Ein ge­mein­sames Verständ­nis für die di­gi­tale Trans­for­ma­tion

Die Digitalisierung ist ein Garant für die Wettbewerbsfähigkeit der Planungs- und Baubranche. Trotzdem tut sich die Branche damit schwer. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Möglicherweise fehlt es auch an der Basis – einem gemeinsamen Zielbild.

Date de publication
29-03-2023

Die digitale Transformation ist wieder in aller Munde. Der Chatbot ChatGPT, ein textbasiertes Dialogsystem, das auf maschinellem Lernen beruht, hat gezeigt, was der digitale Wandel tatsächlich bedeutet. Und während die einen Branchen, aufgerüttelt durch den Chatbot, von einer Revolution sprechen und sich Gedanken über ihre Zukunft machen – beispielsweise die schreibende Zunft –, scheint bei anderen Branchen die digitale Transformation noch nicht wirklich angekommen zu sein.

Eine dieser Branchen im Dornröschenschlaf ist die Planungs- und Baubranche. Eine Studie von PwC aus dem Jahr 2021 zeigt es deutlich: Fast neun von zehn der befragten Unternehmen aus der Schweizer Baubranche sehen die Digitalisierung zwar als Chance, aber nur rund 60 Prozent der Be­fragten stufen deren Stellenwert in ihrem Unternehmen als hoch und sehr hoch ein. Oder in anderen Worten: Ganze 40 Prozent räumen der Digitalisierung nur einen geringen Stellenwert ein.

Die deutsche Studie aus dem Jahr 2020 «Zukunft Bau – Beitrag der Digitalisierung zur Produktivität in der Baubranche», die das ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim erstellt hat, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Über die Hälfte der deutschen Unternehmen (52.1 Prozent) sehen keine Notwendigkeit für Digitalisierungsprojekte. Weiter heisst es in der Studie, dass die Planungs- und Baubranche wenig in die Digitalisierung investiere und wenn, dann beschränke sie sich auf den Einsatz grundlegender ­digitaler Lösungen wie die der elektronischen Rechnungsstellung oder CAD-Anwendungen. Bauspezifische Technologien wie 3-D-Scanner oder virtuelle Realität, kurz VR, würden dagegen eher selten genutzt.

Fehlende Digitalisierungs-Guidelines

Die Gründe dafür liefert die Studie ebenfalls. Und auch wenn es eine deutsche Studie ist, kann davon ausgegangen werden, dass diese ebenfalls für die Schweizer Planungs- und Baubranche zutreffen. Es mag paradox klingen, aber eine der Ur­sachen ist die gute wirtschaftliche Lage der Unternehmen – es fehlt schlicht und einfach an Kapazitäten, um sich dem Thema Digitalisierung zu widmen. Weitere Hemm­nisse sind ein hoher Investitionsbedarf, zu strikte Datenschutzregeln und unklare Standards und Schnittstellen.

Ein weiterer Grund für die eher verhaltene Entwicklung der digitalen Transformation in der Schweizer Planungs- und Baubranche sind möglicherweise fehlende Guidelines und fest verankerte Vorstellungen. Zwar gibt es die «Strategie Digitale Schweiz», die seit 2018 Leitlinien für das Handeln im Bereich der digitalen Transformation beinhaltet, aber es fehlt ihr an Griffigkeit betreffend der Planungs- und Baubranche. Die Strategie versteht sich als Dachstrategie der Digitalpolitik des Bundes, die durch sektorielle Strategien ergänzt wird. In neun Aktionsfeldern wird die Planungs-, Bau- und Immobilienbranche in zwei Zielen konkret angesprochen, und zwar im Aktionsfeld «Wirtschaft» und im Aktionsfeld «Daten, digitale Inhalte und künstliche Intelligenz».

Neben diesen beiden Zielen sind in den neun Aktionsfeldern 40 weitere Ziele aufgeführt. Für deren Umsetzung hat der Bund «Grundlagendokumente» und «Massnahmen zum Ziel» aufgeführt und daraus einen Aktionsplan mit 164 Massnahmen entwickelt. Zu den beiden Zielen, die auf die Planungs-, Bau- und Immobilienbranche zugeschnitten sind, ist weder ein Grundlagendokument noch eine einzige Massnahme aufgeführt.

Das ist schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Schweizer Planungs- und Baubranche rund 15 Prozent zum Bruttoinlandprodukt beiträgt und klar vor einem Paradigmenwechsel hin zu mehr Dif­ferenzierung über vernetztes Zusammenarbeiten steht, damit sie wettbewerbsfähig bleibt. Bereits heute ist feststellbar: Die Digita­lisierung reduziert Schnittstellen, erhöht die Qualität der Planungs- sowie Führungsprozesse und begünstigt die Reduktion von Fehlerkosten und Leerläufen auf dem Bau. Des Weiteren bringen Investitionen in die Digitalisierung eine stärkere Vernetzung von Unternehmen in der Bauwirtschaft und in der Wertschöpfungskette Bau mit sich.

Orientierung zur digitalen Transformation

Daher wäre ein gemeinsames Verständnis über die digitale Transformation der Schweizer Planungs- und Baubranche, das in einer Vision oder einem Zielbild verankert ist, ein echter Mehrwert. Weil die digitale Transformation mehr ist, als auf Teufel komm raus alles zu digitalisieren, was es zu digitalisieren gibt. Denn wer einen schlechten Prozess digitalisiert, macht diesen damit nicht besser – es braucht also eine gemeinsame Vorstellung.

Daher hat das netzwerk_digital, eine Plattform, die die digitale Transformation im Bau- und Immobilienwesen begleitet und koordiniert, ein Zielbild zur digitalen Transformation der Bauwirtschaft geschaffen – respektive eine Orientierung. Dieses wurde passend zum Anlass am BIM Industry Day der SBB am 14. März präsentiert. Es will keine Vorgaben für die digitale Transformation definieren, sondern den Akteurinnen und Akteuren der Planungs- und Baubranche eine Orientierungshilfe für die eigenen strategischen Prozesse geben.

Auf Basis der eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse haben die Initianten eine Ausgangslage, die den Wandel der Branche beschreibt und acht Szenarien, die als Impulse für ein gemeinsames Zielbild wirken, erarbeitet. Weil bei der digitalen Transformation der Dialog und eine partnerschaftliche Zusammenarbeit im Zentrum stehen, ist das auch nicht als One-Way-Kommunikation zu verstehen. Daher wird das netzwerk_digital in diesem Jahr die Impulse in Gremien und an Veranstaltungen spiegeln.

Die Akteurinnen und Akteure der Planungs- und Baubranche sind dazu eingeladen, die zusammengetragenen Impulse auf der Website des netzwerk_digital zu kommentieren. Die Autorinnen und Autoren stehen zudem zur Verfügung, um das Thema digitale Transformation der Branche an Treffen von Verbänden oder in Unternehmen einzubringen. Nach der Konsolidierung der Rückmeldungen ist ein Anlass an der Swissbau 2024 für eine breite Debatte geplant. Damit soll ein erster Schritt in Richtung eines gemeinsamen Verständnisses gemacht werden, damit die digitale Transformation der Planungs- und Baubranche nicht ein Papiertiger bleibt, sondern gelebt wird.

Vision für die Bauwirtschaft

Das netzwerk_digital will mit den acht erarbeiteten Impulsen des Zielbilds Diskussionen bei und unter den Verbänden und Unternehmen anstossen, dazu aufrufen, eigene Strategieprozesse zur digitalen Transformation auszulösen, Verständnis schaffen für den Nutzen digitaler Instrumente und Daten zur Bewältigung der aktuellen und zukünftigen Heraus­forderungen und die Bedeutung von Dialog und partnerschaftlicher Zusammenarbeit unterstreichen – eine Rückmeldung ist ausdrücklich erwünscht auf netzwerk-digital.ch.

 

netzwerk_digital

Das netzwerk_digital ist ein verbandsübergreifendes Gefäss, das Fragen zur digitalen Transformation in der Planungs- und Baubranche koordiniert, wie beispielsweise zu Leistungsbildern, Verantwortung und BIM-Bestellung. Die Koordinierungsplattform ist ein gemeinsames Projekt des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA, Bauenschweiz, der Schweizerischen Zentralstelle für Baurationalisierung CRB, der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren KBOB, der Interessengemeinschaft privater professioneller Bauherren IPB und von Bauen digital Schweiz / building­Smart Switzerland.

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