Ein Turm kommt sel­ten al­lein

Neubau zwei Türme und Freiraumgestaltung ­ Lindenhofareal, Basel: Studienauftrag auf Einladung

Der denkmalgeschützte Lonza-Turm in Basel steht in einer grünen Oase am Rande der Innenstadt. Nun bekommt er Gesellschaft von zwei ­Wohnhochhäusern. Miller & Maranta haben den Studienauftrag gewonnen, kurz davor wurde der Bebauungsplan für das Grundstück genehmigt.

Date de publication
22-01-2025

Das 1962 vom Architekturbüro Suter + Suter erbaute, knapp 70 m hohe Hochhaus des Schweizer Unternehmens Lonza ist eine der wichtigsten Basler Architekturikonen der Nachkriegs­moderne. Zwischen dem Bahnhof SBB und der Autobahnauffahrt ragt das schlanke Gebäude auf dem lang­gezogenen hexagonalen Grundriss in die Höhe und ähnelt dabei dem Mailänder Pirelli-Turm von Gio Ponti und Luigi Nervi (1956–1958). Während das fast doppelt so hohe Vorbild aus Italien an einem Stadtplatz steht, ist der Solitär in Basel von einer parkgleichen Anlage mit alten Linden umgeben. Doch die grüne Oase wird flankiert von stark befahrenen Hauptstrassen und dichter Bebauung. Und die Verdichtung geht weiter: Am nahe gelegenen Bahnhof sind ein zweiter BIZ-Turm und auf dem gegenüberliegenden Nauentor-­Areal drei weitere Hochhäuser geplant (vgl. TEC21 32–33/2023 «Neue Ver­bin­dun­gen statt al­ter Rost­bal­ken»). In dieser Hinsicht bildet das Lindenhofareal einen Übergangsraum zu den Wohn­vierteln und den öffentlichen Gartenanlagen Rosenfeld und Christoph Merian.

Es gab bereits Ideen für weitere Bebauungen, die jedoch verworfen wurden. Entstanden ist lediglich eine Vielzahl von Parkplätzen und ein Tennisplatz. Dies erscheint aus heutiger Sicht als Luxus für ein innerstädtisches Grundstück an bester Lage. Da die Lonza in Basel an ihre Kapazitätsgrenzen stösst, plant sie, gemeinsam mit Swiss Life neue Büro­infra­struk­tu­ren und Wohnungen auf dem Areal zu erstellen. Damit wird das städtebauliche Potenzial besser ausgeschöpft und das Areal aufgewertet. Um die Über­bauungsmöglichkeiten auszuloten, führte die Lonza 2012 eine Testplanung mit drei Teams durch. Ein­deutiger Favorit war der Entwurf von Morger + Dettli: Zwei gleich hohe Zwillings-Hochhäuser, die sich in ihrer Form dem bestehenden Turm annähern, schaffen zusammen mit diesem ein neues Hochhaus-Cluster. Der Entwurf bildete die Basis für das Begehren zur Aufhebung des alten Bebauungsplans und die Anfrage für einen neuen, den die Eigentümer 2023 einreichten. Vorgesehen waren rund 200 Mietwohnungen und Raum für etwa 700 Arbeitsplätze sowie Dienstleistungs- und Gas­troangebote in den Erdgeschossen der beiden neuen Hochhäuser.

Aussergewöhnliches Verfahren

Die Projektträgerschaft lud zum Studienauftrag (STA) ein, ohne die Genehmigung des Bebauungsplans abzuwarten, und zog auf eigenes Risiko den STA in Parallelplanung vor. Für die schnelle Genehmigung des neuen Bebauungsplans sprach die Öffnung des 12 000 m² grossen Areals, um den in der Stadt Basel dringend nötigen Wohnraum zu erhöhen. Zur Gewährleistung einer sozialen Durchmischung beschloss der Grosse Rat, dass im Projekt ein Viertel der Wohnungen preisgünstig angeboten werden müssen. Seit dem Sommer 2024 ist der neue Bebauungsplan rechtskräftig; im Herbst wurde der Studienauftrag entschieden. Damit war der Versuch geglückt – insbesondere auch, weil kein Referendum gegen den entsprechenden Grossratsbeschluss ergriffen wurde.

Mit dem rechtskräftigen Bebauungsplan ist auch der Erhalt des Hochhauses gesichert, das zugleich unter Schutz gestellt wurde. Diese Koppelung erachtete der Basler Heimatschutz als «problematisch» und forderte eine vom Bebauungsplan unabhängige Unterschutzstellung. Er kritisierte auch den Entwurf aus der Testplanung, denn zwei weitere Türme mit derselben Höhe würden das bestehende Gebäude «massiv marginalisieren». Das Allein­stel­lungs­merkmal verfalle komplett und lasse das Hochhaus «zum kleinen Bruder verkommen».

Der Aussenraum überzeugt

Zum Studienauftrag in Anlehnung an die SIA-Ordnung 143 mit Prä­qualifikation wurden 15 nationale Architekturbüros eingeladen – darunter fünf lokale Nachwuchs­büros. Die Teams mussten sich aus einem Architektur-, einem Land­schafts­architektur- und einem Bauingenieurbüro zusammensetzen. Viel Lösungsspielraum blieb den Teams beim Entwerfen nicht, denn die Form und Lage der Türme wurde im Bebauungsplan und damit auch im Wettbewerbsprogramm exakt festgelegt. Zwei identische Baukörper mit fünfeckigem Grundriss sind um ihre Querachse gedreht zueinander angeordnet und übernehmen die Höhe des bestehenden Lonza-Turms. Von dieser Vorgabe durfte «geringfügig abgewichen werden, wenn die Fläche und die städtebauliche Gesamtkonzeption gleich bleiben».

Nur zwei der fünf Projekte wagten aus dieser Formensprache auszubrechen. Harry Gugger Studio schlägt zwei gleiche Neubauten mit pfeilartigem Grundriss vor. Doch das Preisgericht hinterfragte diese «Paraphrasierung des bestehenden Hochhauses»; damit würde die Ensemblewirkung mit dem Bestand geschwächt. Christ  & Gantenbein verleihen den zwei neuen Türmen sowohl im Grundriss als auch in der Fassade je eine eigene Identität. Auch dieser «urbane Tanz zu dritt» wurde infrage gestellt.

Zur Weiterbearbeitung emp­fahl die Jury das Team aus Miller &  Maranta, August + Margrith Künzel Landschaftsarchitekten und wh-p Ingenieure. Ihr Projekt erfüllte am besten, was innerhalb der eng gesteckten Rahmenbedingungen aus der Testplanung, den noch nicht ­abgeschlossenen Vorgaben des Bebauungsplans sowie den denkmalpflegerischen Schutzmassnahmen und zahlreichen weiteren Anforderungen möglich war. Im Fokus steht die Aussenraumgestaltung: Der grüne Kranz, der die Parzelle weiterhin fasst, wird nur für die Velos, Fussgänger und eine Auto­zufahrt durchbrochen; zwischen den zwei 19-geschossigen Türmen spannt sich ein Netz aus geschwungenen Wegen und drei Vegetationsinseln auf. Der markante lineare Plattenbelag um das Lonza-Hochhaus hebt sich von den freien Formen der Haupt- und Nebenwege ab. Sehr geschickt überwindet das Projekt die ausgeprägte Niederterrassenkante, die sich in den Eiszeiten gebildet hat und heute das gesamte Stadtgebiet durchzieht. Dabei führt ein Fussgängersteg von der höher gelegenen Hauptstrasse in das obere Geschoss des Turms; von dort gelangt man über eine Treppenanlage hinunter in das öffentliche Sockelgeschoss auf die Ebene des Gartens. Damit entsteht ein subtiler Dialog zwischen Architektur und Freiraum, ähnlich wie beim bestehenden Turm.

Die Wohnungen werden überarbeitet

Die Fassaden entwickeln eine zeitgemässe und sich nicht an den ­Bestand anbiedernde Architektursprache. Im Gegensatz zu den flächig angeordneten Lisenen und Brüstungsbändern des historischen Hochhauses sind diese Grundmo­tive in den Fassaden der beiden Neubauten gefaltet und setzen sich aus mehreren Konstruktionsschichten mit Loggien und Rücksprüngen zusammen.

Für das Hochhaus nahe der stark befahrenen Nauenstrasse galt die Vorgabe, dass sich erst ab dem neunten Obergeschoss Wohnungen und darunter Büroflächen befinden. Insgesamt fasst es 72 Wohnungen mit 1.5 bis 5.5 Zimmern, wobei der Anteil an 2.5-Zimmer-Wohnungen mit 30 % am höchsten ist. Einige Wohnungen sind als Maisonette ausgebildet. Die Bauherrschaft möchte diese reduzieren und auf die Wohnungen mit reiner Nordausrichtung verzichten. Im zweiten Turm entstehen, je nach Grösse, pro Geschoss sechs oder acht Wohnungen. Beide Türme werden über einen mittigen Treppen-Liftkern erschlossen.

Da der Studienauftrag parallel zum Bebauungsplanverfahren verlief, wird der Wohnungsmix nochmals genau darauf abgestimmt – insbesondere betreffend den geforder­ten Anteil von 25 % preisgünstigem Wohnraum. Der nächste Schritt ist dann das ordentliche Baubewilligungsverfahren. Als Baubeginn ist 2027 geplant. Vom Verfahren ausgenommen war das bestehende denkmalgeschützte Lonza-Hochhaus, das unabhängig vom vorliegenden Verfahren in Zusammenarbeit mit der Kantonalen Denkmalpflege saniert und ertüchtigt wird.

Jurybericht und Pläne zum Wettbewerb finden Sie auf competitions.espazium.ch

Projekte der engeren Auswahl

 

Siegerteam (Team 06)
Miller  & Maranta, Basel; August + Margrith Künzel Landschaftsarchi­tekten, Binningen; wh-p Ingenieure, Basel; Kopitsis Bauphysik, Wohlen; Trafiko, Kastanienbaum

Team 01 (ex aequo)
ARGE Christ  &Gantenbein, Basel / Made in, Genf; Studio Vulkan ­Landschaftsarchitektur, Zürich; Dr. Lüchinger+Meyer Bauingenieure, Zürich; Waldhauser + Hermann, Münchenstein; Aegerter& Bosshardt, Basel

Team 02 (ex aequo)
E2A/Piet Eckert und Wim Eckert Architekten, Zürich; Fontana Landschaftsarchitektur, Basel; Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel; Amstein Walthert; Zürich

Team 04 (ex aequo)
Jaeger Koechlin, Basel (Nachwuchsbüro); MOFA urban landscape studio, Zürich; Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel; B3 Kolb, Bern

 

Fachjury

 

Ute Schneider, Architektin, Zürich /Rotterdam (Vorsitz); Andreas Bründler, Architekt, Basel; Regine Leibinger, Architektin, Berlin; Beat Aeberhard, Kantonsbaumeister, Leiter Städtebau  & Architektur, Kanton Basel-Stadt; Katja Albiez, Landschaftsarchitektin, Zürich; Friederike Kluge, Architektin, Basel (Ersatz); Jürg Degen, Leiter Städtebau, Kanton Basel-Stadt (Ersatz)

 

Sachjury

 

Andreas Bohrer, Lonza; Janine Nauer, Swiss Life Asset Management; Jürgen Friedrichs, Swiss Life Asset Management; Yves Diacon, HRS Real Estate; Valentina Nikolla, Swiss Life Asset Management (Ersatz); Michael Breitenmoser, HRS Real Estate (Ersatz)

 

Verfahrensbegleitung

 

Kontur Projektmanagement, Basel

Katharina Marchal schreibt als Kritikerin für die Fachpresse und betreut Architekturbüros in der PR- und Medienarbeit.

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