Im Eink­lang von Alt und Neu

Musik-Akademie Basel Campus 2040; Studienauftrag im selektiven Verfahren

Das junge Architekturbüro namens Architecture Club verdichtet den «Musik-Akademie Basel Campus 2040» innerhalb einer bestehenden Schonzone. Zugleich öffnet sich der Ort der Musik durch eine starke Geste zur Stadt.

Date de publication
06-10-2022

Die Musik-Akademie in Basel befindet sich in der historischen Altstadt. Sie umfasst 14 Häuser zwischen Kohlenberg, Leonhardsstrasse, Leonhardsgraben und Steinengraben, die von zwei grossen Höfen gefasst werden und deren Architektur vom Mittelalter bis in die Neuzeit reicht. Begonnen hat alles 1867, als der Waisenvater Johann Jakob Schäublin-Vögtlin zusammen mit der Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige (GGG) die Allgemeinen Musikschule gründete. Diese vereinigte sich 1954 mit der vom Dirigenten Paul Sacher ins Leben gerufenen «Schola Cantorum Basiliensis» sowie mit der Hochschule für Musik, die seit 2008 in die Fachhochschule Nordwestschweiz integriert ist.

Doch der Austausch zwischen der Stadt und dem Ort der Musik ist verhalten. Um ihn zu fördern und zu stärken, entschied sich die Musik-Akademie für einen Erneuerungsprozess und schrieb einen Studienauftrag im selektiven Verfahren mit einer Lösungsfindung im Dialog aus. Es gingen 37 Bewerbungen von Architektur- und Landschaftsplanungsbüros aus der ganzen Schweiz und Europa ein. Unter Vorsitz des Architekten ­Pierre de Meuron wählte die Jury vier Basler Architektur­büros aus, die ihre Projekte im Dialog weiterbearbeiteten.

Im Vordergrund standen die Sanierung und Umstrukturierung der bestehenden Gebäude und In­frastrukturen. Zugleich sollten neue Räume den wachsenden Platzbedarf erfüllen und es ermöglichen, mit der aktuellen Entwicklung in der musikalischen Bildung und Ausbildung mitzuhalten. Dazu gehören Ensemble-, Unterrichts-, Seminar- und Proberäume sowie ein Rhythmikraum, aber auch ein polyvalenter Musiksaal mit rund 340 m² Fläche: die Salle Modulable.

Diese war im Programm des Studienauftrags ursprünglich unterhalb des belebten Akademiehofs vorgesehen. Doch keine der ­Lösungen aus der ersten Zwischenpräsenta­tion überzeugte. Um den Hof in seinem jetzigen Zustand zu bewahren, regte das Beurteilungsgremium an, den polyvalenten Musiksaal an einen anderen Ort oberirdisch anzuordnen. Dafür wurde der ursprüngliche Projekt­perimeter zum Ideenperimeter «Musik-Akademie Basel Campus 2040» ausgeweitet. Er umfasst eine Fläche von rund 11 000 m² mit allen Grundstücken und Liegenschaften, die die Musik-Akademie Basel heute beansprucht. Nach der zweiten Zwischenpräsentation stand fest, dass die Etappen sich gemäss der Priorisierung des Raumprogramms in erste (Nordbereich) und zweite Priorität (Südbereich) trennen mussten. Damit ergab sich die Option, die neuen Nutzungen in ein Volumen oberhalb der grösstenteils unter­irdischen Bibliothek im Nordhof zu integrieren. Die Neubauten sollten ein sichtbares Zeichen mit identitätsstiftender Wirkung setzen. Gleichzeitig stand fest, den historischen Kontext zu erhalten und die schützenswerten Bauten von markanten Eingriffen und Grossbau­stellen zu verschonen.

Archäologisches Fundament

Das Projekt des Teams Architecture Club löste die Aufgabe am überzeugendsten und wird zur Weiterbearbeitung empfohlen. In ihrem Konzept sticht ein prägnanter Neubau hervor. Dieser überspannt in einer brückenartigen Konstruktion die Dachfläche der Bibliothek im Nordhof. Wie eine Kappe stülpen sich Photovoltaikziegel über das Gebäude. Damit setzt der Bau einerseits ein weit über den Campus hinaus sichtbares Zeichen; gleichzeitig bleibt die bestehende Bibliothek im Untergrund erhalten. Die Aufständerung lässt den Blick vom Leonhardsgraben in den Hof frei. Oder wie es die Architekten formulieren: Durch die Verankerung des Neubaus auf dem «archäologischen Fundament» wird die Öffnung auf dem Durchgangsniveau nicht blockiert.

Das experimentelle «Aussen­foyer» unterhalb des Neubaus dient als Begegnungsort, zur Anlieferung, aber auch für Konzerte, Performances oder informelle Events. Um den Zugang frei von Hindernissen zu gestalten, verbindet eine Rampe die erhöhte Plattform mit dem tiefer gelegenen Strassen­niveau am Leonhardsgraben. Zwei Zugänge in der gegliederten Ganzglasfassade des Hauses 5 am Leonhardsgraben animieren Passanten den Nordhof und den gesamten Campus zu betreten und zu erkunden. In ihrer Form ähneln die öffentlichen Durchgänge einem Gehörgang, der der Musik-­Akademie zu dieser Stras­sen­seite ein neues Gesicht verleiht. Das Haus 5 wird durch die neu gestaltete Glasfassade, die die Flucht der angrenzenden Bauten aufnimmt, zur Stras­se erweitert und bietet damit mehr Platz für Unterrichtsräume. So bekommt der Nordhof eine neue Gewichtung im Campus und darüber hinaus. Auch die zwei Zugänge in der Fassade des Hauses 5 tragen dazu bei. Aus Sicht der Denkmalpflege sind die neue Fassade und der überhohe Neubau über der Bibliothek mit den Anforderungen der Schonzone vereinbar.

Kritisch beurteilt die Jury allerdings die Holzkonstruktion des Neubaus; die bauakustischen Massnahmen, insbesondere für die Körperschallentkoppelung in der Salle Modulable, in den grossen En­sem­ble- und Studioräumen sowie im Rhythmiksaal würden einen Mehraufwand bedeuten. Auch die Deckenstärken des Neubaus werden als unzureichend eingestuft, und die Platzierung der schallintensiven Räume – etwa für Perkussion oder Rhythmik – im umgebauten Haus 5 wirkt nicht überzeugend. Ein weiteres neues Element auf dem Campus bildet der trompetenförmige Durchgang vom Moser-­Garten zum Akademiehof. Diese ­Verknüpfung der südlichen und nördlichen Hofräume entlastet das Treppenhaus im Haus 6, dem Hauptgebäude im Zentrum des Campus, von seiner Aufgabe als Transitraum.

Der erhaltene Akademiehof wird gegen Osten, zum Garten des Hauses 2, erweitert. Als Scharnier zwischen den beiden Aussenräumen fungiert der Annexbau vom Haus 7, in dem neu eine Cafeteria integriert wird. In zweiter Priorität soll das Haus 9 durch einen Neubau, der die Traufhöhe des Hauptgebäudes übernimmt, ersetzt werden. Damit wird der «Grosse Saal» im Haus 21 frei gestellt.

Überbauen oder neu bauen

In den Beiträgen von Christ & Gantenbein sowie Diener &Diener wird die Bibliothek ebenfalls durch einen Neubau im Nordhof überbaut. Christ & Gantenbein ordnen die Salle Modulable zusammen mit der Probebühne im Erdgeschoss an. Doch der Fussabdruck des sehr gros­sen Volumens beengt die Platzverhältnisse im Hof, und das geschlossene Erdgeschoss kann nicht zur Belebung der Umgebung beitragen. Auch den industriellen Charakter der Fassadenverkleidung aus Faserzementplatten und Klappläden beurteilt die Jury als zu fremd in dieser Umgebung. Viel moderater ist der Beitrag von Diener & Diener. Die zurückhaltend gestalteten Neubauten – einer im Hof, der andere am Leonhardsgraben – respektieren die Trauf- und Giebelhöhe des Bestands und fügen sich in ihrer Gestaltung weitgehend in die Bebauung ein. Allerdings findet das geforderte Raumprogramm nicht oberirdisch Platz. Viele Nutzungen müssen in die drei Unterschosse der Neubauten verlegt werden. Das wirkt sich auch auf die Belichtung und Zugänglichkeit aus. Ein schmaler Hof gräbt sich zwischen den Neubauten tief ins Terrain und belichtet mit einer verglasten Fassade die Bibliothek und alle weiteren unterirdischen Nutzungen. Diese aufwendige Baumassnahme erschwert den Zugang zum Campus vom Leonhardsgraben. Eine hindernisfreie Verbindung in Nord-Süd-Richtung ist nur im Untergeschoss vorgesehen – die Jury bezeichnet das als grosses Manko.

Einen anderen Weg schlägt die Arbeitsgemeinschaft von Harry Gugger Studio und Luca Selva ein. In ihrem Beitrag bleibt der Nordhof weitgehend frei, denn der Ersatzneubau für das Haus 5 am Leon­hards­graben nimmt alle Räume der ersten Priorität auf. Den Niveausprung zwischen der Strasse und dem Hof löst der Neubau durch das «Stadtfoyer». Eine halbgeschossig versetzte Treppenanlage verknüpft die Ebenen, bietet einen angemes­senen Eingangsraum zur Salle Mo­dulable und einen repräsentativen Zugang auf den Campus; da der Saal im Untergeschoss liegt, wird er mit hoch liegenden Fensterbändern vom Leonhardsgraben her belichtet. Doch das Projekt erfüllt die Anforderungen an die Schonzone nicht. Der Neubau am Leonhardsgraben überschreitet die Nachbargebäude in Höhe und Tiefe deutlich und lässt sich durch seine sägezahnartige Fassade schlecht in den Bestand integrieren.

Erhalten und neu gestalten

Im Studienauftrag stand eine Frage im Vordergrund: Wie geschickt können die zusätzlichen Bedürfnisse und Anforderungen der Musik-Akademie in Basel baulich umgesetzt werden, ohne den bestehenden Qualitäten zu schaden? Denn in der Schonzone neu zu bauen verlangt nach einer subtilen Abwägung zwischen erhalten und neu gestalten. Beim Projekt von Architecture Club schätzt die Jury den mutigen Entscheid, nach innen zu verdichten, ohne historische Substanz zu zerstören: ein Projekt im Einklang.

Jurybericht und Pläne auf competitions.espazium.ch

Empfehlung zur Weiterbearbeitung

Architecture Club, Basel; Chaves Biedermann Landschaftsarchitekten, Basel; WMM Ingenieure, Münchenstein; WSDG Architectural Acoustic Consulting, Basel; Transsolar KlimaEngineering, Stuttgart; Gruner, Brandschutz, Basel; Knippershelbig, Stuttgart; Xaos Collective, Basel

Weitere Teilnehmende

Christ & Gantenbein, Basel; Maurus Schifferli Landschaftsarchitekt, Bern; Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure, Zürich; Martin Lienhard – Büro für Bau- und Raumakustik, Lärmschutz, Langenbruck; Eicher + Pauli, Liestal; Risam, Risk & Safety Management, Basel

Diener & Diener Architekten, Basel; Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich; ZPF Engineers, Basel; Müller-BBM, Planegg; Ingenieurbüro Stefan Graf, Basel

ARGE Harry Gugger Studio, Basel/ Luca Selva AG, Basel; August + Mar­grith Künzel Landschaftsarchitekten, Binningen; Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel; Waldhauser + Hermann, Münchenstein; Martin Lienhard, Büro für Bau- und Raum­akustik, Langenbruck; BIQS Basel

Nachrückteams

ARGE Buol & Zünd Architekten, Basel, mit Caruso St. John Architects, Zürich mit Ghiggi Paesaggi, Zürich

Kosmos Architektur & Design, Zürich, mit Eder Landschaftsarchitekten, Zürich (Nachwuchsbüro)

FachJury

Pierre de Meuron (Vorsitz), Architekt, Basel; Beat Aeberhard, Kantonsbaumeister, Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt (BVD Basel-Stadt); Céline Baumann, Landschaftsarchitektin, Basel; Paola Maranta, Architektin, Basel; Jürg Degen (Ersatz), Leiter Abteilung Städtebau, BVD Basel-Stadt

SachJury

Silvia Rapp, Präsidentin Akademierat, Musik-Akademie Basel; Stephan Schmidt, Direktor Musik-Akademie Basel und Hochschule für Musik FHNW; Prof. Dr. Ramon Mabillard (Ersatz), Vizepräsident Akademierat, Musik-Akademie Basel

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