Ge­nius Loci

Projektwettbewerb Neubau Doppelkindergarten Riehen BS

Mit einem verblüffenden Vorschlag gewinnen Morger Partner Architekten den Wettbewerb für einen neuen Doppelkindergarten in Riehen. Ihr Gebäude ist flexibel, einfach zu erweitern und umschliesst einen unerwartet grosszügigen Gartenhof.

Date de publication
18-10-2018
Revision
18-10-2018

Der Kindergarten am Siegwaldweg wurde 1927 gebaut und 1969 zu einem Doppelkindergarten erweitert. Die laufende Schulreform verlangt zusätzliche Gruppenräume, die nicht im Bestand untergebracht werden können. Deshalb beschloss der Gemeinderat Ende letzten Jahres, den bestehenden Doppelkindergarten durch einen Neubau zu ersetzen und eine mög­liche Erweiterung mit einer zusätzlichen Kindergartengruppe einzuplanen. Gleichzeitig soll mit einem Mehrzweckraum für die Quartierbewohner ein Zusatzangebot geschaffen werden, das auch von den beiden Kindergärten genutzt werden kann.

Um Lösungsansätze für diese Aufgabe zu erhalten, schrieb die Gemeinde Riehen einen Projektwettbewerb im selektiven Verfahren aus. Von den 54 Bewerbungen wählte das Preisgericht 18 Teams zur Teilnahme aus. Die scheinbar einfache Aufgabe entpuppte sich als veritable Knacknuss. Gründe dafür waren die komplizierten Bestimmungen der Wohnzone 2a, in der sich der Wettbewerbsperimeter befindet, und die Setzung des Mehrzweckraums als flexibel nutzbare Fläche für die Kindergärten und die Quartierbewohner. Alle fünf Projekte der engeren Wahl waren nicht zonenkonform und wurden im Rahmen einer Bereinigungsstufe überarbeitet.

Introvertiert

Das Preisgericht empfiehlt einstimmig, den Beitrag «vita hortus» von Morger Partner Architekten und bbz bern zur Weiterbearbeitung. Die Zonenvorschriften erlauben es, die Parzelle bis auf eine Gebäudehöhe von 3 m ohne Einhaltung von Gebäude- und Grenzabständen zu bebauen. Dabei muss die Hälfte des überbauten Bereichs frei bleiben. Der Entwurf besticht mit der einfachen Idee, eine Mauer aus Stampfbeton auf die Parzellengrenze zu setzen und die Räume entlang dieser Mauer anzuordnen. In der Mitte des Grundstücks entsteht ein abgesenkter Gartenhof, der unbebaut bleibt. Im Bereich der schützenswerten Bäume weicht die Mauer dem Wurzelwerk aus und folgt der Baumkrone.

Der Zugang zum neuen Kindergarten erfolgt über einen kleinen Strassenplatz um die bestehende mächtige Stieleiche und eine grosse Öffnung in der Mauer, die den Blick in den introvertierten Hof freigibt. Unter einem gedeckten Umgang erreicht man die Eingänge der Kindergärten und des Mehrzweckraums. Die Erweiterung ergänzt die Bebauung im Südosten auf naheliegende Art und fügt die Anlage zu einem schlüssigen Ganzen zusammen.

Der Kindergarten ist als einfache Holzkonstruktion ausgebildet. Die Sparren bleiben als Tragwerk sichtbar und ermöglichen hohe Räume trotz der eingeschränkten Gebäudehöhe von nur 3 m. Die Wahl von Konstruktion und Material hat auch didaktische Gründe und soll bei den Kindern das Verständnis für Architektur fördern.

Das Freiraumkonzept basiert auf den Gegensätzen von Dichte und Leere. Abwechslungsreiche Bodenbeläge unter der Stieleiche, ein verborgener Platz unter der Winterlinde und eine dichte Bepflanzung der Ränder im Süden setzen einen Kontrast zur Weite des karg ausgestatteten Innenhofs. Selbst der Ort, der für die Erweiterung vorgesehen ist, mit Hartbelag und langer Sitzbank entlang der Mauer wird zu einem überzeugenden Teil der abwechslungsreichen Spielwelt.

Extrovertiert

Das mit dem zweiten Preis ausgezeichnete Projekt «Gartenkinder» von MKCR Architekten und MØFA urban landscape studio basiert auf einem soliden Grundkonzept. Der Entwurf besetzt die Mitte der Parzelle und schafft ausgewogene Aussenräume rund um das Gebäude. Im Erdgeschoss sind die beiden Kindergärten mit der Möglichkeit einer Erweiterung gegen Norden angeordnet. Der Mehrzweckraum im Untergeschoss ist über eine aufwendige Erschliessung an die beiden Kindergärten angebunden. Er liegt versetzt zum Erdgeschoss, sodass er von oben natürlich belichtet werden kann. Von Süden her ist der Mehrzweckraum separat erschlossen. Vorplatz und Eingangsbereich sind aber viel zu klein bemessen und unterbrechen leider den Rundlauf um das Gebäude, das wie ein Findling in der Landschaft liegt. Die Tragkonstruktion aus Ortbeton und vorfabrizierten Elementen ist sorgfältig und präzise entwickelt. Die Haupträume der Kindergärten sind zweiseitig orientiert, der Blick ins Grüne über grosse Fenster klar gefasst. Oberlichter erhellen die Mitte der musealen Räume. Die Jury hatte jedoch Zweifel, ob der architektonische Ausdruck einem Kindergarten entspricht, und war von der komplizierten Kon­struktion und dem ausufernden Untergeschoss nicht überzeugt.

Dichte und Leere

Der Wettbewerb hat zu zwei wesentlichen Erkenntnissen geführt: Erstens geht die Erweiterung des Kindergartens bei vielen Projekten mit erheblichen Einbussen im Aussenraum einher. Zweitens steckt in der flexiblen Nutzung des Mehrzweckraums grosses Potenzial. Er kann durch die Kindergärten mitbenutzt und so besser ausgelastet werden oder später bei Bedarf mit geringem Aufwand zu einem dritten Kindergarten umgebaut werden.

Wer den Beitrag «vita hortus» von Morger Partner Architekten verstehen will, braucht keine Lateinkenntnisse. Der Entwurf sieht eine Raumfolge vor, die in der Nutzung flexibel bleibt und auf eloquente Art erweitert werden kann. Der bestechende Aussenraum enthält als offenes Gefäss bereits die mögliche Erweiterung und verspricht viel, von vielfältiger Dichte bis zu generöser Leere.

Weitere Pläne und Bilder finden Sie in der Rubrik Wettbewerbe.

Auszeichnungen
 

1. Rang, 1. Preis: «vita hortus»
Morger Partner Architekten, Basel; bbz bern, Bern


2. Rang, 2. Preis: «Gartenkinder»
MKCR Architekten, Zürich, Basel; MØFA urban land­­scape studio, Zürich


3. Rang, 1. Ankauf: «Hullahopp»
Murer André Architektur, Luzern; Christoph Wey Landschaftsarchitekten, Luzern


4. Rang, 3. Preis: «Calimero»
Architekturbüro Bernhard Maurer, Zürich; Neuland Architekturlandschaft, Zürich


5. Rang, 4. Preis: «Sigi und die Gartenfreunde»
Felippi Wyssen Architekten, Basel; Meta Landschaftsarchitektur, Basel

FachJury
 

Bertram Ernst, Architekt, Zürich (Vorsitz)

Sibylle Aubort Raderschall, Landschaftsarchitektin, Meilen

Philipp Kunz, Architekt, Basel; Paola Maranta, Architektin, Basel

Patrick Scheffler, Leiter Fach­bereich Hochbau, Riehen (Ersatz)
 

SachJury
 

Silvia Schweizer, Gemeinderätin, Riehen

Stefan Camenisch, Leitung Gemeindeschulen, Riehen

Monika Schröter, Schul­leiterin Primarschule Wasser­stelzen, Riehen

Barbara Schmid, Schul­leiterin, Primarschule Wasserstelzen, Riehen (Ersatz)

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