Prix Me­ret Op­pe­n­heim 2023

Zum 23. Mal zeichnet das Bundesamt für Kultur (BAK) mit dem Prix Meret Oppenheim herausragende Schweizer Kulturschaffende aus. Dieses Jahr sind das der Kunsthistoriker und Architekturexperte Stanislaus von Moos, der Künstler Uriel Orlow und das Kollektiv Parity Group.

Data di pubblicazione
02-02-2023

Der Prix Meret Oppenheim ist wie die Kunst- oder Architekturproduktion nicht zeitlos, sondern Abbild gesellschaftlicher Transformationsprozesse. Dieses Jahr erhalten Themen von grosser Aktualität durch die Verleihung des Schweizer Kunstpreises an den Kritiker von Moos, den Künstler Orlow und das Netzwerk Parity Group mehr Sichtbarkeit. Die konsistente Vermittlung von Zusammenhängen und die interdisziplinären Querverbindungen in der Arbeit von Stanislaus von Moos und die kritische Übersetzung vergangener Lesarten in eine postkoloniale Gegenwart durch Uriel Orlow werden durch die Aktualität und Innovationskraft der Parity Group ergänzt.

Die Preise werden zusammen mit den Schweizer Kunstpreisen am 12. Juni 2023 in Basel verliehen. Im Anschluss an die öffentliche Veranstaltung findet die Vernissage der Ausstellung «Swiss Art Awards» statt, an der die Preisträgerinnen und Preisträger der Schweizer Kunstpreise in Videoporträts vorgestellt werden. Die Ausstellung «Swiss Art Awards» findet gleichzeitig mit der Art Basel vom 12. bis 18. Juni 2023 statt.


Stanislaus von Moos
«Man muss ab und zu auch einen oder zwei Schritte zur Seite tun, um die Dinge von ausserhalb der Kultur in Augenschein zu nehmen, in der man selber funktioniert.»

Der Kunsthistoriker Stanislaus von Moos ist international bekannt für seine scharfsinnigen Analysen von Bauwerken und künstlerischen Artefakten aller Art und der komplexen historischen, politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Faktoren, die ihre Bedeutung prägen. Seine kritischen Texte zu Themen der materiellen Kultur tragen so zu einem besseren Verständnis der Welt bei, in der wir leben. Neugierig und engagiert, gelehrt und unterhaltsam wendet er sich mitunter auch an ein breites Publikum.

Während sechzig Jahren versuchte von Moos mit seiner Arbeit als Wissenschaftler, Kurator und Pädagoge Brücken zu schlagen zwischen Architektur und Kunst, Geschichte und Kritik, Hoch- und Trivialkultur, wobei urbane Ballungsräume nicht weniger als künstliche Landschaften ins Visier geraten. Die Palette von Themen umfasst militärische Festungsanlagen der Renaissance genauso wie die künstlerische Avantgarde des 20. Jahrhunderts, die Popkultur so gut wie den Minimalismus. Diesen vielfältigen, luzide ins Auge gefassten und gelegentlich nicht ohne Ironie verfolgten Interessen liegt die Absicht zugrunde, Architektur und Kunst als Ausdruck der Verfasstheit der Moderne zu verstehen. Seine Arbeit gibt unerwartete Einblicke in das Werk von Architektinnen und Architekten wie Le Corbusier, Karl Moser, Max Bill, Robert Venturi und Denise Scott Brown, Herzog & de Meuron sowie Rem Koolhaas, aber auch von Künstlerinnen und Künstlern wie Václav Požárek, Pipilotti Rist, Peter Fischli und David Weiss sowie anderen.


Uriel Orlow
«Wir müssen uns eigentlich mit der Gegenwart auseinandersetzen, aber die Vergangenheit ist nicht vergangen. Sie ist immer noch mit uns über die Geister, über dieses haunting. Das hat sich über die Zeit in meiner Praxis auf verschiedene Weise artikuliert.»
 
Uriel Orlows künstlerische Arbeitsweise ist recherchebasiert und prozessorientiert, sie entsteht oft im Dialog mit anderen Menschen und Disziplinen und über einen längeren Zeitraum. Die von ihm entwickelten Projekte beschäftigen sich mit den Spuren des Kolonialismus, räumlichen Manifestationen von Erinnerung, sozialer und ökologischer Gerechtigkeit, blinden Flecken der Repräsentation und Pflanzen als politischen Akteurinnen.

In mehrteiligen Werkkomplexen, die in den letzten Jahren entstanden sind, wie etwa Theatrum Botanicum (2015–2018), beschäftigt sich Uriel Orlow mit der Rolle von Pflanzen als Zeuginnen der europäischen Kolonialgeschichte und des Klimawandels sowie als Trägerinnen von Erinnerung. Ausgehend von Pflanzen versucht er more-than-human entanglements («mehr als menschliche Verstrickungen») und andere Formen des Widerstandes zu entwerfen. Frühere Arbeiten, unter anderen The Benin Project (2007/2008) oder Unmade Film (2012/2013), beschäftigen sich mit dem Raub von Kulturgütern im Kolonialismus, der Notwendigkeit der Restitution und den materiellen und psychologischen Dimensionen von Orten, die von historischem Trauma geprägt sind.


Parity Group
«In den letzten Jahren hat ein Übergang stattgefunden, bei dem ein Gespräch in Gang gesetzt wurde, das es vorher schlicht nicht gab. Aus der Parity Group als Initiatorin dieser Art von Gesprächen wurde eine Plattform, wo viele unterschiedliche Initiativen aufzublühen begannen.»

Die Parity Group ist eine basisdemokratische Graswurzelinitiative, die im Herzen des Departements Architektur (D-ARCH) der ETH Zürich entstand. Die 2014 von einer Gruppe junger am Departement tätiger wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Leben gerufene Parity Group hat seither kontinuierlich als Plattform und Netzwerk innerhalb dieser Bildungseinrichtung Fuss gefasst: Sie ist eine Plattform für Diskussionen und Aktionen zu Fragen der Parität, Diversität, Ungleichheit und Institutionskritik; ein Netzwerk und Treffpunkt für die diversen Angehörigen der Schule – von Studentinnen und Studenten über Assistentinnen und Assistenten zu Dozentinnen und Dozenten und Professorinnen und Professoren –, die diese zentralen Themen zur Sprache bringen.

Seit 2016 veranstaltet die Parity Group die von ihr initiierten Parity Talks, ein Symposium, das der Diversität und Gendergleichheit gewidmet ist und das jedes Jahr am 8. März, dem Internationalen Frauentag, stattfindet. Als Forum der öffentlichen Debatte, das internationale und lokale Gäste versammelt, sind die Parity Talks ein jährliches Ereignis im Schweizer Architekturkalender geworden und tragen dazu bei, die Auseinandersetzung über Diversität und Inklusion innerhalb der Architekturgemeinschaft voranzutreiben.

Die Resultate der ersten Runde der Parity Talks ermöglichten es der Parity Group, das 9-Points-for-Parity-Manifest zu veröffentlichen, eine Liste strategischer Massnahmen, die das Geschlechtergleichgewicht innerhalb des Departements Architektur verbessern soll.

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