Dialog zwischen Kreis und Quadrat
Eine Basler Architekturikone wird erweitert: Das Projekt des Gewinnerteams Elemental und Nissen Wentzlaff Studio für den BIZ-Campus kontrastiert in seiner Transparenz und Variabilität mit dem hermetischen und unflexiblen Bestand. Ein organisch geformter Sockel verbindet die Gegensätze.
«Was wäre wenn» ist der Titel der Ausstellung, die bis vor Kurzem im Schweizerischen Architekturmuseum S AM in Basel zu sehen war. Was wäre, wenn einer der Ende 1960er-Jahre entstandenen Entwürfe von Martin H. Burckhardt für die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, kurz BIZ, in Basel realisiert worden wäre? Eine Variante war ein zylindrischer Turm. Gegen diesen erhob die Basler Sektion des Schweizerischen Heimatschutzes Einspruch, da er aufgrund seiner Höhe von 82 m vom rechten Rheinufer über dem Münster zu sehen gewesen wäre. Umgesetzt wurde fast zehn Jahre später ein Gebäude von knapp 70 m Höhe, mit einem ausladenden geschwungenen Sockel, der sich nach oben zu einem zylindrischen Turm verjüngt.
Andreas Kofler, Kurator der Ausstellung im S AM, resümiert zum Projekt: «Die verminderte Höhe des BIZ-Turms wurde in Basel zur urbanen Legende. Gerade im heutigen, zunehmend vertikalen Kontext des Bahnhofs SBB könnte man dem Turm vier weitere Stockwerke gut zumuten.»
Aus damaliger Sicht ist es verwunderlich, dass heute – fast 45 Jahre später – der Wettbewerb zur Erweiterung des BIZ-Areals entschieden wurde, in dem die meisten Beiträge auf das aus einem Kompromiss entstandene Gebäude Bezug nehmen. Oder wie es Andreas Kofler formuliert: «Die damalige Entscheidung hat indirekt zu einem resilienteren architektonischen und städtebaulichen Entwurf geführt, aus dem fast alle am Wettbewerb zur Umgestaltung teilnehmenden Architektinnen und Architekten ihre Entwurfsgeste ableiteten.»
Zuwachs auf dem neuen Campus
Die BIZ ist die älteste internationale Finanzorganisation der Welt. Ihr Hauptsitz ist seit 1930 in Basel.1 Um den steten Zuwachs an Mitarbeitenden zu ermöglichen, lancierte die BIZ 1997 einen Wettbewerb zur Umgestaltung ihres Geländes. Anstelle der Umsetzung des Siegerprojekts von Toyo Ito and Associates entschieden die Verantwortlichen, das Gebäude von Mario Botta am Aeschenplatz zu erwerben.
Doch die Suche nach Erweiterungsmöglichkeiten, die die in Basel tätigen Mitarbeitenden an einem Standort konsolidieren und Synergien nutzen würden, ging weiter: Die anderen Gebäude auf dem Gelände unmittelbar südlich des bestehenden Hochhauses wurden über die Jahre zugekauft und man reichte eine Zonenänderung ein. Der 2015 genehmigte Bebauungsplan ermöglichte nun eine oberirdische Bruttogeschossfläche von insgesamt 68 000 m2.
Im Rahmen der Entwicklung sollen auch die älteren Gebäude entlang der Centralbahn- und Gartenstrasse ersetzt und das Areal zu einem Campus umgestaltet werden. Dabei muss die Einheit aus bestehendem Hochhaus und Neubauprojekt so konzipiert sein, dass es künftigen Anforderungen an globale Treffen von Zentralbankern aus aller Welt und dem möglichen Wachstum der Bank Rechnung trägt.
Um verschiedene Lösungsansätze zu erhalten, schrieb die BIZ im Sommer 2021 einen internationalen Studienauftrag im selektiven Verfahren gemäss der Ordnung SIA 143 aus. Mehr als ein Jahr später wählte die elfköpfige Jury aus den internationalen und prominenten Teams den Entwurf von Alejandro Aravenas Büro Elemental aus Santiago de Chile und Nissen Wentzlaff Studio aus Basel aus. Das Projekt ergänzt den Sockel des bestehenden Turms durch einen organischen Anbau, auf dem ein quadratischer Turm in hybrider Holz-Beton-Struktur einen «eleganten Kontrast» zu dem von Burckhardt entworfenen Gebäude bildet.
Im Jurybericht werden alle Projekte gelobt und ihre Besonderheiten hervorgehoben, es wird aber weder Kritik geübt noch werden Verbesserungsvorschläge gemacht. Der Grund, warum die anderen Entwürfe nicht gewählt wurden, wird nicht genannt. Erst mehr als ein Jahr später zeigen die Veranstaltenden die übrigen Wettbewerbsbeiträge in einer Ausstellung Abgesehen von einem Vorschlag traten alle Entwürfe in Dialog mit der einzigartigen Geometrie des bestehenden Turms: Entweder nahmen die Teams die Form im Sockel auf, kopierten diese im Neubau als Ganzes oder interpretierten sie neu und entwickelten damit eine Art Twin-Tower-Prinzip. Nur das Team um HHF Architekten, Tatiana Bilbao Estudio und Inside/Outside suchte die Nähe zur Natur statt zur Architektur. Ihr Entwurf erweitert die Grünräume und reduziert den Fussabdruck des neuen Gebäudes auf ein Minimum.
Flexible und anpassbare Arbeitsplätze
Der Entwurf des Gewinnerteams sucht auf zwei Ebenen die Einbindung in den städtebaulichen Kontext. So verzahnt sich der neue, sanft geschwungene Sockel auf subtile Weise mit dem Bestand und bildet im Übergang ein zentrales und transparentes Foyer für den neuen Haupteingang. Die runde Formensprache dehnt sich auf den gesamten Block aus und folgt damit nicht den Strassenfluchten, sondern bietet auf der Ost- und Westseite Platz für begrünte Pocket-Parks.
In den oberen Stockwerken reagiert das neue Gebäude auf die rechtwinkligen Türme, die ausserhalb des Campus liegen, wie etwa die geplanten Türme des Nauentors. Der wesentlich höhere, quadratische und hybride Turm mit Glasfassade setzt damit einen Kontrast zur runden Form des Bestands mit seinen umlaufenden Bandfenstern. Der Entwurf wird zum Dialog zwischen kreisförmigem und quadratischem Grundriss, einem geschlossenen und einem offenen Gebäude. Durch die Drehung aus der Achse tritt der obere Teil des neuen Turms zugleich in eine Beziehung mit dem bestehenden BIZ-Turm.
Eine grosszügige Wendeltreppe bildet das Zentrum des Foyers, im verglasten Treppenauge soll ein Baum gepflanzt werden. Im ersten Geschoss ist das Konferenzzentrum vorgesehen. Es liegt erhöht, um den Anforderungen an Sicherheit und Privatsphäre gerecht zu werden, aber dennoch nahe am öffentlichen Zugang und wird über Innenhöfe mit natürlichem Licht versorgt. Die hohen Sicherheitsanforderungen zu erfüllen, war eine Knacknuss: Bei regelmässigen internationalen Meetings und Veranstaltungen tagen Entscheidungsträger der Zentralbanken sowie des Finanz- und Wirtschaftssektors aus der ganzen Welt im Gebäude.
Um die Sitzungszimmer herum folgen die Räume der fliessenden Geometrie des Grundrisses, wobei sich die runden Formen wiederholen. Einschliesslich des Sockelbaus erhebt sich der Turm mit quadratischem Grundriss über 25 Geschosse. Dessen Konstruktion fasst einen äusseren Ring mit einem starren Raster aus Stahlbeton-Stützen und einen inneren, flexiblen Ring als Holzrahmen-Konstruktion. Je zwei beziehungsweise drei Geschosse werden zu einer Gruppe zusammengefasst und von je einer offenen Treppe erschlossen. Die Einheit fördert den Austausch und die Begegnung innerhalb dieser «Nachbarschaft».
Das statische Konzept erlaubt vielfältige Konfigurationen: von geschlossenen, aber transparenten Besprechungsräumen entlang der Fassaden bis hin zu durchgehend offenen Grundrissen. Die Zwischenböden in Holzbauweise in den «Nachbarschafts»-Geschossen, sind so konzipiert, dass der Bereich innerhalb des inneren Rings jederzeit entfernt oder verändert werden kann, ohne Einfluss auf den Rest des Bauwerks oder den Betrieb zu nehmen. Damit können zwei Drittel der Etagen leicht umgestaltet und neu unterteilt werden.
Die Gruppierung der Geschosse ist in der Fassade des Turms über horizontale Betonfertigteile ablesbar. Zugleich fasst die Fassadengestaltung die Sockelgeschosse mit dem oberen Turm zu einer Einheit zusammen. Dazu tragen die naturbezogenen Säulen als äussere Trägerstruktur bei: Gleich einem Wald reihen sich dickere und dünnere Säulen aneinander. Die Betonfertigteile sind thermisch von der inneren Struktur getrennt und hängen am äusseren «Säulenwald».
Grüner Campus
Bei der Entwicklung des neuen Campus legt die BIZ besonderen Wert auf ökologische Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz im laufenden Betrieb des Gebäudes. Über die Fassade dringt viel natürliches Licht ein, und die eingezogenen Terrassen an den Ecken des Turms sowie die Aussenräume im Sockelbau sorgen für eine natürliche Belüftung. Der expressive Innenhof in der Turmkrone erinnert an die Form des BIZ-Turms von Burckhardt und spannt den Bogen zur verglasten Wendeltreppe im Foyer.
Auch der Campus-Park ist ökologisch vorbildlich gestaltet: Alle Bäume des bestehenden Parks in der Mitte des Geländes sollen möglichst erhalten bleiben, weshalb die neuen Bauvolumen in der südöstlichen Ecke des Grundstücks platziert werden. Der Grünraum erscheint dabei wie eine Oase mitten in der Stadt, der Aussenraum verändert sich von der reinen Verkehrsfläche zu einem Raum zum Verweilen und für Begegnungen. Leider ist bis dato geplant, dass nur registrierte Besucherinnen und Besucher den Gartenbereich betreten können.
Der Innenhof dient internen Nutzerinnen und Nutzern zur Orientierung. Der neue Haupteingang wird den bestehenden Eingang in die Bank nicht ersetzen, da dieser die Barrierefreiheit verbessert und einen zusätzlichen Zugang gewährleistet. Die genaue Platzierung der Eingänge sowie alle weiteren Elemente des Projekts werden im Entwurfsprozess noch festgelegt.
Die Entwurfs- und Planungsphase wird voraussichtlich bis 2027 dauern, gegen Ende sollen weitere Entscheidungen bezüglich der Umsetzung getroffen werden. Wird das Projekt ausgeführt, werden die Bauarbeiten bis 2031 andauern. Und aller Schlichtheit des Turms zum Trotz: Es wäre schade, wenn dies ein weiteres «Was wäre wenn»-Projekt bleiben würde.
Anmerkung1 Eigentümer sind 63 Zentralbanken, die den Auftrag haben, die globale Währungs- und Finanz-stabilität zu unterstützen; zudem fungiert sie als Drehscheibe für Zentralbanken und andere Finanzregulierungs- und -aufsichtsbehörden in aller Welt. Derzeit beschäftigt die Bank rund 700 Mitarbeitende aus über 60 Ländern an mehreren Standorten.
Umgestaltung Hauptsitz Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ, Basel
Siegerteam
ARGE Elemental, Providencia (CL) und Nissen Wentzlaff Architekten, Basel; Eicher + Pauli, Zürich; Risam, Basel; WMM , Münchenstein
Team 2
ARGE Mecanoo International, Delft / Stähelin Partner Architekten, Schweiz
Team 3
Dominique Perrault Architecte, Paris; Basler & Hofmann, Schweiz; Gruner, Schweiz; HL-Technik, Zürich; Sorane, Lausanne; Urban Eco, n/a;
Team 4
Boltshauser Architekten, Zürich; Conzett Bronzini Partner, Chur; ETH Zürich (Prof. Andrea Frangi, Prof. Arno Schlüter); Amstein + Walthert, Zürich; Manoa Landschaftsarchitekten, Meilen; Fanzun, Zürich; Zingg-Lamprecht, Zürich
Team 5
ARGE Bjarke Ingels Group, Kopenhagen/Gruner, Basel; Lüchinger + Meyer, Zürich; Confirm, Zürich
Team 6
ARGE SO-IL, New York/Karamuk Kuo Architekten, Zürich; Ferrari Gartmann, Chur; Wirkungsgrad, Schweiz; Transsolar Energietechnik, Stuttgart (D); Archobau, Zürich; ArtefactoryLab, Paris
Team 7
ARGE Kengo Kuma & Associates, Tokio (JP) / F.A.B. Forschungs- und Architekturbüro, Basel; Stauffer Rösch, Basel; Werner Sobek, n/a; MCM, n/a; Eitel & Partner, Basel; Rudolf Keller & Partner Verkehrsingenieure, Muttenz
Team 8
ARGE Foster+Partners (UK) / Skreinstudios (Spanien); S+B baumanagement, BSB + Partner, AF Brandschutz, Sicherheit Brandschutz Seiffert
Team 9
ARGE David Chipperfield Architects, London/Harry Gugger Studio, Basel; Rapp Architekten, Münchenstein; Schnetzer Puskas, Zürich; Waldhauser Hermann, Münchenstein; Sevil Peach Architecture+Design, London; Maurus Schifferli Landschaftsarchitekten, Bern; BAKUS Bauphysik & Akustik, Zürich; HKG, Schweiz; Probst+Wieland, Burgdorf; LM Structure & Façade, Zürich; Quantum Brandschutz, Basel
Team 10
Herzog & de Meuron, Basel; Caretta+Weidmann Baumanagement, Zürich; ZPF Ingenieure, Zürich, Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich; Hochstrasser Glaus & Partner Consulting, Zürich; Schudel + Schudel, Zell; Selmoni Ingenieur, Münchenstein; Transsolar Energietechnik, Stuttgart; Künzler & Partners, Duillier; Kasburg Siemon Ingenieure KIG, Riehen; Plan R Ingenieurgesellschaft für Fördertechnik, Ditzingen (D), Christoph Etter Fassadenplanungen, Basel
Team 11
ARGE HHF Architekten, Basel / Tatiana Bilbao Estudio, Cuidad de Méxiko / Inside Outside, Amsterdam ; Bollinger+Grohmann, n/a; André Rey, Zürich; Meierhans+Partner, Schwerzenbach; Intep Integrale Planung, Zürich; Jaeger Baumanagement, Zürich; Vitra International, Birsfelden; Jeudi Wang, Paris
Fachjury
Sacha Menz, Professor ETH Zürich, Architekt, Zürich (Vorsitz); Beat Aeberhard, Leiter der Abteilung Städtebau und Architektur des Kantons Basel-Stadt; Louisa Hutton, ehem. Gastprofessorin Architectural Association in London und der Harvard Graduate School of Design, Architektin, Berlin; Débora Mesa Molina, Professorin Harvard Graduate School of Design, Architektin, Madrid/Boston; Vittorio Magnago Lampugnani, Gastprofessor Harvard Graduate School of Design; Architekt Zürich/Mailand; Christophe Girot, Professor ETH Zürich, Landschaftsarchitekt, Zürich
Sachjury
Thomas Jordan, Mitglied des Verwaltungsrats der BIZ, Präsident des Direktoriums Schweizerischen Nationalbank; Luiz Awazu Pereira da Silva, stellvertretender Generaldirektor BIZ (2015 – 2023); Monica Ellis, Generalsekretärin BIZ; Bertrand Legros, stellvertretender Generalsekretär BIZ; Véronique Neiss, Leiterin Abteilung Immobilien und Facility Management BIZ