Subs­tan­ziel­ler Ein­griff, räum­li­cher Ge­winn

Transitlager Basel

Am Dreispitzareal in Basel transformieren BIG Architekten zurzeit das ehemalige Transitlager­. Die Machbarkeitsstudie von Schnetzer Puskas Ingenieure ebnete den Weg für einen ambitionierten Umbau.

Date de publication
12-05-2016
Revision
12-05-2016
Thomas Ekwall
MSc. EPFL Bau-Ing., MAS ETHZ Arch., Korrespondent TEC21

Das Basler Dreispitzareal mit seiner 50 ha grossen Indus­triefläche vollzieht einen vorbildlichen Wandel zu einem Quartier, das der Stadt zugewandt ist: Seit 2014 ­gehen die Studierenden der Hochschule für Gestaltung und Kunst hier zum Unterricht. Die ersten Quartierbewohner zügelten 2015 ins «Helsinki» – über das gesammelte Modell­archiv von Herzog & de Meuron. Mit dem Umbau des Transitlagers durch die Bjarke Ingels Group (BIG) wird nun das Versprechen eingelöst, bestehende Bauten des Quartiers zu erhalten und in diesem Fall durch eine Mischnutzung mit dreistöckigem Aufbau zu verdichten.

Voraussetzung Vorstudie

Die Weichen für dieses Umbauvorhaben wurden in einer Projektierungsphase gestellt, zu einem Zeitpunkt, als die Architekten noch keinen Strich gezogen hatten: In der Machbarkeitsstudie der Ingenieure von Schnetzer Puskas wurde das Umbaupotenzial des bestehenden Tragwerks erörtert.

Einerseits erkannten sie, dass der flexible, aber weiche Skelettbau gegenüber Erd­beben­ein­wirkungen zu wenig ausgesteift war und daher mindestens drei zusätzliche Stahlbetonkerne im bestehenden Stützen­raster 9.1 m × 7.5 m unterzubringen waren. Andererseits waren die Stützen für hohe Lasten ausgelegt, wodurch eine lastneutrale Aufstockung von bis zu drei Stockwerken im Rahmen ­einer Wohnnutzung zugelassen ­werden konnte.

Auch die massiven Decken durften mit grossen Deckendurchbrüchen versehen werden. ­Aus dieser vielversprechenden Aus­­gangslage schrieb ­der Bauherr einen Architekturwettbewerb aus, den BIG Architekten ­gewannen.

Gedrehter Grundriss

Mit ihrem dreistöckigen Aufbau reizten die Architekten die maximal zulässige Bauhöhe aus. Sie übertrugen das Stützenraster des Transitlagers auf den Neubau, um aufwendige Abfangkonstruktionen zu vermeiden. Dafür spielten sie sich in der Fassade vom Bestand frei, indem sie den Grundriss in fünf ­Segmenten aufteilten und jeweils drehten (Abb.). Durch die grös­sere Fassadenabwicklung brachten sie wertvolles Tageslicht in die tiefen Volumen ein.

Um die vorgegebene Ausnützungs­ziffer einzuhalten, frästen sie ganze ­Deckenfelder des Bestands aus, um Duplexwohnungen und zweigeschossige Büros zu erzeugen. Zur Erschliessung wurden fünf neue Stahlbetonkerne statt der minimal erforderlichen drei im Bestand eingezogen, mit Vorteilen für die Statik: Weil die Aussteifungskräfte besser verteilt werden, konnte auf die bei Erdbebenverstärkungen üblichen Mikropfähle verzichtet werden. Hier genügte es, die Einzelfundamente der Stützen im Bereich der Kerne miteinander durch Betonriegel kraftschlüssig zu verbinden, um das ­Biegemoment infolge Erdbeben durch reine Bodenpressung in den Baugrund einleiten zu können.

Zwölf Deckenausladungen

Die Decken der Aufstockung sind in der Regel massiv mit 32 cm Stärke ausgebildet. Im Bereich der 10.5 m weit auskragenden Gebäudespitzen sind 22 cm dicke Stahl-Beton-Verbundrippendecken vorgesehen, was das Eigengewicht in diesem Bereich minimiert. Um dieses kühne Gebäudeeck abzufangen, bildeten die Ingenieure eine dreigeschossige, hinter der Fassade angeordnete Fachwerkdiagonale aus, die in den Eckwohnungen sichtbar bleibt.

Die horizontale Zugkomponente der Diagonale wird durch die oberste Geschossdecke in die Stahl­betonkerne abgefangen, während die vertikale Druckkomponente über einer nachträglich einbetonierten Fassadenstütze ins Fundament eingeleitet wird.

Neben der grossen Geste stellten auch die kleinere Auskragungen die Ingenieure vor Herausforderungen, wie etwa die bis zu 2.4 m auskragenden Stahlbalkone, deren Eigenfrequenz oberhalb der komfortbedingten 5.5 Hz gehalten werden musste. Entsprechend wurden die Ränder der 4.5 m weiten Deckenauskragungen auf der Gebäudelängsseite vorgespannt, um ihre Verformung im zulässigen Bereich zu halten.

Die Chancen des Umbaus

Dank dem anspruchsvollen Entwurf und den umfangreichen baulichen Interventionen im Bestand werden attraktive Wohnungen und Gewerberäume geschaffen. Nach Angaben des Generalunternehmers Halter Ge­samtleistungen ist die Nutzfläche bereits zu 90 % vermietet, und die Wohnungen bleiben mit einem Mietwert von 240 Fr./m2 wirtschaftlich konkurrenzfähig.

Weil viele Projektentwickler die unvorhersehbaren Risiken eines Umbaus scheuen, werden allzu oft bestehende Bauwerke in gutem Zustand abgerissen. Im Fall des Transitlagers gab die Machbarkeitsstudie der Ingenieure, die nicht nur auf die Risiken, sondern auch auf die Chancen des Umbaus verwies, eine willkommene Rückendeckung für das ambitionierte Vorhaben.

Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft
Balintra

Architektur
BIG – Bjarke Ingels Group, Kopenhagen mit ASP Landschaftsarchitekten

Tragwerksplanung
B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann GmbH

HLK-Planung
Stokar + Partner AG

Elektroplanung
Scherler AG

Sanitärplanung
Gemperle Kussmann GmbH

Magazine

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