Scholle im Häusermeer
Studienauftrag Wohnüberbauung Felix Platter-Areal, Basel
Auf dem Areal des Felix Platter-Spitals in Basel will die Genossenschaft wohnen & mehr rund 500 Wohnungen bauen. Zur Weiterbearbeitung empfohlen wird der grosse Wurf von Enzmann Fischer Partner.
Fast wäre mit dem Felix Platter-Spital eine Basler Architekturikone der 1960er-Jahre für immer verschwunden. Der 1967 nach dem Entwurf der Architekten Fritz Rickenbacher und Walter Baumann erstellte Bau geniesst im Inventar der schutzwürdigen Ortsbilder der Schweiz (ISOS) die höchste Schutzstufe. Trotzdem hatte der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt den Antrag zur Unterschutzstellung der Denkmalpflege 2015 abgelehnt. Nach heftigen Protesten verständigten sich Regierung und Rekurrenten jedoch darauf, den Spitalbau als Zeitzeugen zu erhalten und lediglich die Personalhäuser zum Abbruch freizugeben. Für die Spitalnutzung wird aktuell auf dem Areal ein Neubau erstellt, der im Frühjahr 2019 in Betrieb gehen soll.
Mit der Umsiedlung entsteht im Westen Basels ein neues Stück Stadt. Die Baugenossenschaft wohnen & mehr will die 36 000 m2 grosse Parzelle im Baurecht erwerben und zusammen mit anderen Genossenschaften rund 370 bezahlbare Wohnungen bauen. Im bestehenden Spital ist zudem ein «vertical village» mit rund 130 Wohnungen geplant. Den Studienauftrag dafür gewann Ende März die ARGE Müller Sigrist Architekten / Rapp Architekten.
Für die Neubauten auf dem Areal lud die Genossenschaft sieben Teams zu einem Studienauftrag ein. Die neue Bebauung soll aus massvoll proportionierten Gebäuden bestehen, die als eigenständige Häuser auch von anderen Nutzungspartnern übernommen werden können. Mit dem bestehenden und dem neuen Spitalgebäude wird eine Ensemblebildung angestrebt. Ziel war es zudem, ein städtebaulich-architektonisches Regelwerk zu entwickeln.
Für die Teilnehmenden waren die Bedingungen unfair. Die Pauschalentschädigung war knapp bemessen und der in Aussicht gestellte Auftrag nur vage umschrieben (fachliche Begleitung der Arealentwicklung und Projektierung einzelner Bausteine). Zusätzlich mussten die Teilnehmenden ihre Urheberrechte entschädigungslos abtreten, sodass Auftraggeberin und Dritte die Ergebnisse des Studienauftrags frei verwenden können. Konkret bedeutet das, dass die Studienergebnisse abgeändert, weiterbearbeitet und verschiedene Lösungsansätze miteinander kombiniert werden können. Einzelne Bausteine sollen von anderen Teilnehmern projektiert oder eigene Varianzverfahren dafür durchgeführt werden können.
Der Basler Hof, neu gedacht
Die siegreichen Enzmann Fischer Partner verstehen das Areal als Insel im Häusermeer des Hegenheimerquartiers. Auf dieser öffentlichen Scholle setzen sie dem alten und dem neuen Spital ein drittes Schwergewicht entgegen: Der lang gestreckte achtgeschossige Blockrand besteht aus 14 Einzelbauten mit einheitlicher Traufhöhe – eine gängige Typologie im Basler Stadtgefüge. Zum halböffentlichen Hof gesellt sich eine breite Schneise in Nord-Süd-Richtung. Dieses «Forum» besteht aus dem ehemaligen Verwaltungsgebäude an der Burgfelderstrasse und weiteren pavillonartigen Bauten für öffentliche Nutzungen. Mit diesem radikalen Befreiungsschlag gelingt eine grosszügige Durchquerung des Areals, und es entsteht ein reiches Repertoire von privaten, halböffentlichen und öffentlichen Räumen für gemeinschaftliches Wohnen.
Das vorgeschlagene Regelwerk soll die Ensemblebildung garantieren und es trotzdem erlauben, für die einzelnen Häuser eine eigene Sprache zu entwickeln. Die Vorgaben sind an das Basler Baugesetz angelehnt. Für einen einheitlichen Auftritt legt das Regelwerk ein Drittel des Fassadenmaterials fest. Auf dem Dach sollen Gemeinschaftsräume und Terrassen für jede Hausgemeinschaft angeboten werden. Zu Grösse und Disposition der Wohnungen werden keine Vorschriften gemacht.
Platz mit Kamm
Die ARGE von Baumann Lukas Architektur und Scheibler & Villard bebaut nicht die Ränder, sondern die Mitte und kehrt die Typologie der Randbebauung um. Zwei kammartige Häuser suchen die Verzahnung mit dem angrenzenden Quartier und dem neuen Spital. Die beiden Personalhäuser im Süden bleiben bestehen und werden mit einem neuen Gebäude, das den Platz fasst, verbunden. Der Beitrag zeichnet sich durch den sorgfältigen Umgang mit der vorhandenen Bausubstanz und dem bestehenden Baumbestand aus. Der Städtebau mit den drei Häuserkonglomeraten ist kohärent entwickelt. Das Bebauungsmuster führt aber zu engen Höfen, die die Qualität der Wohnungen einschränken.
Schwacher Mäander
Der Beitrag von Bachelard Wagner Architekten und Reuter Architekten setzt ein kräftiges Gebäude als Auftakt an die Burgfelderstrasse und führt die Bebauung mäandrierend ins Innere des Areals weiter. Es entstehen verschiedene gegen Osten und Westen ausgerichtete Wohnhöfe, die gut proportioniert sind. Entsprechend hoch ist die Wohnqualität. Das Beurteilungsgremium attestiert dem Projekt aber «einen zu starken periurbanen Siedlungscharakter»: Das vorstädtische Bebauungsmuster werde den spezifischen Eigenschaften des Felix Platter-Areals zu wenig gerecht und habe zu wenig städtische Identität.
Wie weiter?
Die Jury empfiehlt den Beitrag einstimmig zur Weiterbearbeitung. Wie angekündigt, beauftragt wohnen & mehr aber zusätzlich die Verfasser der im zweiten Rundgang ausgeschiedenen Entwürfe mit der Projektierung einzelner Bausteine.
Der siegreiche Entwurf von Enzmann Fischer Partner erfüllt die hochgesteckten Ziele mit Eleganz und löst die anspruchsvolle städtebauliche Aufgabe auf überraschende und bestechende Art. Er setzt ganz auf die generöse Geste einer Neuinterpretation des «Basler Hofs». Die Überlegungen dahinter sind sprachlich konzis auf den Punkt gebracht: «Nicht Siedlung, sondern Stadt.» Aus den zu einem Blockrand zusammengesetzten 14 Einzelhäusern entsteht eine Grossform. Diese Vielfalt in der Einheit bildet zusammen mit den aussenräumlichen Qualitäten von Hof und Forum ein überzeugendes Konzept für den genossenschaftlichen Wohnungsbau von heute.
Weitere Informationen finden Sie unter der Rubrik Wettbewerbe.
Teilnehmende
Team 1 (2. Runde): ARGE Baumann Lukas Architektur, Basel; Scheibler & Villard, Basel; Fahrni Landschaftsarchitekten, Luzern
Team 2 (2. Runde): Bachelard Wagner Architekten, Basel; Reuter Architekten, Basel; Fontana Landschaftsarchitektur, Basel; stadt raum verkehr, Zürich
Team 3 (2. Runde): Buchner Bründler Architekten, Basel; vetschpartner Landschaftsarchitekten, Zürich; Ammann Albers StadtWerke, Zürich
Team 4 (Weiterbearbeitung): Enzmann Fischer Partner, Zürich; Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur und Städtebau, Zürich
Team 5 (2. Runde): Gmür & Geschwentner Architekten; Jakob Steib Architekten; Helle Architektur, alle Zürich; August + Margrith Künzel Landschaftsarchitekten, Binningen
Team 6: Stump & Schibli Architekten, Basel; Ateliergemeinschaft Müller & Nägelin, Basel; Klötzli Friedli Landschaftsarchitekten, Bern
Team 7: Van de Wetering Atelier für Städtebau, Zürich; Hager Partner, Zürich; Happel Cornelisse Verhoeven Architecten, Rotterdam
Fachjury
Beat Aeberhard, Kantonsbaumeister Basel-Stadt (Vorsitz); Andreas Courvoisier, Projekt- und Stadtentwickler, Basel; Luca Selva, Architekt, Basel; Jürg Sulzer, Stadtplaner und Architekt, Zürich; Robin Winogrond, Landschaftsarchitektin, Zürich; Barbara Buser (bis 28. 2. 2017), Architektin, Basel; Reto Rütti (ab 1. 3. 2017), Baufachmann, Basel; Claudia Bauersachs, Architektin, Basel