Die Ver­gan­gen­heit neu er­fun­den

Erneuerung und Erweiterung Metzgerhalle, Zürich Oerlikon

Der Neubau neben der Metzgerhalle in Oerlikon schliesst so ­selbstverständlich an den Altbau an, als sei das Ensemble schon immer so gedacht gewesen. Romero Schaefle Partner Architekten lassen bestehende Qualitäten aufleben und fügen empathisch neue hinzu.

Data di pubblicazione
25-10-2018
Revision
25-10-2018

Was ist hier eigentlich neu? Sah das schon immer so aus? Solche Fragen, teils vor Ort vernommen und teils selbst gestellt, zeigen, dass bei der Erneuerung und Erweiterung der Liegenschaft Metzgerhalle Alt und Neu vermischt oder zumindest die Grenze dazwischen verwischt wurde. Romero Schaefle Partner Architekten haben in den Jahren 2015 bis 2017 im Zentrum von Oerlikon ein bestehendes Gebäude instandgesetzt und daran ein neues angeschlossen – und damit die Stadt in angemessener Architektur weitergebaut.

Kluge Ergänzung

Die Kreuzung von Schaffhauser- und Wallisellenstrasse bildet gewissermassen den Mittelpunkt des Zürcher Stadtteils Oerlikon. Zwischen Marktplatz und Hallenstadion, Bahnhof und Hotel Sternen Oerlikon treffen fünf Strassenarme zusammen, die vor allem von Trams und Bussen befahren und von vielen Fussgängern frequentiert werden. Alle Gebäude sind hier als Kopfbauten ausgebildet: mit einem turmartigen Höhenakzent oder einer abgerundeten Gebäudeecke, oder beidem. Das Gebäude mit dem Restaurant Metzgerhalle, 1932/33 von Franz Messmer errichtet, ist ein typisches Beispiel dafür, wie man mit einer grossen Rundung der wachsenden Verkehrsdynamik Platz verschaffte.

Erstaunlicherweise blieb die Nachbarparzelle zum Tramdepot hin lang unbebaut, und der begonnene Blockrand wurde nie geschlossen. In einem Studienauftrag suchte die Grundeigentümerin 2013 nach einer passenden Ergänzung. Unter den drei eingeladenen Büros überzeugten Romero Schaefle Partner Architekten aufgrund der Ortsbezogenheit ihres Projekts, der nachhaltigen Grundstruktur und der Qualitäten der Wohnungen. Während sie das prägnante Metzgerhalle-Gebäude in seiner Erscheinungsform beliessen, fügten sie an dessen Brandmauer eine Zeile an, die nun mit einer befensterten Stirnseite endet.

Architektonische Empathie

Der Neubau übernimmt wesentliche Merkmale des angrenzenden Alt­baus. Der Aufbau mit Läden im Erdgeschoss, Büros im ersten Obergeschoss und Wohnungen in den weiteren Obergeschossen ist derselbe. Sehr ähnlich sind die Schaufensterfronten und das darüberliegende Geschoss mit den Bandfenstern ausgebildet. Durch die formale Angleichung des Ergänzungsbaus an den Bestand wirken die beiden zusammengehörig.

Die Zeile am Hang ist wie die Bebauung auf der gegenüberliegenden Strassenseite in drei in der Höhe versetzte Häuser unterteilt. Dadurch wird ein durchgehendes Streifenbild der Fenster vermieden. Die Anordnung der horizontalen Treppenhausöffnungen ist übrigens vom Haus an der Seefeldstrasse 152 übernommen, in dem Romero & Schaefle (damals noch ohne Partner) lange Zeit ihr Büro hatten – gleichsam als Zitat und Referenz an die Moderne.

Eine Besonderheit sind die gerundeten sechs Erker, die das zweite, dritte und vierte Obergeschoss verbinden. Sie bringen Bewegung in die Fassade. Als vertikale Akzente sorgen sie für einen Rhythmus. In der perspektivischen Ansicht des Herannahenden lassen sich die vorspringenden Erker und die geringen Höhenversätze kaum auseinanderhalten und vermengen sich zu einem bewegten, aufgelösten Gesamtbild. Die Rundung wiederholt sich als Leitmotiv an den ab­gerundeten hofseitigen Balkonen und gelegentlich in kreisförmigen Wandöffnungen. In den Wohnungen wechseln Wohnzimmer und Ess­küche zwischen Strassen- und Hofseite. Anders als beim Altbau hat der Neubau ein Mansarddach, in dem Maisonettewohnungen untergebracht sind.

Pflege baukultureller Werte

Vonseiten der Denkmalpflege bestand weder ein Schutz- noch ein Inventareintrag. Gleichwohl wollten die Architekten den bestehenden Bau so weit wie möglich in seiner Sub­stanz erhalten. Denn es handelt sich um ein für Zürich typisches Beispiel für das moderate Neue Bauen. Rundungen prägen viele Kreuzungen der Stadt, auch im 1934 eingemeindeten Oerlikon. Einer gemässigten Moderne verpflichtete Bauten sind charakteristisch für die in der Zwischenkriegszeit stark gewachsene Stadt.

Ähnlich einfühlsam erneuernd auf den spezifischen Ort ein­gegangen waren die Architekten bereits beim 2003 fertiggestellten Zürcher Hotel Greulich, nur mit umgekehrten Positionen von Alt und Neu: Hier wurde das Eckhaus des Blockrands neu mit einer geschwungenen Fassade ergänzt und die an den beiden Seiten anschliessenden Häuser instand gesetzt.

Der ortsbildprägende Charakter des Metzgerhalle-Gebäudes und dessen hohe architektonische Qualitäten bewogen die Architekten zu einem Ansatz, der sich an baukulturellen, ja denkmalpflegerischen Werten misst. Die schon vor ein paar Jahren teilweise erneuerte Kunststeinfassade wurde nur partiell ausgebessert. In den Grundrissen wurde vor allem dort eingegriffen, wo Optimierungen am Bestand möglich waren, beispielsweise im Bereich hinter der gerundeten Fassade. Die Messinglettern «Restaurant Metzgerhalle» blieben übrigens unverändert.

Am Bau Beteiligte
 

Bauherrschaft
Immobilien Paradeplatz Zürich, Zürich
 

Vertretung Bauherrschaft
Odinga Picenoni Hagen, Zürich
 

Architektur
Romero Schaefle Partner Architekten, Zürich
 

Baumanagement
b + p baurealisation, Zürich
 

Tragkonstruktion
Schnetzer Puskas Ingenieure, Zürich
 

Gebäudetechnik
RMB Engineering, Zürich
 

Kälteplanung
Leplan, Winterthur
 

Elektroplanung
R + B Engineering, Zürich
 

Bauphysik
Michael Wichser + Partner, Dübendorf
 

Landschaftsarchitektur    
Kienastland Rümlang (Wettbewerb); ryffel + ryffel, Uster (Projekt)
 

Brandschutz
Basler & Hofmann, Zürich
 

Schadstoffuntersuchung    
Sieber Cassina + Partner, Zürich
 

Materialtechnologie    
BWS Labor, Winterthur
 

Farbkonzept    
Jean Pfaff, Ventallo (E)

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