«Ältere Schwester» in neuem Kleid
Nach zweijähriger Instandsetzung wurde die erste Brücke über den vereinigten Rhein bei Reichenau GR feierlich wiedereröffnet.
Schwerpunkte der Bauarbeiten waren die Erneuerung des Korrosionsschutzes und der Ersatz der Fahrbahnplatte. Die in den Inventaren der kantonalen Denkmalpflege und der historischen Verkehrswege der Schweiz aufgezeichnete, 1881 erstellte Fachwerkbrücke kann nun für die nächsten 40 Jahren ihren Dienst als Strassenbrücke erfüllen.
Unweit von der Rheinbrücke Reichenau steht die 14 Jahre später erstellte erste Hinterrheinbrücke der Rhätischen Bahn (RhB), die gemäss einem neulich ausgelobten Brückenwettbewerb (vgl. TEC21 48/2015) von einem Neubau namens «junge Schwester» («Sora Giuvna») flankiert werden wird.
Die Rheinbrücke Reichenau – in ähnlicher Bauweise wie die RhB-Brücke: eine Fachwerkbrücke mit vierfachem Strebewerk – zeigte die üblichen Alterserscheinungen genieteter Stahlkonstruktionen: treibende Korrosionsprodukte zwischen den genieteten Blechen, funktionsuntüchtige Rollenlager, undichte Fahrbahn und aufgebrauchter Korrosionsschutz.
Solche genieteten Fachwerkbrücken werden allzu oft abgerissen. Aufgrund ihres historischen Werts und ihrer untergeordneten Rolle für den Schwerverkehr konnte diese Brücke jedoch erhalten bleiben. Bei der Instandsetzung ging es zuvorderst darum, den Korrosionsschutz wiederherzustellen: Der bestehende, bleihaltige Schutz wich einem neuen, sechsschichtigen Anstrich (320 µm), eine neue orthotrope Stahlplatte ersetzt die undichte Leichtbetonfahrbahn, die ertüchtigten Widerlager verbessern die horizontale Stabilität der Brücke, und zusätzliche Winkelprofile verstärken die Druckdiagonalen der inneren Fachwerke gegen Knicken.
Dank dieser Massnahmen sowie dem Einsatz eines unkonventionellen reaktionsharzgebundenem Dünnschichtbelags von nur 10 mm Schichtstärke ist die Brücke leichter geworden. Das Ermüdungsrisiko des 134 Jahre alten Stahls konnte unter Beibehaltung der heutig gültigen Gewichtslimite von 7 t deutlich reduziert werden.
«Die Brücke darf im Rahmen von kontrollierten Ausnahmetransporten und unter bestimmten Auflagen höheren Lasten ausgesetzt werden», erläutert Riet Müller, Leiter der Sektion Bauwerkserhaltung des kantonalen Tiefbauamts, «doch wir möchten die historische Brücke schonen und die Beanspruchung durch zyklische Belastungen möglichst gering halten, damit auch in Zukunft weitere Instandsetzungen ohne massive Eingriffe möglich sind.»
Die Baukosten betrugen rund 4 Mio. Fr., finanziert zu knapp einem Drittel vom Bundesamt für Strassen (Astra) und zu zwei Dritteln vom Tiefbauamt Graubünden.