Vo­nei­nan­der los­gelöst

Werkhof Energie Opfikon

Riesige Betonrampen, ein stählernes Exoskelett und im Innern eine Bohrpfahlwand als Raumabschluss: Der Werkhof der Energie Opfikon passt nicht ins Schema einer gängigen Werkhalle. Unterschiedliche Konstruktionen mit statisch verschiedenen Aufgaben sind in einem grossen Ganzen vereint, das flexibel nutzbar bleiben möchte – auch künftig.

Date de publication
05-10-2023

Ein pragmatischer Zweckbau an einem städtebaulichen Unort: So hätte der neue Werkhof der Energie ­Opfikon in Rümlang auch ausfallen können. Der Neubau liegt am ausfransenden Rand des Industriegebiets Eich, an der Grenze zur Landwirtschafts- und Erholungszone Froloch, eingezwängt zwischen grüner Wiese und einem tristen, von hingewürfelten Gewerbeblöcken gesäumten Stras­senraum.

Für das Planungsteam war es nicht eben einfach, den Kontext als Inspiration für den Entwurf des Neubaus zu begreifen. Dass dies dennoch gelang, ist einem unkonventionellen – und vielleicht gerade deshalb sehr zeitgemässen – Umgang mit der Aufgabe zu verdanken: Die Planerinnen und Planer entwickelten den Bau wie eine Collage, bei dem heterogene Elemente, die jeweils ihrer eigenen Logik folgen, sich zu einem erstaunlich stimmigen Ganzen fügen.

In den Hang geschoben

Ein Beispiel für diesen konzeptionellen Ansatz ist der Umgang mit der Topografie: Weil die Parzelle abschüssig und der Platz knapp war, wurde der Hang kurzerhand bis beinahe zur Grundstücksgrenze abgetragen und die Baugrubensicherung als Rückwand für den Neubau genutzt. Dank der Nutzung als Einstellhalle und Werkstatt – und der Aufgeschlossenheit der Bauherrschaft – war es möglich, die Bohrpfahlwand tatsächlich als solche zu belassen, mit einer Schicht Spritzbeton nachträglich veredelt zwar, aber ungedämmt und roh – stellenweise tropft Wasser aus der Wand.

Der vordere Teil des Werkhofs wurde als akkurat konstruierte Box vor die archaische Rückwand geschoben. Baugrubensicherung und Gebäude berühren sich, bleiben aber entkoppelt – gestalterisch und statisch. Sichtbare Anschlüsse und ein Oberlichtband zwischen den beiden Gebäudeteilen unterstreichen die radikale Konsequenz, mit der die Idee des reversiblen Zusammenfügens umgesetzt wurde. Und entsprechend dieser Entkoppelung werden vom Baugrubenabschluss her auch keine Kräfte ins Gebäude eingeleitet.

Konstruktionselemente als Baukasten

Dieses additive Prinzip wird in allen Aspekten des Gebäudes durchdekliniert. Zum einen bei der Nutzung: Die beheizbaren Arbeitsräume wie Büros oder Garderoben sind als Galerie ausgebildetes Zwischengeschoss ins Volumen eingefügt, die geforderten Autoabstell­plätze als Parkdeck obendrauf platziert, geschwungene Spiralrampen sowie ein Lift- und Treppenturm aussen angedockt.

Zum anderen bei Tragwerk und Konstruktion: Elemente, die vornehmlich horizontale beziehungsweise vertikale Lasten abtragen, haben unterschied­liche Farben, die Anschlüsse sind sichtbar und mit grosser Sorgfalt konstruiert. Der Grundgedanke des Gebäudes – die pragmatische, aber fast schon poetisch zu Ende gedachte Logik der Addition unterschiedlicher Elemente – konnte nur dank einer engen Zusammen­arbeit zwischen Architektur- und Ingenieurbüro so erfolgreich umgesetzt werden.

Rampen, Turm und Wendeltreppen

Beginnend mit den beiden auffälligen Auffahrtsrampen aus Ortbeton erstreckt sich das 90 m lange Werkgebäude über die gesamte Parzellenlänge. Die Einstellhalle im Erdgeschoss für die Einsatzfahrzeuge wird auf der Nordseite über grosse Garagentore erschlossen. Im hinteren Gebäudeteil befinden sich Lagerflächen, belichtet über ein Oberlichtband aus Glasbausteinen.

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Die über der Einstellhalle auf dem Galerie-Zwischengeschoss angeordneten Büros sind über ein durchgehendes Fensterband an der Nordfassade be­lichtet und profitieren von kurzen Wegen zu Lager, Einstellhalle und Parkdeck. Die Verbindung für Fussgänger erfolgt über einen separaten Ortbeton-Liftturm mit umlaufender Wendeltreppe und Brücken aus verzinktem Stahl.

Unabhängigkeit über die Zeit

In Längsrichtung ist der Bau um drei Achsen erweiterbar. Ausserdem ist eine spätere Aufstockung um zwei Geschosse möglich, weswegen das Stahl-Beton-Verbundtragwerk heute überdimensioniert und redundant ausgelegt ist. Damit weist das Stahltragwerk ohne Brandschutzanstrich einen 30-minütigen Brandwiderstand auf. Bei einer Aufstockung wären 60 Minuten gefordert und ein Brandschutzanstrich notwendig.

Weitere spannende Beiträge zum Thema Stahl finden Sie in unserem E-Dossier.

Das statische Raster ist mit 8.25 m konsequent einfach gehalten und ermöglicht eine gute und langfristige Flexibilität. Der innen liegende Stahlbau ist auf das Raster ausgerichtet und besteht aus einer An­einanderreihung von zwölf einhüftigen Rahmen. Zwischen den Stahlrahmen wurden auf dem Zwischen- und Obergeschoss vorfabrizierte und vorgespannte Betonhohldielen verlegt, die kraftschlüssig über horizontale Verdübelungen miteinander verbunden sind. Diese Dielen werden mit einem Ringanker ausgebildet, sodass die aussteifende Membrantragwirkung in Deckenebene sichergestellt werden kann.

Die Hauptträger – im Gefälle angeordnet, um die Entwässerung des Parkdecks zu gewährleisten – wurden durchgehend als zweifeldrige Riegel in einem Stück montiert und dreimal aufgelagert. Bei der Fassade geht die Stütze bis zur Oberkante des ­Flanschs – der Träger ist also angehängt. Die mittlere Stütze schliesst biegesteif an der Unterkante des Trägers an, während hangseitig die Hauptträger gelenkig auf der rückwärtigen Bohrpfahlwand auflagern.

Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 32–33 «Stahl zum Staunen».

Werkhof Energie Opfikon, Rümlang ZH

 

Bauherrschaft
Energie Opfikon

 

Architektur
idArchitekt.innen SIA und AETAL. Aktiengesellschaft, Zürich

 

Tragwerkplanung
Büeler Fischli Bauingenieure, Zürich

 

Totalunternehmung
Erne plus, Zürich

 

Bauherrenberatung
Conarenco, Zürich

 

HLKS-Planung
Leimgruber Fischer Schaub, Ennetbaden

 

Elektroplanung
Edico, Kaiseraugst

 

Bauphysik
Michael Wichser+Partner, Dübendorf

 

Geologie
Friedlipartner, Zürich

 

Stahlbau
Aepli Stahlbau, Gossau SG

 

Daten

 

Wettbewerb
2018

 

Ausführung
2018–2021

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