Über die Kluft zwischen Wettbewerbsbudget und Realität
Wettbewerbsverfahren von öffentlichen Bauprojekten sehen sich häufig mit unrealistischen Budgets konfrontiert. Die Diskrepanz zwischen geplanten und tatsächlichen Kosten führt zu Verzögerungen, höheren Ausgaben und einem Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Projektplanung.
Das Budget führt in Konkurrenzverfahren häufig zu Problemen. Oft wird bei der Ausschreibung ein Betrag festgelegt, der im Verhältnis zum Projektumfang und den Zielen unrealistisch erscheint. Die definierte Ausgabengrenze ziehen die Veranstalter dann als Massstab für die eingereichten Projekte heran.
Oft erweist sich dieser aber als unzureichend, um den Bedarf zu decken. Wird der Auftrag im Anschluss an den Wettbewerb erteilt und das Projekt vertieft, ergibt sich zwangsläufig eine Diskrepanz zwischen den ursprünglichen Zielkosten und der zunehmend genaueren Kostenschätzung.
Diese Abweichung wirft nicht nur ein schlechtes Licht auf die Arbeit der Planenden, sondern führt auch zu politischen und administrativen Reibereien. Im Falle eines Verfahrens der öffentlichen Hand stehen die Behören vor einer schwierigen Wahl: Entweder sie genehmigen ein höheres Budget und müssen dieses öffentlich rechtfertigen oder aber sie lehnen das Projekt ab und stoppen den Fortschritt.
Dies ist keineswegs ein seltenes Phänomen. Es untergräbt nicht nur das einzelne Projekt, sondern gefährdet auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Planenden und die Entscheidungsfindung sowie die Fähigkeit der öffentlichen Hand, Ressourcen und Aufträge effizient zu verwalten.
Budgetbrechende Beispiele aus dem Tessin
Im Kanton Tessin gibt es zahlreiche Beispiele, in denen sich ein Wettbewerb nachträglich in eine andere Richtung entwickelte. Ein kurzer Überblick aus jüngster Zeit: Die neue Mehrzweckhalle und die Erweiterung des Gemeindeverwaltungsgebäudes in Ascona, für die im Wettbewerb ein Kostendach von 8.5 Mio. Fr. festgelegt wurde, während sich der später für die Realisierung beschlossene Kredit auf 12.1 Mio. Fr. belief.
Das Badezentrum Carona, für das 4 Mio. Fr. eingeplant waren und dessen erste Schätzung des Siegerprojekts mit 16 Mio. Fr. beim vierfachen Betrag liegt. Für die Sanierung und Erweiterung der Primarschule Tavesio in Comano waren ursprünglich 6 Mio. Fr. angedacht – der beschlossene Kredit liegt nun bei 10.4 Mio. Fr.
Die neue Primarschule und Turnhalle in Magliaso verfügte über ein Kostendach von 10.25 Mio. Fr. Der angenommene Kredit: 13 Mio. Fr. – ohne Turnhalle. Für den neuen Sitz der Abteilung «Städtische Räume» in Lugano lag der Kostenvoranschlag bei 35 Mio. Fr. Der angenommene Kredit schlägt mit 56 Mio. Fr. zu Buche. Und zu guter Letzt: das Nationale Schwimmsportzentrum in Tenero: Im Wettbewerb waren 60 Mio. Fr. veranschlagt, der effektive Kredit liegt bei 91.8 Mio. Fr.
Es fehlt die Bestellerkompetenz
Nun ist diese Situation nicht unbedingt nur den Planenden anzulasten, sondern auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Neben der allgemeinen Preisentwicklung sowie Änderungen und Anpassungen, die während der Vertiefungsphase erforderlich sind, berücksichtigen die im Wettbewerb budgetierten Kosten selten die Komplexität und den tatsächlichen Projektumfang oder die Marktbedingungen.
Dies führt dazu, dass die Siegerteams in eine missliche Lage geraten und sich gezwungen sehen, in der nächsten Phase Kosten zu verteidigen, die im Vergleich zu den ursprünglichen Erwartungen überhöht erscheinen, aber in Wirklichkeit eine realistische Schätzung darstellen.
Um die Problematik zu überwinden, verlangen die Wettbewerbsveranstaltenden von den Teilnehmenden immer häufiger, dass diese die Kosten für ihre Entwürfe selbst genau schätzen. Heute sind die Planenden gezwungen, bereits in der Wettbewerbsphase viel Zeit und Ressourcen zu investieren, um präzise Kostenschätzungen auf Grundlage fortschrittlicher Instrumente wie des Baukostenplans BKP zu erstellen.
Diese zusätzliche Arbeitsbelastung setzt die Planenden weiter unter Druck: Sie müssen einerseits einen Wettbewerb bewältigen, der unzählige Fragen berührt, und gleichzeitig eine Kostengenauigkeit garantieren, die in diesem Stadium des Entwurfsprozesses unrealistisch und von zweifelhaftem Wert für die Arbeit der Jury ist.
Lösungsansätze für eine bessere Planung
Diese Dynamik verdeutlicht einen strukturellen Kritikpunkt im Wettbewerbsprogramm: die Notwendigkeit einer besseren Kohärenz und Transparenz bei der Festlegung des Budgets. Werden die Kosten unterschätzt, untergräbt dies nicht nur die Glaubwürdigkeit des Wettbewerbsverfahrens, sondern kann auch erhebliche Auswirkungen auf den gesamten Bauzyklus haben.
Projekte, die gestoppt oder nur unter Vorbehalt genehmigt werden, führen zu Verzögerungen, erhöhen die indirekten Kosten und führen zu einem Vertrauensverlust der Öffentlichkeit in das System.
Die negative Wahrnehmung wird noch verstärkt, wenn es ständig zu einer Diskrepanz zwischen ursprünglich eingeplanten und effektiven Kosten kommt, sodass sich die Bevölkerung zu Recht fragt, ob es sich hierbei um eine schlechte Verwaltung der Ressourcen oder eine schlechte Planung handelt.
Es wäre also wünschenswert, wenn die Prozesse, die zur Festlegung des Budgets führen, überprüft würden. Die Berechnung eines realistischen Baukostenrahmens für ein Projekt ist entscheidend für den Erfolg der späteren Phasen und sollte daher immer gründlich geprüft werden, bevor ein Wettbewerb ausgeschrieben wird.
Dieser Ansatz würde nicht nur eine korrekte Schätzung gewährleisten, sondern auch dazu führen, dass Projekte, die das Budget ungerechtfertigt und deutlich überschreiten, frühzeitig abgelehnt werden. Somit würde auch eine gewisse Kongruenz zwischen den verbleibenden Projekten sowie zwischen dem Siegerprojekt und der festgelegten Ausgabenobergrenze herrschen.
Das Wettbewerbssystem in der Schweiz fördert eine ausserordentliche Qualität und Innovation bei öffentlichen Bauvorhaben. Damit dieses System effizient funktioniert, ist es wichtig, die Herausforderungen im Zusammenhang von Budget und Wettbewerbsprogramm, Arbeitsbelastung der teilnehmenden Teams und allgemeiner Transparenz des Verfahrens anzugehen.
Dieser Beitrag erschien zuerst in Archi 1/2025. Übersetzung: Jennifer Bader, Redaktorin Architektur TEC21