Vom Um­gang mit dem Bes­tand

Projektwettbewerb im selektiven Verfahren: Erweiterung Rafaelschule, Zürich

Die Rafaelschule in Zürich Hirslanden will ihren Standort erweitern. Bischof Föhn Architekten überzeugen mit einem Holzbau, der sich klar vom Bestand unterscheidet und doch ein harmonisches Ensemble schafft.

Date de publication
09-07-2020

In der heilpädagogischen Sonderschule werden 50 Kinder und Jugendliche unterrichtet, begleitet und gefördert. Neben der Schulbildung vom Kindergarten bis zur Oberstufe umfasst das Angebot auch einen Hort, Förder- und Therapieangebote sowie Berufscoachings. Die Schule mit privatrechtlicher Trägerschaft ist kantonal anerkannt und befindet sich in Zürich Hirslanden. Das bestehende Gebäude aus dem Jahr 1929/1930 soll erhalten werden, weil es von den Nutzern wegen seines Charmes geschätzt wird. Das frei stehende Nebengebäude im Norden und der im Süden angebaute Flügel hingegen können abgebrochen werden. Das Gelände steigt von Süden nach Norden an.

Weil die Überbauungsziffer und die zulässige Gebäudelänge überschritten sind und der Wohn­anteil entfallen soll, hat die Stiftung Rafaelschule einen Gestaltungsplan eingereicht, der im Februar 2020 formell in Kraft gesetzt wurde. Dieser schreibt vor, dass für eine gute Gestaltung hinsichtlich Einpassung ins Wohnquartier, Freiraumgestaltung und Erschliessung ein Konkurrenzverfahren durchgeführt werden muss. Um die kantonalen Richtli­nien für Sonderschulen zu erfüllen, sind die Unterrichts-, Ess- und Lehrerräume zu erweitern. Zusätzlich muss die Erschliessung die Anforderungen des Brandschutzes und der hindernisfreien Bauten erfüllen.

Um Lösungsansätze zu erhalten, führte die Stiftung Rafaelschule einen Projektwettbewerb im selektiven Verfahren durch. Es wurden zehn Planungsteams mit den Kompetenzen Architektur und Landschaftsarchitektur, darunter zwei Nachwuchsteams, zum Wettbewerb zugelassen. Der SIA hat das Programm geprüft und die Konformität zur Ordnung für Architektur- und Ingenieurwettbewerbe SIA 142 bestätigt. Der Wettbewerbsperimeter war eng gesteckt und der Spielraum für die Teilnehmenden sehr begrenzt. Trotzdem unterscheiden sich die eingegangenen Lösungsansätze deutlich, insbesondere was das Verhältnis von Alt und Neu anbelangt. Die einen setzen auf den Kontrast von Alt und Neu, die anderen auf eine harmonische Koexistenz zwischen beiden, und wiederum andere verschmelzen den Bestand mit der Erweiterung.

Gegensätze ziehen sich an

Die Jury empfiehlt den Beitrag «Specht» des Nachwuchsteams Bischof Föhn Architekten einstimmig zur Weiterbearbeitung und Ausführung. Die zweigeschossige Erweiterung besteht aus einem Zwischenbau mit Flachdach und einem quer dazu stehenden Gebäude mit einem Pultdach. Beide Volumen fügen sich gut in die Umgebung ein und legen sich schützend um den neuen Schulhof. Sie setzen sich vom Bestand in Materialisierung und Gestaltung ab. Die Erweiterungsbauten sind Holzkonstruktionen, die sich innen in der Tragstruktur und aussen mit einer Holzverkleidung zeigen.

Im Sockelgeschoss sind der Saal, die Werkräume und das textile Gestalten untergebracht. Im Erdgeschoss liegen die Essräume mit der Küche und der Eingangsbereich mit dem Schulleitungsbüro. Die Grundstufe ist im Querbau mit direktem Aussenbezug platziert. Im ersten Obergeschoss der Erweiterung sind alle Unterrichtsräume der Unter- und Oberstufe angeordnet. Die kleinteiligeren Lehrer- und Therapieräume befinden sich im bestehenden Gebäude mit den engen Korridoren. Die Erschliessung im Neubau ist mit einer breiten Laube im Erdgeschoss und Garderobennischen im Obergeschoss grosszügig dimensioniert.

Aus Alt mach Neu

Das Projekt «Herr Nilsson» von Schmid Schärer Architekten wurde mit dem zweiten Preis ausgezeichnet. Auch hier ist die Erweiterung in zwei Bauvolumen aufgeteilt. Ein zweigeschossiger Zwischentrakt ist mit einem dreigeschossigen Hauptgebäude halbgeschossig versetzt verbunden. So gelingt es, die Neubauten in das Gelände zu staffeln und in die bestehende Umgebung einzufügen. Der Zwischenbau ist direkt vom Kapfsteig her zugänglich. Aussen legen sich unterschiedlich verputzte Flächen über die bestehenden sowie die neuen Fassaden und schaffen eine neue Einheit. Auch konstruktiv knüpft die Erweiterung am Bestand als konventioneller Massivbau mit einem verputzten Einsteinmauerwerk an. Die Jury diagnostiziert beim bestehenden Gebäude einen Wandel im Ausdruck von der «bürgerlich geprägten alten Villa» zu einem «verspielten Haus» mit Anleihen an die «Villa Kunterbunt». Sie kritisiert aber die engen Garderoben und die «etwas pompöse Erscheinung».

Stilecht weiterbauen

Der Entwurf «Purzelbaum» des Nach­wuchsbüros Thomas De Geeter Architektur wurde vom Preisgericht im zweiten Rundgang ausgeschieden. Die Erweiterung übernimmt den Baustil des bestehenden Gebäudes zwischen Frühmoderne und Heimatstil gnadenlos, ohne den Neubau vom Bestand zu differenzieren. Vom Satteldach mit Lukarnen über den Rundbogen im Eingangsbereich bis zur Sprossenteilung der Fenster übernimmt die Erweiterung alle sti­listischen Merkmale des Bestands. Die Jury diskutierte das Konzept kontrovers. Sie würdigte zwar den «Ansatz der Gebäudeverschmelzung», vermisste aber «eine Eigenständigkeit des Neubauteils» und stuft das «stilistische Weiterbauen» als zu «unkritisch» ein. Das Projekt will das Rad der Zeit zurückdrehen und wendet dazu das Verfahren «Copy and Paste» an. Vielversprechender wäre wohl die Methodik der Analogen Architektur gewesen, die den Bestand neu interpretiert und sinngemäss weiterbaut.

Zeitgemäss, bescheiden und sympathisch

Die Jury kam zum Schluss, dass sich die Erweiterung der Rafaelschule vom Bestand absetzen soll. Sie legte Wert auf gut funktionierende Grundrisse und auf «eine zeitgemässe Anlage mit sympathischer und bescheidener Ausstrahlung». Der Beitrag von Bischof Föhn Architekten entsprach diesen Anforderungen am besten. Versuche, den Bestand zu überformen oder im selben Stil weiterzubauen, konnten sich nicht durchsetzen. Trotzdem hat gerade der kontroverse Umgang mit dem Bestand dazu beigetragen, dass die Jury verschiedene Haltungen gegeneinander abwägen konnte und zu einem einstimmigen Entscheid gekommen ist.

Pläne und Jurybericht zum Wettbewerb finden sich auf competitions.espazium.ch

Auszeichnungen

1. Rang /1 . Preis: «Specht»
Bischof Föhn Architekten, Zürich, LINEA Landscape Architecture, Zürich
2. Rang / 2. Preis: «Herr Nilsson»
Schmid Schärer Architekten, Zürich, Andreas Geser Landschaftsarchitekten, Zürich
3. Rang / 3. Preis: «Wie es mir gefällt»
Baumberger Stegmeier Architekten, Zürich, Berchtold.Lenzin, Zürich

FachJury

Michel Zünd, Architekt, Stiftungsrat; Christine Enzmann, Architektin, Amt für Städtebau; Pascale Guignard, Architektin; Sibylle Aubort Raderschall, Landschaftsarchitektin; Ivo Moeschlin, Architekt (Ersatz/Moderation)

SachJury

Barbara Jaeggi, Stiftungsrat; Silvia Kramer, Stiftungsrat; Alexander Melliger, Schulleitung; Christoph Frei, Stiftungsrat (Ersatz)

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