Iran II: Der Garten-Archetyp Chahar Bagh
Editorial
Unser zweites Iran-Heft (vgl. TEC21 37/2018 «Iran I: Inspiration Orient – Okzident») ist dem altorientalischen Garten-Archetypus Chahar Bagh gewidmet. Dieser «geviertelte Garten» ist ein bis auf das Wasser weitgehend von seiner Umwelt isolierter Kosmos und damit das Gegenstück zum europäischen Landschaftspark. Eine Umfassungsmauer mit Tor sowie zwei Wasserläufe mit einem Pavillon oder einem Wasserbecken am Kreuzungspunkt bilden im einfachsten Fall seine Grundstruktur. Er wurde zum Vorbild der Paradiesdarstellungen in der Bibel und im Koran, und über die Jahrtausende sind nach seinem Muster weltweit variantenreich elegante Gärten entstanden. Was macht den Typus so erfolgreich? Neben den einfachen Elementen ist es die Flexibilität, mit der er sich der jeweiligen Region und dem Zeitgeschmack anpassen lässt. Weiter gehört dazu er respektvolle Umgang mit Pflanzen, Boden und Wasser – schon deshalb lohnt sich ein vertiefter Blick darauf.
Der Chahar Bagh hat sich aus den Anfängen der hydraulischen Landwirtschaft in Mesopotamien entwickelt. 5000-jährige Mythen, archäologische Funde, historische Paläste mit ihren Parks sowie Gärten der Neuzeit – im Orient verwischen die Grenzen. Das kann verwirren, denn wir sind es gewohnt, zwischen Fiktion und Wirklichkeit zu unterscheiden. Doch wer sich auf die dortige Denkweise einlässt, gewinnt eine Chance, unsere eigenen Ressourcen und Werte in einem anderen Licht zu sehen. Der Chahar Bagh ist beides: ein konzentriertes Meisterstück der punktuellen Ganzheitlichkeit und ein Spiegel der Vorstellung des Himmels.
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• Paradiesisches Abbild