Ein An­kauf mit Pfiff

Das Hotel Rhodannenberg liegt neben dem Staudamm des Klöntalersees in einer ökologisch sensiblen Landschaft und soll umfassend erneuert werden. Das moderate Punkthaus von lemi Architekten setzt sich gegen den visionären Ansatz von Tobias Erb und Lukas Ingold Architektur durch.

Date de publication
30-05-2024

Umbau und Erweiterung oder Ersatzneubau Hotel Rhodannenberg, Klöntal

Projektwettbewerb im offenen Verfahren

Das Klöntal verbindet den Kanton Glarus über den Pragelpass mit dem Kanton Schwyz. Der Klöntalersee entstand durch einen Bergsturz, der das Wasser der Klön staute. Im Lauf der Zeit formte der Fluss Löntsch in den Schuttmassen eine Rinne, die das Wasser zur Linth leitete. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der 6 m breite und 220 m lange Staudamm erstellt; ein Überlaufturm verhindert seither Überflutungen des Damms bei Hochwasser und ­vollem See. Das Klöntal ist nicht nur für Wanderungen und Fahrradausflüge beliebt, sondern spricht auch Badegäste und Wassersportbegeisterte an.

Das Hotel Rhodannenberg liegt am östlichen Seeufer neben dem Staudamm, etwa 5 km westlich der Stadt Glarus. Der traditionsreiche Betrieb besteht seit 100 Jahren. Nachdem Adrian und Adelheid van Sprundel das Restaurant und Hotel als Familienbetrieb 40 Jahre lang gepachtet hatten, wurde der Betrieb 2014 an die Hotel Rhodannenberg AG unter der Führung ihres Sohns André van Sprundel verkauft. Jetzt soll der Betrieb erweitert und neu ausgerichtet werden. Im Vordergrund steht der ganzjährige Betrieb als Ausflugsziel mit Restaurant und Hotel.

Das Hotel Rhodannenberg liegt in einer Gegend, die eine landschaftlich und ökologisch sensible Herangehensweise erfordert: In un­mittelbarer Umgebung befinden sich zwei Schutzobjekte von nationaler Bedeutung: ein Laichgebiet von ­Amphibien entlang des Sees sowie Trockenwiesen und -weiden nördlich und westlich des bestehenden Hotels. Einerseits sollen gemäss kommunalem Richtplan «vielfältige Erholungs- und Freizeitmöglichkeiten sowie zugkräftige, touristische Angebote» entstehen, andererseits sind gegensätzliche Nutzungsan­sprüche wie Landschafts- und Naturschutz, Erholung, Verkehr und Landwirtschaft aufeinander abzustimmen.

Das Hotel soll neu 36 Zimmer mit grossen Balkonen und Seesicht umfassen. Das Angebot richtet sich an drei Kundensegmente: Indivi­dual-, Business- und Eventgäste. Angestrebt wird ein mittelklassiges 3-Sterne-Superior-Hotel. Neben dem Restaurant mit Bedienung für die Hotelgäste und Seminarteilnehmenden ist auch ein Selbstbedienungsrestaurant für Tagestouristen und Badegäste vorgesehen.

Alle Gebäude im Bearbeitungsperimeter können abgebrochen werden. Weder das bestehende Hotel Rhodannenberg und die westlich liegenden Ökonomiebauten noch das Stallgebäude auf der Ostseite sind geschützt oder wurden als schützenswert eingestuft.

Zur Evaluation verschiedener Lösungsansätze hat die Eigentümerin einen Projektwettbewerb im offenen Verfahren nach den Grundsätzen der Ordnung für Wettbewerbe SIA 142 ausgeschrieben. Teilnahmeberechtigt waren Teams von Architektur- und Landschaftsarchitekturbüros. Von den Teilnehmenden wurde eine differenzierte Analyse des Orts und eine sorgfältig in die Landschaft eingebettete Architektur erwartet. 33 Beiträge gingen fristgerecht ein. Davon wiesen zwei Eingaben wesentliche Verstösse gegen die im Wettbewerbs­programm formulierten Rahmenbedingungen auf.

Punktlandung

Die Jury empfiehlt einstimmig den Beitrag «Horst» des Teams von lemi Architekten zur Weiterbearbeitung. Der Beitrag setzt auf ein viergeschossiges Punkthaus als Auftakt des Klöntals, das geschickt in drei Gebäudeflügel aufgeteilt ist. Diese richten sich gegen Osten zum Vor­der Glärnisch, gegen Süden zur Felswand des Vrenelisgärtli und gegen Norden zum Gumenstock aus. Das bestehende Ökonomiegebäude im Osten soll als Bootsverleih mit einem Lädeli und einem Kiosk genutzt ­werden. Zwischen dem Punkthaus und der bestehenden Scheune spannt sich ein Freiraum auf, der als angenehmer Ankunfts- und Aufenthaltsort dient.

Die Aussenräume des Hotel- und Restaurantkomplexes sind auf der bestehenden Aufschüttung angeordnet und setzen sich von der stark befahrenen Passstrasse ab. Das Punkthaus weist einen kleinen Fussabdruck auf, die Wege sind kurz und die Betriebsabläufe effizient. Seminarräume und Aufenthaltsbereich der Hotelgäste sind zusammen im ersten Obergeschoss untergebracht, was die Nutzung von Synergien ermöglicht. Die drei Obergeschosse sind als Holzbau konzipiert und stehen auf einem Betonsockel. Das Hotel bietet insgesamt 33 Zimmer an.

Visionäres Kraftwerk mit Gastronomie

Das Projekt «Kraft-Werk» des Teams um Tobias Erb und Lukas Ingold Architektur analysierte die bestehenden Inge­nieurbauten ganz nüchtern und entwickelte daraus konsequent eine radikale Vision, die den Wettbewerbs­perimeter massiv überschreitet und darum nur mit einem Ankauf ausgezeichnet werden konnte.

Das Raumprogramm ist in drei gesonderte Bereiche aufgeteilt. Das Hotel mit 36 Zimmern schmiegt sich als eingeschossiges, 170 m langes Gebäude an die Krone des Staudamms. Die Hotelzimmer schweben über der Wasseroberfläche und sind gegen Westen ganz verglast. Das Restaurant wird als Rundbau auf den Überlaufturm aufgesetzt und über einen Steg mit dem Ufer verbunden. Die grosse Dachterrasse kann für Events oder Konzerte genutzt werden. Als drittes Element sieht der Beitrag ein mobiles Bade- und Saunafloss vor, das je nach ­Jahreszeit und Gebrauch an einem anderen Ort auf dem See vertäut werden kann. Das bestehende Hotel soll in Zukunft als Personal- und Administrationsgebäude genutzt werden.

Die Verfassenden bauen auf die bestehenden Ingenieurbauten und entwickeln daraus ein originäres, unverwechselbares Konzept, das rigoros den Bestand überformt und die Landschaft kaum tangiert. Die Jury ist voll des Lobs über den mutigen Ansatz, weist aber auch auf die betrieblichen Schwierigkeiten hin, die mit der Trennung von Hotel, Restaurant und Wellnessbereich verbunden sind.

Mit Schwung

Das Projekt «Die Landschaft eine Bühne» von Lauener Baer Architekten erhielt den zweiten Preis. Es schlägt einen Neubau im westlichen Bereich des Perimeters vor, der sich leicht geschwungen an die Bergflanke schmiegt. Mit vier Vollgeschossen und einer Attika erinnert das dominante Gebäude an grosse Hotel­komplexe in mondänen Badeorten. Diese Typologie erscheint im Klöntal fremd und würde wohl eher an die Riviera passen. Die Rückseite des Gebäudes ist mit der Anlieferung belegt und sehr pragmatisch und funktional organisiert. Die vorgefertigten Zimmer sorgen für einen schnellen Bauablauf und für eine witterungsunabhängige Produktion.

Utopisch oder moderat?

Der angekaufte Beitrag «Kraft-Werk» setzt auf die bestehenden Ingenieurbauten als Plattform für den neuen Hotel- und Restaura­tions­betrieb. Sie dienen als Bühne für die Inszenierung eines faszinierenden, aber in der Konsequenz herausfordernden Projekts.

Die Jury hätte den Beitrag als Ankauf im ersten Rang zur Weiterbearbeitung empfehlen können.Ein solcher Entscheid hätte aber viel Mut und eine entschiedene ­Bereitschaft der Auftraggeberin erfordert, sich den damit verbundenen betrieblichen Herausforderungen zu stellen.

Das Beispiel zeigt, wie wichtig Ankäufe als Teil der Baukultur sind. Im Vorfeld eines Wettbewerbs kann auch eine erfahrene Verfahrensbegleitung nicht alle Lösungsansätze vorhersehen. Deshalb müssen auch Beiträge mit wesentlichen Verstössen gegen die Rahmenbe­dingungen zur Weiterbearbeitung empfohlen werden können.

Mit dem Projekt «Horst» hat sich die Jury für einen moderateren Ansatz entschieden, der einen etwas biederen Auftakt zum Klöntal setzt, betriebliche Vorteile bietet und eine wirtschaftliche Umsetzung ­verspricht.

Jurybericht, Pläne und Bilder auf competitions.espazium.ch

Rangierte Projekte

1. Rang, 1. Preis: «Horst»
lemi Architekten, Zürich; Kolb Landschaftsarchitektur, Zürich
2. Rang, 2. Preis: «Die Landschaft eine Bühne»
Lauener Baer Architekten, Frauenfeld; Martin Klauser Landschaftsarchitekt, Rorschach
3. Rang, 3. Preis: «Principi»
Blaas Architekten, Zürich; SKK Landschaftsarchitekten, Zürich
4. Rang, 4. Preis: «Vreneli»
Riedl Architekten, Mollis; Peter Vogt Landschafts­architektur, Vaduz
5. Rang, 5. Preis: «Schwanensee»
Marius Naef Architekt, Zürich; Imhof Jodok Landschaftsarchitekt, Zürich
6. Rang, 6. Preis: «Triada»
Schmid Ziöjen Architekten, Zürich; Claudia Wolfensberger, Winterthur
1. Ankauf: «Kraft-Werk»
Tobias Erb und Lukas Ingold Architektur, Bern; Dr. Patrick Ole Ohlbrock, Zürich

Fachjury

Martin Schneider, Architekt, Zürich/Weinfelden (Vorsitz); Beat Schneider, Architekt, Aarau; Bettina Neumann, Architektin, Zürich; Daniel Cavelti, Architekt, St. Gallen; Bernhard Flühler, Architekt, St. Gallen; Marie-­­­Noëlle Adolph, Landschaftsarchitektin, Meilen; Nina Cattaneo, Architektin, Zürich/Glarus Nord (Ersatz ohne Stimmrecht)

Sachjury

André van Sprundel, In­haber Rhodannenberg Holding; Hans Peter Spälti, Gemeinderat Glarus Nord; Adrian van Sprundel, Ver­waltungsrat Rhodannenberg Holding; Caspar Jenny, Immobilienberater, Niederurnen

Jean-Pierre Wymann ist Architekt ETH SIA BSA mit eigenem Architekturbüro. Er ist als Bauherrenberater und Verfahrensbegleiter tätig.

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