Aus dem Warmbä­chli wird der Hol­li­ger

Die Zürcher Arbeitsgemeinschaft BHSF Architekten und Christian Salewski, Buchhofer AG, James Melsom Landschaftsarchitekt, Sebastian el Khouli und nuak Architekten erhielten mit ihrem Projekt «Strawberry Fields» den Zuschlag für die Planung eines neuen Wohnquartiers am Warmbächli.

Date de publication
18-02-2020

Bis vor wenigen Jahren befand sich die Kehrichtverwertungsanlage KVA der Stadt Bern direkt neben dem Bremgartenfriedhof, nahe dem Steigerhubel-Schulhaus und dem Bremgartenwald. Der Neubau für die Kehrichtverwertung beim Forsthaus West, heute Energiezentrale genannt, befreite dieses Gelände im März 2013 von der zu nah bei Wohnquartieren gelegenen Nutzung.Dies ebnete den Weg für die Planung und den Bau eines neuen Wohnquartiers.

Die Ausrichtung des Hangs nach Südwesten mit freier Sicht auf die Umgebung, die direkte Nachbarschaft zu Grün- und Erholungsräumen sowie die ÖV-Erschliessung ab Ende 2019 mit der Busiinie zum Inselspital bieten beste Voraussetzungen für die Realisierung attraktiven Wohnraums. So beschreibt die Abteilung Immobilien der stadtbernischen Verwaltung die Ausgangslage.

Qualität durch städtebaulichen Ideenwettbewerb


Zur Qualitätssicherung lancierte die Stadt Bern im Frühjahr 2012 für das Areal der alten KVA sowie der städtischen Liegenschaften Bahnstrasse 21 und Güterstrasse 8 ein öffentlich ausgeschriebenes selektives Verfahren. Im Anschluss an die Präselektion fand ein anonymer städtebaulicher Ideenwettbewerb statt. Die selektierten Teams bearbeiteten zwei unterschiedliche Massstabsebenen: Es wurde ein städtebauliches Gesamtkonzept mit den übergeordneten Gestaltungsregeln gesucht (Nutzungs- und Dichteverteilung, Parzellierung, Siedlungs- und Infrastruktur zur Erschliessung, Zusammenspiel der Nutzungen), und zudem waren exemplarische und innovative Gebäudekonzepte vertieft darzustellen (zukunftsweisende Wohnungstypologien, Grundriss- und Nutzungskonzepte).

Die selektionierten Büros hatten mit einem Landschaftsarchitekten sowie einem Verkehrs- und Mobilitätsplaner ihrer Wahl für den Wettbewerb ein Team zu bilden. Die beigezogenen Landschaftsarchitekten und Verkehrs- und Mobilitätsplaner durften sich nicht in mehreren Teams betätigen (Eigenverantwortung). Weiter war es den Teilnehmenden freigestellt, wie sie sich intern organisieren und ob sie sich für die Bearbeitung spezifischer Fragestellungen mit weiteren Fachplanern verstärken. Diese Fachleute durften sich in verschiedenen Teams beteiligen.

Das Wettbewerbsprogramm ging am 21. Mai 2012 an die Teilnehmenden, die wertungsfreie Vorprüfung fand am 14. bis 17. Oktober statt, die Jurierung am 18. und 19. Oktober 2012.

Strawberry Fields zwischen Fundamenten ehemaliger Bauten

Die Zürcher Arbeitsgemeinschaft BHSF Architekten GmbH und Christian Salewski; Buchhofer AG; James Melsom Landschaftsarchitekt BSLA; Sebastian el Khouli und nuak Architekten erhielten den Zuschlag für ihr nach dem bekannten Beatles-Song der 1960er-Jahre benanntes Projekt «Strawberry Fields». Vorgeschwebt hat ihnen wohl ein romantisches Bild von Erdbeerfeldern, denn die privaten und öffentlichen Grünräume sind gemäss Auftrag im Projekt bedeutend. Urban Gardening, das Gärtnern rund um die Wohnhäuser, ist heutzutage ein aktuelles Thema, und die privaten und öffentlichen Grünräume sind im vorgelegten Projekt von Belang (lesen Sie auch den Bericht von Alexander Felix).

Ein vom neu offengelegten Stadtbach durchflossener Hof ist als Zentrum der neuen Bebauung geplant. Auf sechs Baufeldern in zwei Zeilen kommen die Neubauten zu stehen. Diese Baufelder sind als Sockel auf unterschiedlichen Höhenniveaus gedacht, verbunden durch Rampen und Treppen. Bestehende Sockelgebäude und Stützmauern werden umgenutzt und weiterverwendet.

Das ehemalige Lagergebäude der Chocolat Tobler an der Güterstrasse 8 wird als einziger Bau im Gelände nicht abgerissen, sondern erhalten und zum Wohnen ausgebaut. Es bildet das geometrische und ideelle Zentrum der Neubebauung. In diesem Haus mit 25 m Gebäudetiefe soll sozial und ökologisch Neues gewagt werden. Grosse durchgehende Wohnräume mittig sind seitlich mit Kleinwohnungen für Alleinstehende und Paare benachbart. Die bestehende Raumhöhe von 3.80 m verspricht ungewohnt grosszügige Räume.

Neubauten ergänzen das Angebot aus dem Bestand mit unterschiedlichen Wohnungen. Die unteren Geschosse der künftigen Gebäude sollen als Ateliers, Ausstellungs- und Werkstatträume dienen. Oben soll künftig gewohnt werden.

In den geplanten sechs Gebäuden mit ihrer gesamten Geschossfläche von 40'000 m2 sollen rund 330 Wohnungen entstehen, die Hälfte davon mit 4 1/2 oder mehr Zimmern. Kindergarten und Kita sind ebenfalls vorgesehen, zudem Ateliers, Büros und Gewerberäume. Für das Wohnen sind 35'000 m2 vorgesehen, für Gewerbe 5000 m2. Die meisten Parkplätze liegen unterirdisch, für Fahrräder sind 1200 Abstellplätze vorgesehen. An der Freiburgstrasse sollen an einem Quartierplatz ein Laden und ein Bistro zu stehen kommen.

Einstimmige Empfehlung zur Weiterbearbeitung

Das Preisgericht empfiehlt einstimmig das Projekt «Strawberry Fields» zur Weiterbearbeitung gemäss den Ausschreibungsbedingungen. Das Projekt wird als äusserst ausgewogen bewertet und erlaubt eine vielfältige Ausgestaltung. Es überzeugt durch seine Bearbeitungstiefe, den vielversprechenden Umgang mit bestehender und neuer Bausubstanz sowie die Eingliederung ins bestehende Quartier und die identitätsstiftende Aussenraumgestaltung.

Die Jury sieht im vorliegenden Projekt keine Industrieromantik, sondern typologische Elemente wie die pragmatische Weiterverwendung bestehender Bausubstanz und ein städtebauliches Regelwerk, das die Eigenschaften des Orts stärken soll. Genannt sind dabei die bewegte Topografie und die Scharnierfunktion zwischen Quartier, städtischem Platz bei der Freiburgstrasse, den Sport- und Freiflächen und dem nahe gelegenen Gleisfeld.

Vom Warmbächli zum Holliger

Warmbächli hiess dieses Areal bisher, und so ist auch der Weg nördlich der Freiburgstrasse benannt. Er erinnert an das «Warme Bächli», das im weiter nordwestlich gelegenen Weyermannshausmoos seinen Anfang nahm und bei der Freiburgstrasse in den Stadtbach mündete. im Gegensatz zum Stadtbach sei dieses warme Bächli nie zugefroren gewesen, so die Überlieferung.

Heute heisst das Gelände neu «Holliger». Der Arealhof, der das Zentrum der neuen Überbauung bilden wird, soll «Holligerhof» heissen, damit wird auch der Name Güterstrasse verschwinden. Der neu entstehende Quartierplatz nennt sich «Holligerplatz». Die Namen wurden in Anlehnung an den Quartiernamen Holligen und als Verbindung zur Siedlung Holliger gewählt. Die Kommission für Strassenbenennung hatte vorgängig den entsprechenden Antrag der Infrastrukturgenossenschaft Holliger geprüft und befürwortet. Auch für Bernmobil sind diese Namen sinnvoll, liegt doch nun mit der Verlängerung der Buslinie 12 die Endhaltestelle «Holligen» in der Nähe der neuen Überbauung. Ausgelöst hat diese sicherlich sinnvolle Umbenennung auch die Tatsache, dass sich eine teilnehmende Wohnbaugenossenschaft – jene, die das ehemalige Toblergebäude umnutzt – bereits «Warmbächli» nennt und auf diese Weise Verwechslungen unterbleiben.

Weitere Pläne und Visualisierungen zum Wettbewerb finden sich auf competitions.espazium.ch

Auszeichnungen

1. Rang / Preis: «Strawberry Fields»:
BHSF Architekten mit Christian Salewski, Zürich; Buchhofer AG Beratende Ingenieure, Zürich; James Melsom Landschaftsarchitekt BSLA, Basel; Sebastian el Khouli / nuak Architekten, Zürich
2. Rang / Preis: «das KVAtier»:
MRS Partner AG, Zürich; Robin Winogrond Landschaftsarchitekten MLA SIA, Zürich (Schweiz); Rendertaxi GmbH, Aachen
3. Rang / Preis: «rediVIVA»:
Atelier 5 Architekten und Planer AG, Bern; Hänggi Basler Landschaftsarchitektur GmbH, Bern; Enerconom AG, Bern
4. Rang / Preis: «Collage City»:
Architektengemeinschaft reinhardpartner / werkgruppe agw, Bern; Zeltner Ingenieure und Planer AG, Belp; Bürgi Schärer Architektur und Planung AG, Bern 25

Sachpreisrichter

Barbara Hayoz - Gemeinderätin / Präsidentin Betriebskommission Fonds (Vorsitz); Regula Buchmüller - lic. phil. I, Leiterin Abteilung Stadtentwicklung; Fernand Raval - dipl. Immobilien-Treuhänder / Betriebsökonom FH, Leiter Liegenschaftsverwaltung; Peter Schmid – Betriebsökonom / MBA in NPO Management, Präsident der Wohnbaugenossen-schaften Zürich; Philippe Cabane - Stadtplaner IFU BSA & lic. phil. I Soziologie, selbstständiger Berater, Basel

Fachpreisrichter

Mark Werren - dipl. Architekt ETH/SIA, Stadtplaner; Thomas Sieverts - Prof. em., Dr. Ing. e.h. Architekt/Stadtplaner, München; Ute Schneider - dipl. Ing. Architektin/Stadtplanerin TU, KCAP Architects + Planners, Zürich; Andreas Hofer - dipl. Architekt ETH, archipel - Planung und Innovation, Zürich; Guido Hager - dipl. Landschaftsarchitekt BSLA, Hager Partner, Zürich; Pierre Feddersen - dipl. Architekt ETH/SIA/ Planer FSU, Feddersen & Klostermann, Zürich

 

Der Gemeinderat hat im Sommer 2016 entschieden, sämtliche sechs zur Verfügung stehende Baufelder der Bebauung Holliger im Baurecht an folgende gemeinnützige Wohnbauträger abzugeben:

  • Eisenbahner Baugenossenschaft Bern (Baufeld O1)
  • Wohnbaugenossenschaft Warmbächli (Baufeld O2)
  • Fambau Genossenschaft (Baufeld O3)
  • Baugenossenschaft Aare Bern (Baufeld U1)
  • npg AG für nachhaltiges Bauen (Baufeld U2)
  • Baugenossenschaft Brünnen Eichholz (Baufeld U3)

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