Ein neuer Wei­ter­bil­dung­ssch­wer­punkt: Wis­sen zum Bau­pro­zes­sa­blauf nach SIA

Vor 25 Jahren führte der Mangel an Wissen zur Unternehmensführung unter den Planern zur Gründung von SIA-Form. Zum Jubiläum gibt sich das ­Weiterbildungsprogramm einen neuen ­Schwerpunkt: die Vermittlung von Wissen rund um die SIA-Hilfsmittel zu den Bauprozessen.

Date de publication
13-09-2018
Revision
13-09-2018
Urs Wiederkehr
Bauingenieur und Leiter des Fachbereichs Digitale Prozesse beim Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein SIA

Das SIA-Modell «Bauplanung» und die Ordnungen für Leistungen und Honorare (LHO) bilden eine wichtige Grund­lage für optimierte Bauprozesse. Neben den Tätigkeiten der Planenden werden darin auch die Rollen vieler Weiterer, die an Bauprojekten be­teiligt sind, beschrieben. Im Unterrichten, bei Beratungen und im Rahmen des SIA-Mentoring-Programms ist uns aufgefallen, dass wesentliche Kenntnisse zu den SIA-Ordnungen fehlen. Auch werden das Modell Bauplanung (SIA 112), die Ordnungen für Leistungen und ­Honorare (SIA 102–110) und diejenigen zu den Wettbewerben (SIA 142–144) sowie weitere Hilfsmittel, wie das Merkblatt zum BIM (SIA 2051) oder die Empfehlung zum Facility ­Management (SIA 113), nicht als Gesamt­system angesehen, sondern als Aneinanderreihung von Einzel­dokumenten.

Fehlt aber das Wissen zu diesen Grundlagen, erschwert sich beim Lösen von hochkomplexen Planungsaufgaben die Konzentra­tion auf die wesentlichen Punkte. Die Gedankengänge müssen laufend unterbrochen und unnötige Umwege zum Erwerb des Ablaufwissens eingeschaltet werden. Ausserdem sind Konflikte vorprogrammiert, wenn die Rollenverteilung der diversen am Bauprozess Beteiligten unklar und schwammig ist.

Die kognitive Verzerrung und das SIA-Ordnungswerk

SIA-Mitglieder und auch andere Fachleute haben mir und meinem Team gegenüber ihr Erstaunen zum Ausdruck gebracht, wie umfangreich und durchdacht das SIA-Ordnungswerk sei. Es enthalte auch Teile, die sie trotz jahrelanger Praxiserfahrung nicht gekannt hätten. Viele meinten, sie hätten ihre Sachkenntnisse darin überschätzt.

Verschiedene Module für verschiedene Zielgruppen

Selbstüberschätzung ist in der Psychologie eine Form der kognitiven Verzerrung, also eine systematische Fehleinschätzung der eigenen Kompetenz. Insbesondere bei der Beurteilung der Fremdsprachenkenntnisse und der Kompetenz beim Auto­fahren passiert diese Fehleinschätzung vielen Menschen – übrigens Männern bedeutend öfter als Frauen. Beim Wissen zu den SIA-Ordnungen kann mitspielen, dass niemand seine Mängel in den Grundlagen des SIA zugeben will. Schliesslich müsste man sie als SIA-Mitglied ja kennen. Nur, diese Spritze mit dem ganzen SIA-Ordnungs-Know-how kann unser Mitgliederdienst beim Eintritt in den SIA nicht verabreichen. Die strategische Bedeutung des SIA-Ordnungswerks ist auch dadurch ersichtlich, dass nicht der Vorstand neue Ordnungen genehmigt, sondern die SIA-Delegiertenversammlung (Art. 13 j, SIA 100, Statuten).

Beim Start des neuen Weiterbildungsprojekts mit dem Ziel einer besseren Vermittlung des Wissens rund um die SIA-Instrumente wurde rasch klar, dass separate Module definiert werden müssen. Aufgrund diverser Gespräche haben wir uns darum entschieden, einerseits die Bauprojektphasen, an­dererseits phasenübergreifende Instrumente – beispielsweise das Projektpflichtenheft – als Leitlinie zu nehmen. Damit lassen sich entsprechende Kursmodule für unterschiedliche Zielgruppen entwickeln.

Die einzelnen Module sind so konzipiert, dass dasselbe Modul im Rahmen eines Firmenkurses oder an einer Höheren Fachschule (HF) gehalten werden kann. Lediglich die Beispiele und Schwerpunkte müssen von uns entsprechend angepasst werden. Gut zu wissen: Bei den SIA-Form-Kursen streben wir immer ein gemischtes Kurspublikum an, das unterschiedliche Rollen vertritt. So wird ein gegenseitiges Lernen unter den Kursteilnehmenden gefördert.

Die Suche nach einer ­geeigneten Didaktik

An pädagogischen Hochschulen werden spezielle Fachdidaktiken unterrichtet, zum Beispiel Mathematikdidaktik und Sprachdidaktik. Eine entsprechende Didaktik für das Vermitteln von Wissen rund um die Bauprozesse fehlt. Deshalb waren wir gezwungen, eine eigene dafür zu entwerfen. Didaktik soll hier als Lehre vom Lernen und Lehren und insbesondere als Methode des Unterrichtens verstanden werden. Dabei haben wir diverse Modelle entworfen und uns überlegt, wie wir die zuständigen SIA-Kommissionen als Experten in die Wissensvermittlung einbringen können. Sollen die Kurse in den SIA-Ordnungs-Kommissionen entwickelt werden?

Doch für Experten ist es oft nicht einfach, ihre Erfahrung an Lernende weiterzuvermitteln – ein Problem, das sich auch beim SIA-Men­toring-Programm zeigt. Sollen gar die Inhalte allein bei SIA-Form ent­wickelt werden?

Wir haben uns für ein kombiniertes Modell entschieden. Markus Friedli, dipl. Architekt ETH SIA BSA, dipl. Bau-Ing. HTL, entwickelt die einzelnen Inhalte gemeinsam mit ausgewählten Kom­mis­sionsmitgliedern. Diese treten innerhalb der Kurse als Gastreferenten auf und führen danach mit den Teilnehmenden die Diskussion. Die involvierten Kommissionen haben im Sommer das Konzept und eine Einladung zur Mitarbeit erhalten. Diverse Rückmeldungen sind erfolgt, und im eben gestarteten Herbstsemester 2018 werden erste Gastreferate gehalten.

Diese neue Kursreihe wird Semester für Semester weiterentwickelt. Neben den phasenbezogenen Grundmodulen werden phasen­übergreifende Themen zum Projektpflichtenheft, Bauhandbuch oder zum Qualitätsmanagement an­ge­boten. Weitere Themen, die lei­der oft ein Schattendasein fristen, beispielsweise das Risikomanagement, können so besser eingebettet und deren Bedeutung passend übermittelt werden. Auf jeden Fall werden neue Entwicklungen, wie zum Beispiel die im Jahr 2020 erwartete SIA-Ordnung 101 «Bauherrenleistun­­gen», beo­bachtet und in Zusammenarbeit mit den zuständigen Kommissionen integriert. Eine Übertragung der Kursreihe auf die an­deren Sprachregionen ist geplant.

Nächste Veranstaltungen
Das Projektpflichtenheft – Inhalt und Anwendung, ab 25. September 2018, Infos und Anmeldung: www.sia.ch/form/PPH02-18
Begleitung von Projekt­wahlverfahren, SIA 112 – Modell Bauplanung; Phase 2 «Vorstudien», ab 23. Oktober 2018, Infos und Anmeldung: www.sia.ch/form/PWV01-18

 

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