Bien­na­le Ve­ne­dig 2023: Be­vor das Al­te wie­der ak­tuell wird

DAAR, Arsenale

Die diesjährige Biennale hat sich nicht nur dem architektonischen Erbe in Afrika verschrieben, sondern widmet sich auch den Spuren, die die Kolonialisierung afrikanischer Völker in Europa hinterlassen hat. Aus politischer Sicht besonders interessant sind heute die Gebiete Italiens, in denen unter dem faschistischen Regime Mussolinis Arbeitende aus Eritrea und Äthiopien angesiedelt werden sollten.

Data di pubblicazione
11-08-2023

«DAAR»–Decolonizing Architecture Art Research
Arsenale

 

Kuratiert durch:

Alessandro Petti, Sandi Hilal
(Stockholm, Bethlehem)


Acht Städte wurden damals aus dem Boden gestampft, deren Architektur den Fortschrittsglauben und Modernität der Regierung abbildete. Die Bauten entstanden 1940 im Rahmen von Programmen der «Ente di colonizzazione del latifondo siciliano», um dem aus Sicht der Faschisten unterentwickelten und zu wenig bevölkerten Sizilien zu einer neuen Blüte zu verhelfen. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs verlor das Regime das Interesse an den Kolonisationsplänen. Seither waren die Häuser ungenutzt und dienten zuletzt temporär als Flüchtlingsunterkunft oder als Impfzentrum. Im Allgemeinen sind sie aber zu Ruinen verfallen.

Das auf der Biennale gezeigte Projekt ist als eine wandernde Diskussionsplattform konzipiert.15 Sitzwürfel und eine Tafel bilden ein öffentliches Esszimmer und versammeln Interessierte. Zusammen spiegeln die einzelnen Kuben die Fassade eines der betroffenen Häuser wider. Auf einer Leinwand laufen Filme, deren Kommentare, Bilder und historische Dokumente die Diskussionsgrundlage bilden.

Im Fokus steht eine Häusergruppe in der künstlichen Stadt Rizza in der Nähe von Siracusa, Sizilien, deren modernistische Architektur aus dem bäuerlich geprägten Umfeld heraussticht. Absichtsvoll an der leeren Ortsmitte platziert, symbolisierten die neuen Verwaltungsbauten neben Post, Schulhaus und Kirche die Zivilisierung der ruralen Landschaft. Die rationale Architektursprache, wie wir sie von Giuseppe Terragni aus Norditalien kennen, lässt heute das Architektenherz höher schlagen.

Momentan sind Neofaschisten dabei, sich einzelne frisch sanierte Häuser anzueignen. Dieses Recht der Wiederbelebung der Architektur zur Machtdemonstration einer Politik, die nicht nur in Italien an Fahrt aufnimmt, stellen die Forschenden vehement in Frage.

Die Verantwortlichen wollen die Installation als Einladung verstanden wissen, um über die zukünftige Nutzung der Bauten zu informieren und zu diskutieren. Mit dem Forum und ihrem Film zur Entstehungsgeschichte machen sie deutlich, dass der Prozess der Denazifizierung ebenso wie derjenige der Dekolonisierung Italiens noch nicht abgeschlossenen ist. Gemeinsam mit Anwohnenden treiben sie die Suche nach angemessenen Nutzungsideen voran. Das Projekt wurde mit einem Goldenen Löwen geehrt.

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