedürfnissen der Mietenden aus- oder umgebaut werden. 

Kreatives Vorderhaus 

Zur Uferstrasse prägen die aneinandergereihten, sägezahnförmigen Anlieferungsöffnungen mit der vorgelagerten neuen Rheinterrasse das Fassadenbild; dort, wo früher Lastwagen andockten, befinden sich heute die Zugänge zu den Ateliers für Kunstschaffende oder Kleingewerbe. Neu eingebaute, verglaste Fenster- und Türfronten auf der Strassenseite belichten die Ateliers und erhalten die Aussicht auf den Rhein. In die Nord- und Südseite der Front wurden zwei neue Haupteingänge integriert. Zum Edelrohbau der Ateliers gehören ein Wasseranschluss, ein Heizkörper, die Elektroverteilung, die Verkleidung der Wände mit Gipskartonplatten sowie der rohe Unterlagsboden, der im Bereich der ehemaligen Anlieferungsöffnungen ergänzt wurde. 

Wie unterschiedlich die Mietenden die Räume ausgestalten, zeigt sich in den bereits bezogenen Einheiten. So hat eine Künstlerin eine Wand weiss gestrichen, um ihre Objekte zu präsentieren, während ein Fotograf gleich mehrere Sicht- und Stellwände in die überhohen Räume einbaute. Im August 2024 ist ein Möbelschreiner eingezogen, weitere Mieter folgen schrittweise. 

In den oberen zwei Geschossen des Vorderhauses können die ehemaligen Büros der Logistikfirma weiterhin als Arbeitsplätze genutzt und für die zukünftigen Mietenden in grössere oder kleinere Einheiten aufgeteilt werden. Die ehemalige Cafeteria mit Terrasse eignet sich für Gastronomie. 

Sportliches Hinterhaus

Auf der Rückseite des Gebäudes, zu den Gleisfeldern hin, wurde die ehemalige Lager- und Logistikhalle in zwei grosse Hallen an den Seiten und eine mittige schmale Halle unterteilt. Letztere ist 9 m hoch und quert als einzige das gesamte Gebäude. Sie öffnet sich mit grossen Fenstern und einer Terrasse zur Uferstrasse und den Gleisen. 

In der grösseren Halle im Norden eröffnet im Herbst 2024 die Union Padel eine Padelhalle mit fünf Spielfeldern. Im schwarz grundierten Innenraum von rund 1`500 m2 entsteht eine nachtgleiche Atmosphäre. Für das Spiel reicht eine massive Wand zum Rückschlag des Balls, die anderen Wände bestehen aus Kunststoffglas. 

Die darüber liegende, rund 6 m hohe Halle wurde in vier grosse Einheiten unterteilt. Zwei davon mietet der Verein Trendsport Basel. Der Indoor-Park für Skateboard-, BMX-, Scooter- und Inline-Begeisterte wird noch in diesem Jahr eröffnet und verfügt über eine Rollfläche von fast 1300 m2. Das Material für den Umbau stammt mehrheitlich aus dem Provisorium des benachbarten ExEsso-Areals und wurde hier wiederverwendet. 

Umbau vor Neubau

Der Kanton verfolgt die Devise «Umbau vor Neubau». So wurden auch im U70 wo möglich Bauteile wiederverwendet oder neue Bauteile wiederverwendbar eingebaut, etwa die aus einem Abbruchobjekt entnommenen Betonbodenplatten für den neuen Terrassenbelag. Die unterschiedlichen Formate zonieren die lang gezogene Fläche und markieren die Hauptzugänge ins Gebäude. Ebenfalls im Sinne der Nachhaltigkeit ist auf dem Dach eine Photovoltaik-Anlage installiert worden. Die Mietenden schliessen sich einem Zusammenschluss zum Eigenverbrauch an. 

Selbst bei der Signaletik orientierte man sich am Vorbild des bestehenden Firmenlogos. So trägt der umgebaute Komplex den Namen des Gebäudes U70 – eine Kurzform von «Uferstrasse 70» – gut sichtbar in Form von Grossbuchstaben an den Eingängen. 

Für die Aussenraumgestaltung möchte der Kanton abwarten, bis ein Grossteil der Einheiten vermietet ist und sich die Bedürfnisse der Mietenden herauskristallisieren. Dies ist für nächstes Jahr vorgesehen. 

Durch die Umnutzungen wird das Gebiet vom Schwerlastverkehr befreit, was die Stimmung auf dem Areal merklich beruhigt. Da die Planung langfristig angelegt ist, lässt sich noch nicht sagen, ob und wie sich das Gondrand-Gebäude in die langfristige Entwicklung und Etappierung des Transformationsgebiets Klybeck/Westquai-Inseln integrieren wird. 

Umnutzung Gondrand-Gebäude, Basel

 

MEILENSTEINE

Projektierung 2022 - 2024
Realisierung 2024

Bezug ab August 2024

 

 

PLANUNGSTEAM

 

Bauherrschaft
Kanton Basel-Stadt  

 

Architektur
Koechlin Schmidt Architekten AG, Basel

 

Bauleitung
Atelier Rickli GmbH, Basel

 

Bauingenieurswesen
Schmidt + Partner Bauingenieure AG, Basel

 

Elektroplanung
Basel Gebäudetechnik AG, Basel

 

Brandschutzplanung
safetyfocus GmbH, Pratteln

 

Bauphysik / Bauakustik
Gartenmann Engineering AG, Basel

Verwandte Beiträge