Zu­rück in die Sam­tses­sel

Sanierung Stadttheater Bern

Mit klug gesetzten Veränderungen und Ergänzungen erstrahlen die Publikumsbereiche des Theaters sowohl optisch als auch akustisch in neuer Frische.

Data di pubblicazione
29-11-2016
Revision
23-02-2017

Nicht dass die Berner den «Kubus» nicht geschätzt hätten … In dem Provisorium, das das KonzertTheaterBern während der achtmonatigen Bauphase mitten auf einem zentralen Platz beherbergt hat, konnten die Theaterschaffenden einmal ihre unkonventionelleren Ideen verwirklichen. Damit haben sie ein neues Publikum angesprochen, das ihnen nun hoffentlich in die angestammten Hallen des ehrwürdigen Stadttheaters folgt.

Jetzt auch tagsüber offen

Hier hat sich viel getan. Die Eingangshalle hat schon in der vorherigen Bauphase eine deutliche Aufwertung erfahren, indem die drei schweren Holzportale mit Glastüren ergänzt wurden und die Festbeleuchtung am Abend auf die Strasse hinausstrahlen kann. Der Kartenverkauf wurde von ausserhalb in die Halle hinein verlegt, sodass dieser Bereich auch tagsüber öffentlich ist. Dies tut der Wahrnehmung des Hauses im Stadtbild gut. Im Widerspruch zu seiner monumentalen Wirkung steht der Baukörper, der 1903 anstelle einer Reithalle an den Brückenkopf gesetzt wurde, nämlich ganz ohne Vorplatz ausserhalb jeder Sichtachse. Wegen der restriktiven Auflagen, die das UNESCO-Siegel der Berner Altstadt mit sich bringt, gibt es kaum Möglichkeiten, Signale in den Aussenraum zu senden.

Hinter den Türen sind Wege und Aufenthaltsbereiche des Publikums neu sortiert worden. Durch den Verzicht auf die letzten Reihen im Parkett wurde Platz gewonnen, der den umlaufenden Flächen zugute kommt. Als zentrale Anlaufstelle befindet sich jetzt hier, mittig hinter dem Zuschauersaal, eine Garderobe für das gesamte Publikum bis zum 2. Rang. Trotz knapper Bemessung hat sie sich offenbar schon bewährt, ohne dass es zu nennenswerten Verwechslungen gekommen wäre. Der Andrang vor und nach der Vorstellung ist allerdings enorm und fordert einige Geduld.

Die seitlichen Foyers, in denen sich die Garderoben bisher befanden, sind nun frei und haben jeweils eine eigene kleine Bar sowie massgeschneiderte Sitzbänke entlang der Fassaden. Als Wandelgang gewähren sie Ein- und Ausblicke und haben dadurch eine besondere Qualität.

Mantelbehangene Gentlemen halten sich nun hauptsächlich zwischen Eingangshalle und der Garderobe im Erdgeschoss auf, während die Flaneure in verschiedenen Foyerbereichen wandeln können. Mit der Entflechtung der Wege und den neuen Bars wirken die Architekten dem Pausengedränge im oberen Foyer entgegen. Apropos Gedränge: Die Toilettenbereiche konnten deutlich vergrössert werden. Mit brunnenartigen Waschinseln und einer eleganten Gestaltung aus Naturstein, schwarzem Holz und grossen Spiegeln erheben sie sich geradezu in den Stand von «powder rooms».

Mit Wiedererkennungswert

Im oberen Foyer, das über der Eingangshalle liegt, bildet ein grosser, von drei Seiten nutzbarer Tresen aus hochglänzend lackiertem Holz einen neuen Anlaufpunkt. Die Gastronomietechnik ist so leise und gut integriert, dass sie Veranstaltungen im Raum nicht stört. Ansonsten hat die Denkmalpflege hier ihr Revier behauptet: Die neue Fussbodenheizung verschwindet unsichtbar unter dem massiven Parkett, Stuck, Möbel und Lüster sind aufgearbeitet und ergänzt worden. Schade, dass die schweren Samtvorhänge wieder zurückgekehrt sind – sie nehmen der neu eingekehrten Frische ein wenig die Luft.

Hören und Sehen optimiert

Das eigentliche Herzstück ist die Erneuerung des Zuschauersaals inklusive Ton- und Bildtechnik. Die Verbesserung der Akustik war ein gewichtiges Anliegen bei der Sanierung des Theaters. Um diesen Mangel zu beheben, wurden die Wände neu geformt und mit akustisch wirksamen Hohlkörpern bestückt, deren Effekt im Raum deutlich wahrzunehmen ist. Lang wurde um die perfekte Bestuhlung gerungen. Auch sie nimmt Einfluss auf die Raumakustik und muss Ansprüchen von Brandschutz bis Bequemlichkeit genügen. Ausserdem steht und fällt mit ihrer Akzeptanz die des gesamten Umbaus durch die Besucher.

So wurden nicht nur die Sessel speziell entwickelt und ausgerichtet, sondern auch der gesamte Boden mit Lüftung, Wegeführung und Beleuchtung überplant. Unter Verzicht auf einige Sitze ist die Beinfreiheit jetzt grosszügig bemessen. Die technischen Finessen verschwinden grossenteils in den Wänden, sodass der Charakter des Saals erhalten bleibt. Einzig die Regiekabinen sitzen wie futuristische Cockpits hinten im zweiten Rang und signalisieren die zeitgemässe Ausstattung.

Von Bedeutung für die Sicherheit und Wandelbarkeit der Bühne ist die Erneuerung der gesamten Obermaschinerie und Beleuchtung. Im dritten Rang hängen einige Scheinwerfer bedenklich nah über den Sitzen – wer um seine Frisur fürchtet, sollte auf die neu zugefügten Stehplätze ausserhalb der Gefahrenzone ausweichen.

Unter den Oberflächen

Insgesamt fasst ein klares Gestaltungskonzept die verschiedenen Zuschauerbereiche zusammen. Die Wandflächen in den seitlichen Foyers sind mit hochglänzend dunkler Farbe lackiert. Je nach Etage verändert sie sich von Dunkelblau über Grün zu Anthrazit. Der Natursteinboden entspricht dem jeweiligen Grundton, wobei ein grosses Feld gleichbleibend mit kleinteiligen grauen Marmorfliesen belegt ist. Deren Muster und Farbwahl bleibt rätselhaft und fügt sich nicht ins Konzept – ein Wermutstropfen.

Wenn dies alles im Einzelnen ein bisschen gewollt erscheint, so ist doch der Effekt beim Übergang aus den dunklen Vorräumen in den Zuschauersaal gelungen. Der rote Samtbezug der Sitze taucht den gesamten Raum in eine festliche Stimmung. Die Wände bleiben mit einer dezenten indirekten Beleuchtung optisch im Hintergrund, sodass sich der Blick zu den hellen Ballustraden und der restaurierten Kuppel hebt. Nichts deutet darauf hin, dass sich hinter ihr eine aufwendige Entrauchungsanlage samt Rohrsystem befindet. Das Spiel mit den Illusionen!

Vorletzter Akt

Zur Freude der Stadt ist der Bauabschnitt unter der Aegide von Itten + Brechbühl Architekten zeitlich und finanziell im gesteckten Rahmen geblieben. Der Entwurf von Smolenicky & Partner, dessen Vertiefung nach Differenzen mit dem Bauherren in die Hände von aefa Architekten gelegt wurde, ist im Lauf der nötigen Anpassungen stimmig und kraftvoll ausformuliert worden. Die im Wettbewerb noch neobarock und etwas süsslich geratene Formensprache ist einer ruhigen Klassik gewichen. Mit ihrer sorgfältigen Wahl von Materialien und Proportionen verschmelzen die Details des Innenausbaus ganz selbstverständlich mit dem über hundertjährigen Gebäude zu einem neuen Ganzen.

Ab kommendem Mai wird in einer letzten Bauphase der Bereich der «Mansarde», einer kleinen Spielstätte unter dem Dach, sowie der Backstage-Bereich und die Einrichtung eines Theatercafés in Angriff genommen. Die Zuschauer sind schon jetzt eingeladen, das Stadttheater zurückzuerobern.

Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft
Stadt Bern, Präsidialdirektion
 

Gesamtleitung
Kontur Projektmanagement AG


Bauleitung
Itten + Brechbühl AG


Architektur (Entwurf Wettbewerb)
Smolenicky & Partner Architektur GmbH


Architektur (Entwurf und Ausführungsplanung)
aefa Architekten

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