Wasch­be­ton und Wel­le­ter­nit

Sanierung und Aufstockung Lindendorf II, Ostermundigen

Fassaden sind wie Gesichter – sie erzählen Geschichten und machen neugierig auf das, was sich dahinter verbirgt. So auch bei der sich wandelnden Siedlung Lindendorf II in Berns Agglomeration.

Date de publication
05-12-2024

Im Frühling 2024 hat der Gemeinderat von Ostermundigen die zukünftige Entwicklung der Berner Gemeinde vorgestellt. Die neue baurechtliche Grundordnung sieht vor, dass die Einwohnerzahl bis 2024 um 11 % auf rund 20 400 Personen wächst. Der dafür nötige Wohnraum soll durch bauliche Verdichtung geschaffen werden. 

Eine Möglichkeit dazu sind Aufstockungen, wie die Wohnüberbauung Lindendorf II es vormacht. Der Bestand aus den 1980er-Jahren am nördlichen Siedlungsrand besteht aus zwölf Häusern, die sich jeweils aus zwei Teilen zusammensetzen. Sie sind von einer grosszügigen Grünfläche mit altem Baumbestand, Fusswegen und einem Biotop umgeben. 

Obwohl sich die Siedlung als Einheit präsentiert, gehören die Häuser seit jeher verschiedenen Eigentümern – heute sind es zehn. Eine der Eigentümerinnen ist die UBS Investment Foundation. Sie beauftragte W2H Architekten aus Bern 2014 mit der Sanierung ihrer Liegenschaft. Doch anstatt diese nur zu erneuern, überlegten sich die Architekten, ob nicht eine Aufstockung möglich wäre.

Verdichten und aufstocken

Bei der Gemeinde stiessen die Planer mit ihren Verdichtungsabsichten auf offene Ohren. In ihrem Auftrag erarbeiteten die Architekten ein Überbauungskonzept, das die Vorgaben für die Bebauungsstruktur, die Erschliessung, die Parkierung und die Umgebungsgestaltung für die gesamte Siedlung festlegte. Die grosszügigen Hausabstände erlaubten eine bis zu dreigeschossige Aufstockung. Die Höhenstaffelung der bestehenden Bebauung sollte jedoch erhalten bleiben. So dürfen die Gebäude im Zentrum des Areals von vier auf sieben Geschosse aufgestockt werden, während die Randbebauung maximal sechs Geschosse aufweisen darf. 

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Das erarbeitete Konzept erlaubt es, die bestehende Siedlung mit 228 Wohnungen um zusätzliche 110 Einheiten zu erweitern – was eine substanzielle Verdichtung an einem einzigen Ort ermöglicht. Die Überbauungsordnung wurde im November 2019 der Stimmbevölkerung von Ostermundigen vorgelegt und angenommen.

Aber nicht alle Eigentümer wollen aufstocken, und wenn, dann mit unterschiedlichen Architekturbüros. Deshalb haben W2H Architekten bei ihrer ersten Baueingabe ein Gestaltungskonzept für die gesamte Siedlung eingereicht. Inzwischen haben sie drei Sanierungen und Aufstockungen für drei verschiedene Bauherrschaften realisiert, die alle auf die gleiche Weise umgesetzt wurden. 

HPAG Architekten, das Architektur­büro Nissille und tsp Architekten wurden ebenfalls mit Aufstockungen beauftragt. Von den zwölf Häusern wurden sieben saniert und aufgestockt. Die Vorgaben des Gestaltungskonzepts lassen Spielraum zu, wie die bereits vielfältig realisierten Erneuerungen zeigen.

Licht und Schatten

Die bestehenden Gebäude zeichnen sich durch eine sorgfältig komponierte Fassade mit vielen Vor- und Rücksprüngen sowie Waschbetonelementen aus. Sie wirken robust und gut gealtert. W2H Architekten wollten den Charakter des Bestands erhalten. Sie bewahrten die Fassaden bei ihren drei Sanierungen, was dank der ausreichenden Dämmung des bestehenden zweischaligen Mauerwerks möglich war. Die Waschbetonelemente wurden gewaschen und neu imprägniert, der Putz wo nötig ausgebessert und neu gestrichen. Die Fenster wurden alle erneuert und mit einer Dreifachverglasung versehen, wobei die Architekten die bestehende Fensterteilung beibehielten.

Im Innern mussten die Architekten wegen der Schadstoffsanierung alle Oberflächen bis auf den Rohbau erneuern. Um die Lasten der Aufstockung aufnehmen zu können und die Erdbebensicherheit zu gewährleisten, wurde die Wand zwischen Bad und Wohnzimmer betoniert. Vor der Aufstockung mussten auch die Attika­geschosse abgebrochen und bis auf die Beton­decke und die Brüstungselemente aus Wasch­beton rückgebaut werden. Die Grundrisse blieben weitgehend erhalten und wurden auch für die Aufstockung übernommen.

Die neuen Aufbauten in Holzelementbauweise nehmen die Aussenlinien des Bestands mit all seinen Vor- und Rücksprüngen auf. Um den Minergie-Standard zu erreichen, wurden die Kellerdecke, das neue Dach und die Holzkonstruktion gut gedämmt. Die Fassade der Aufstockung misst rund 50  cm. Sie wird von einem 320  mm auf 60  mm dicken Ständer getragen, ist mit Mineralwolle ausgefacht und nach aussen mit gewellten Fassadenplatten abgeschlossen. 

Auf den ersten Blick überraschen die eigenständige Farbigkeit und Materialität der Aufbauten. Die Kombination aus lindgrünem Welleternit und den graubraunen Fassadenflächen aus Waschbeton und Putz ist ungewöhnlich und fällt auf. Was alt und neu verbindet, ist das Spiel von Licht und Schatten auf den strukturreichen Oberflächen. Dies verleiht den Baukörpern Tiefe und Plastizität.

Auf den zweiten Blick ist die Entscheidung, das Bestehende zu erhalten, zu würdigen und das Hinzugefügte klar als solches zu kennzeichnen, nachvollziehbar. So bleibt die Identität der Siedlung Lindendorf II intakt und die zwölf Häuser stehen im Dialog miteinander, auch wenn die einen noch im Originalzustand, die anderen saniert und aufgestockt sind.

Weitere Artikel zu Fassaden finden Sie in unserem digitalen Dossier.

Sanierung und Aufstockung Lindendorf II, Ostermundigen
    


Bauherrschaft
U15/17: Pensionskasse der Bernischen Kraftwerke
U31/33: Gebäudeversicherung Bern
U35/37: UBS Investment Foundation


Architektur
W2H Architekten, Bern
 

Tragkonstruktion
WAM Planer und Ingenieure, Bern;
Indermühle Bauingenieure, Thun
 

Fassadenplanung
Indermühle Bauingenieure, Thun 

 

Fassadenbau
Wirz Holzbau, Bern; 
Zaugg, Rohrbach
 

HLKS-Planung
Enerplan, Bern 
 

Bauphysik
Grolimund + Partner, Zürich
 

PV-Planung
Enerpeak, Dübendorf;  
Toneatti, Bilten

Facts & Figures
 

Fertigstellung : 2023
Baukosten (BKP 1–9): CHF 30.5 Mio.
Grundfläche  (SIA 416): 10'316 m2
Volumen  (SIA 416): 31'476 m3

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