Lob für Neues Bauen und Zim­mer­mann­skun­st

Der Denkmalpflegepreis des Kantons Bern ist 2020 für zwei Bauerneuerungen vergeben worden, die gegensätzlicher kaum sein könnten: In Reichenbach im Kandertal wurde der Hauptpreis für die Instandsetzung eines über 200 Jahre alten Bauernhauses aus Holz vergeben, in Adelboden erhielt die Rettung des Freibads «Gruebi» aus den 1930er-Jahren den Spezialpreis.

Data di pubblicazione
03-07-2020

Das der Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern zugehörige Amt für Kultur/Denkmalpflege hat seine Ziele wie folgt formuliert: «Der Denkmalpflegepreis würdigt sowohl den respektvollen Umgang mit dem Baudenkmal als auch innovative Lösungen. Zu den Kriterien gehören die Qualität der Restaurierung, die Sorgfalt in der Ausführung und die ökologische Nachhaltigkeit der Massnahmen. Im Vordergrund steht die Werterhaltung, nicht die Wertvermehrung. Mit einem angemessenen Budget soll Wohn- oder Nutzungsqualität erhalten, optimiert oder geschaffen werden.»

Reichenbach: Leidenschaft für Holzbaukunst

Wie aus dem Nichts kam die Nachricht für den jungen Zimmermann Jonathan Jaggi, er sei Erbe eines der schönsten Bauernhäuser in Reichenbach. Vermacht hat es ihm seine Patin, die Künstlerin Jakobea Stucki, verbunden mit dem Wunsch, das «Stuckihaus» genannte Gebäude nicht zum Museum zu machen, sondern weiterhin als Wohnhaus zu nutzen.

Als Erstes verschaffte er sich einen Überblick über die notwendigen Arbeiten und diskutierte diese mit dem Bauberater der Denkmalpflege. Die Tür zur Restaurierung des Hauses tat sich jedoch erst auf, als Jaggi die Gelegenheit zu einer Beteiligung an einem Neubauprojekt erhielt. Den Erlös daraus steckte er in das historische Gebäude.

Und nicht nur das – Jaggi investierte fast zehn Jahre seiner freien Zeit in diese anspruchsvolle Bauerneuerung. In aufwendiger Kleinarbeit legte er in den Wohnräumen die alten Oberflächen frei und restaurierte sie. Regelmässig besprach er die Arbeiten mit den Bauberatern der Denkmalpflege. Für die Erneuerung der Gebäudetechnik tüftelte Jaggi ebenfalls: Die neuen Elektrokabel verlaufen unter der Dämmschicht der Kellerdecke und des Estrichbodens. Eine Grundwasserpumpe liefert Wärme, die Photovoltaikanlage auf dem Dach des ehemaligen Waschhauses einen Teil des Stroms. Schliesslich wurden Küche und Bad erneuert. Das neue Badezimmer ist reversibel als «Kiste» in den Tennbereich gestellt.

Auf den Ausbau des Ökonomieteils und den Einbau einer zusätzlichen zweiten Wohnung hat Jaggi verzichtet. Die damit verbundenen Eingriffe und Kosten hätten seine Möglichkeiten überschritten. Heute lebt er mit Partnerin und Kindern in diesem prächtigen Haus, restauriert in seiner Freizeit die geerbten Möbel, und beide pflegen den ebenfalls instand gesetzten Garten, in dem die Rosen von Jakobea Stucki weiterblühen.

Ein buntes und schwungvoll gebautes Bad

Die sinkenden Gästezahlen nach dem Ersten Weltkrieg bewogen Adelboden dazu, Neues zu wagen. 1928 schlossen sich die Hoteliers des Orts zusammen, um den Bau eines Freibads in die Wege zu leiten. Sie zeichneten nicht nur das erforderliche Stammkapital zulasten ihres Grundeigentums, sondern legten mit der Wahl des Ingenieurs Beda Hefti aus Freiburg auch ein Bekenntnis zur modernen Architektur an den Tag.

Beda Heftis Entwurf im Stil des Neuen Bauens antwortete auf die neuen Bedürfnisse der Menschen nach Bewegung, Sonne und Luft: Die Feriengäste sollten sich wie am Meeresstrand fühlen. Doch der Zweite Weltkrieg dämpfte diesen neuerlichen Aufschwung. Ab den 1950er-Jahren wurden immer mehr prägende Elemente des Bads entfernt oder verändert, bis sich die ursprüngliche Klarheit des Entwurfs nur noch erahnen liess. Mitte 2005 ging die Betreiberin in Konkurs. Das Freibad wurde danach durch Adelboden Tourismus betrieben und ging in den Besitz der Gemeinde über. Nach der Ablehnung eines ersten Sanierungsvorschlags zog sich Adelboden Tourismus 2011 zurück. Die Schliessung des Bads stand bevor.

Die Interessengemeinschaft «Schwimmbad Gruebi» engagierte sich für dieses einmalige Ensemble. 2012 verabschiedeten die Stimmbürger einen Nutzungsvertrag mit der Auflage, ein Nachfolgeprojekt vorzulegen. Gemeinsam mit der Denkmalpflege und mit minimalem Budget erarbeitete die IG das Restaurierungskonzept. Erklärtes Ziel war es, dem Bauwerk die ursprüngliche Klarheit erneut zu verleihen. Wo Substanz oder Bauteile erhalten waren, wurden diese bewahrt, restauriert oder für die neuen Anforderungen ertüchtigt. Fehlende Elemente, Bauteile oder Oberflächen wurden so ergänzt, dass sie sich harmonisch ins Ganze einfügen. Verlorene Bauteile wurden im Sinn des Denkmals neu gestaltet.

Die Hochbauten erhielten ihre ursprüngliche Farbigkeit zurück, das Bad drückt heute wieder die Lebensfreude der 1930er-Jahre aus. War die Anlage im Vorzustand noch mit Blumentrögen und Möbeln verstellt, hat das Bad nun seine ursprüngliche Prägnanz und Präzision zurückerlangt. Knapp zwei Jahre nach dem Ja der Stimmbürger zur Sanierung konnte das Freibad am 22. Juni 2019 wiedereröffnet werden.

Am Bau Beteiligte

 

Stuckihaus, Reichenbach

 

Bauberatung
Denkmalpflege des Kantons Bern

 

Holzbau und Dachdeckerarbeiten
Däpp Holzbau, Aeschiried

 

Fenster
Wenger Fenster, Wimmis


 

Fassadenrestaurierung
Hans Salzmann, Schwarzenegg
Roger Tinguely, Steffisburg


 

Küche und Bad
Jaggi Frei Brügger Architekten, Frutigen


 

Gruebibad, Adelboden

 

Bauberatung
Denkmalpflege des Kantons Bern

 

Architektur
akkurat bauatelier, Thun

Daniel Büschlen, Martin Reutimann

 

Landschaftsarchitektur
DUO Landschaftsarchitekten, Lausanne
Sandra Kieschnik


 

Restauratoren
Roger Tinguely, Steffisburg

Keramikatelier Maja Fluri, Bellach

 

Schwimmbadtechnik
Beck Schwimmbadbau, Winterthur

Fehlmann Wasseraufbereitung, Münchenbuchsee

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