Prozessarchitektur mit Nischen
Die Sanität und die Berufsfeuerwehr von Schutz & Rettung Zürich bezogen Ende August ein gemeinsames Gebäude auf dem Werkhofareal des Flughafens. Inmitten des grossmassstäblichen Flughafenumfelds ist der Neubau nicht nur ein hochtechnisches Infrastrukturgebäude, sondern zugleich ein Ort für den sozialen Austausch.
Der Neubau W22 Wache Flughafen Zürich ist Teil des Werkhofareals, das bis 2022 umfassend instandgesetzt wird. Mit unter anderem der Berufsfeuerwehr, der Sanität, Bushalle, Werkstätten und dem Winterdienst beherbergt der 1973 erstellte Werkhof für den Betrieb des Flughafens zentrale Infrastrukturbauwerke.
Da die bisherige Wache der geplanten Rollbahn im Weg stand, schlug das zuständige Architekturbüro Steiger Concept im Wettbewerbsprojekt vor, Berufsfeuerwehr und Sanität komplett in einem gemeinsamen Neubau unterzubringen. Neben den dadurch genutzten Synergien wurde damit der Altbau als Rochadefläche für die Sanierungsarbeiten frei, die somit unter laufendem Betrieb und ohne Provisorium erfolgen können. Für seinen prozessoptimierten Lösungsansatz erhielt das Zürcher Architekturbüro 2015 den Zuschlag.
Mehr noch als die Instandsetzungsstrategie handelt aber der Bau selber von Prozessoptimierung. Robert Hormes, federführender Partner und in seiner Wohngemeinde selbst Feuerwehrmann, spricht denn auch von «Prozessarchitektur». Die funktionale Schichtung des Gebäudes in der Vertikalen ist beispielsweise darauf zurückzuführen, dass die Rutschstange nach wie vor der schnellste Weg vom Aufenthaltsgeschoss zuoberst zu den Einsatzfahrzeugen im Erdgeschoss ist.
Geht ein Alarm für einen Einsatz auf dem Flughafenareal ein, haben die Berufsfeuerwehrleute gerade mal 20 Sekunden Zeit, um vom Aufenthaltsraum im 2. Obergeschoss zum Einsatzfahrzeug zu gelangen. Neben der Stange steckt hinter den «20 Sekunden» heute aber auch hochkomplexe Technik: Bei einem Alarm geht das Licht in genau denjenigen Funktionsruheräumen an, in denen sich die zugeteilten Einsatzkräfte befinden, das Schliesssystem wird entriegelt und die Einsatzfahrzeuge werden von der Ladestation entkoppelt – eine Kettenreaktion, die an umfallende Dominosteine erinnert.
Aber auch auf räumlicher Ebene gleicht das Gebäude einer geölten Maschine. «Keiner der Räume ist alltäglich, und jeder hat eine eigene Spezifikation», erklärt Hormes. So lassen sich die meisten räumlichen Aspekte funktional herleiten. Der geschwungene Korridor im Obergeschoss geht zum Beispiel darauf zurück, dass sich die Fläche vor den Vertikalerschliessungen zur Besammlung ausweiten muss. Gleichzeitig wird dadurch aber auch die Flurlänge von knapp 75 m aufgeweicht, wie die Projektleiterin Architektur Agata Muszynska erklärt.
Dieses Ineinandergreifen von rein funktionalen Überlegungen und Architektur ist für den Bau charakteristisch, aber auch für die Haltung von Steiger Concept, wonach gemäss Büroleitbild «auch Infrastrukturbauten einen architektonischen Anspruch haben».
Wie wichtig bei diesem Gebäude die Qualität der Architektur bzw. die räumliche Behaglichkeit ist, zeigt sich im Aufenthaltsgeschoss. In Kontrast zur «Werkstattwelt» der unteren Geschosse öffnet sich im 2. Obergeschoss ein «Wohnbereich» (tatsächlich waren hier, neben allen anderen, auch die Bauvorschriften an Hotelräume einzuhalten). Die mit Holz ausgelegten Aufenthaltsräume öffnen sich zu den eingeschnittenen Terrassen, wo die pausierenden Rettungskräfte mit Weitblick auf das Flughafenareal den Arbeitstag ausklingen lassen können. Solche Nischen sind nicht minder wichtig als die Prozessarchitektur. Denn richtig schlafen dürfen die Rettungskräfte im Gebäude nicht, umso wichtiger ist die Erholung oder eben das Ruhen.
Am Bau Beteiligte
Bauherrschaft
Flughafen Zürich AG
Intervention
Schutz & Rettung Zürich
Architektur
Steiger Concept AG, Zürich
Baumanagement
Confirm Baumanagement AG, Zürich
Bauleitung
Fanzun AG, Zürich
Tragkonstruktion
JägerPartner AG, Zürich
Elektroplanung, Gebäudetechnik
Gruner Gruneko AG, Zürich
Bauphysik, Akustik und Brandschutz
Gruner AG, Zürich